Neujahrsempfang der Hochschule der Deutschen Bundesbank

Es gilt das gesprochene Wort.

Lieber Herr Professor Keller,
sehr geehrter Herr Landtagspräsident Hering,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Klöckner,
sehr geehrter Herr Bürgermeister Leukel,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich freue mich sehr, heute bei Ihnen sein zu können.

Zunächst möchte ich mich beim Kammerchor Marienstadt bedanken, der uns in so beeindruckender Weise musikalisch unterhalten hat. Welche Emotionen Musik im Zuhörer freisetzt, hängt bekanntlich auch vom Ort und der Zeit ab, in der die Musik gehört wird. Ich finde, das war heute eine ganz hervorragende Kombination aus Raum und Klang und ich bin sicher, die Musik wird uns noch lange im Gedächtnis bleiben.

Und noch etwas hat mir sehr gut gefallen: Dass wir gemeinsam durchs Schloss gegangen sind. Wir haben dabei nicht nur interessante Orte kennengelernt, sondern wir haben uns auch bewegt. Ich denke ich spreche für uns alle, wenn ich behaupte: Wir sitzen zu viel – am Schreibtisch, in Besprechungen, im Auto oder im Flugzeug. Schon der deutsche Kaiser Maximilian I. (1459-1519), der als Begründer der Habsburger Dynastie in Europa gilt und fast auf den Tag genau vor 500 Jahren starb, wusste: „Das Stillsitzen und der Müßiggang pflegt adelige tapfere Leiber nicht anders als der Rost das Eisen zu verderben.“ Oder, um es etwas moderner zu formulieren: „Das Sitzen ist das neue Rauchen“ – und das natürlich nicht nur bei den Adeligen, sondern auch bei uns Normalbürgern.

Müßiggang – dafür wird das Jahr 2019 wahrlich keine Gelegenheit liefern! In Europa droht in gut zwei Monaten ein harter Brexit. Für mich als überzeugter Europäer ist schon der Austritt eines Landes aus der Europäischen Union ein kaum nachvollziehbarer Schritt. Wenn dieser Schritt dann aber auch noch ohne einen Scheidungsvertrag und ohne klare Absprachen über das zukünftige gemeinsame Verhältnis vollzogen wird, wäre mir das völlig unverständlich. Denn machen wir uns nichts vor: Ein harter Brexit würde auch Deutschland treffen – vor allem würde er aber wohl den Briten selbst schaden. Die Schätzungen über die Kosten des Brexits gehen weit auseinander. Aber eines dürfte bei aller Schätzunsicherheit klar sein: Ein harter Brexit kommt uns alle teurer zu stehen als ein geregelter Austritt – ökonomisch wie politisch.

Ökonomische und politische Kosten wären auch mit einer Verschärfung des Handelsstreits zwischen den Vereinigten Staaten und China verbunden. Hier lassen die jüngsten Signale zwar auf eine gewisse Entspannung schließen, wir alle wissen aber, wie schnell sich der Wind wieder drehen kann. Und auch ohne zusätzliche Maßnahmen verursachen die bereits eingeführten Zölle und Abgaben Wachstumseinbußen, vor allem in den Vereinigten Staaten und China.

Auch wenn Deutschland und der Euroraum von diesen Maßnahmen wohl nur wenig betroffen sein werden, sorge ich mich darüber, was die zunehmenden Protektionismus-Tendenzen für die bestehende Welthandelsordnung bedeuten. Ich bin zutiefst überzeugt, dass es keine sinnvolle Alternative zu einem regelbasierten, multilateralen Handelssystem gibt. Das bedeutet für mich, dass die bestehenden Regeln der World Trade Organisation angewandt werden müssen und unfaire Handelspraktiken nicht toleriert werden dürfen. Gleichzeit sollte das bestehende Regelwerk aber auch reformiert werden. Nach Ansicht vieler sollte das geistige Eigentum besser geschützt werden. Und eines sollte dabei nicht vergessen werden: Die Diskussionen über eine zu reformierende Welthandelsordnung bieten grundsätzlich die Chance, Handelsbarrieren abzubauen, anstatt neue zu errichten. Das sage ich auch mit Blick auf die Europäische Union, denn die ist keineswegs das Freihandelsparadies, für das sie häufig gehalten wird. Wir Europäer sollten deshalb mit gutem Beispiel vorangehen und den Protektionismus-Befürwortern Zollsenkungen und eine weitergehende Öffnung unserer Märkte entgegenhalten.

Mir ist natürlich bewusst, dass ein solcher Vorschlag in einem Jahr, in dem das Europäische Parlament neugewählt wird und eine neue Europäische Kommission gebildet werden muss, nur schwer umzusetzen sein dürfte. Und so hängen der Brexit und die zunehmenden Protektionismus-Tendenzen derzeit wie ein Damoklesschwert über den Wirtschaftsaussichten. Die sind im Übrigen, anders als es die meisten Schlagzeilen derzeit suggerieren, gar nicht so schlecht. Zwar enttäuschten viele Konjunkturindikatoren in den vergangenen Wochen und Monaten, weshalb diverse Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft, den Euroraum und Deutschland etwas zurückgenommen wurden. Nach der aktuellen Einschätzung unserer Konjunkturexperten könnte die Dynamik in der deutschen Wirtschaft im laufenden Winterhalbjahr etwas geringer ausfallen, als es noch im Dezember erwartet wurde. Für die kommenden Jahre ist hingegen weiterhin mit einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum geringfügig oberhalb der Potenzialrate zu rechnen, wie dies in der Prognose vom Dezember 2018 veranschlagt war. Ein etwas nachlassender Konjunkturauftrieb ist das eine. Für die langfristigen Wachstumsaussichten Deutschlands ist aus meiner Sicht aber bedeutsamer, dass die Produktionsmöglichkeiten durch die hohe Kapazitätsauslastung und die ungünstige demografische Entwicklung beschränkt werden. Der zunehmende Facharbeitermangel ist Ausdruck dafür – und der ist sicher auch hier im Westerwald zu spüren.

Die demografische Entwicklung wirkt in zwei Richtungen: Zum einen scheiden die geburtenstarken Jahrgänge allmählich aus dem Berufsleben aus, zum anderen streben weniger junge Menschen ins Berufsleben. Beides spürt auch die Bundesbank – und damit natürlich auch die Hochschule in Hachenburg. So werden in den nächsten zehn Jahren rund 30 Prozent der Bundesbank-Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Darunter auch viele im gehobenen Dienst. Deshalb ist der Einstellungsbedarf hier sehr hoch. Gleichzeitig wird es schwieriger, Nachwuchskräften für den gehobenen Dienst in der Bundesbank zu gewinnen. Das hat nicht nur demografische Ursachen, sondern ist auch einer stärkeren Konkurrenzsituation geschuldet. Duale Studiengänge, also die Kombination von bezahltem Studium und praxisorientierter Ausbildung, werden schon längst nicht mehr nur von der Bundesbank und anderen öffentlichen Arbeitgebern angeboten. Auch viele Unternehmen haben diesen Weg für sich entdeckt, um junge Menschen frühzeitig im Berufsleben an sich zu binden.

Dabei hat die Hochschule in Hachenburg aus meiner Sicht aber immer noch große Wettbewerbsvorteile. Zum einen ist die Bundesbank als deutsche Notenbank im Europäischen System der Zentralbanken ein attraktiver Arbeitgeber. Sie bietet den Absolventinnen und Absolventen eine Vielzahl verschiedener Tätigkeiten an den Schnittstellen von Politik und Wirtschaft im europäischen und internationalen Kontext an. Als breit ausgebildete Generalisten können „die Hachenburger“ im späteren Berufsleben außerdem vergleichsweise leicht die Stelle innerhalb der Bundesbank wechseln und auch Karriere machen. Daher arbeiten weit über 80 Prozent der Absolventinnen und Absolventen en auch zehn Jahre nach ihrem Examen noch für die Bundesbank.

Zum anderen ist die Qualität der akademischen und praktischen Ausbildung in der Bundesbank sehr gut. „Die Hachenburger“ sind bei den Führungskräften und Personalverantwortlichen in der Bundesbank ausgesprochen beliebt. Das gilt im Übrigen auch für die Europäische Zentralbank, die sehr gerne junge, in Hachenburg geschulte Bankenaufseher einstellt. Viele Notenbanken beneiden uns auch, wie wir  den eigenen Nachwuchs im Wege eines dualen Studiums ausbilden. Entsprechend bekommt die Hochschule immer wieder hochrangigen Besuch von ausländischen Notenbanken. Zuletzt hat sich vor zwei Monaten der stellvertretende Gouverneur der tschechischen Notenbank, Marek Mora, hier vor Ort ein Bild von der Hochschule und den Studienbedingungen gemacht.

Last but not least studiert es sich hier im Barockschloss natürlich auch besonders stilvoll. Wie gut dieses Zusammenspiel von Leben und Lernen im Schloss funktioniert, zeigen die guten Studienerfolge der Absolventen und das intensive berufsbegleitende Netzwerk der Alumni. Die gemeinsame Zeit in Hachenburg schweißt zusammen.

Damit sich noch mehr Schülerinnen und Schüler für ein Studium des Zentralbankwesens hier in Hachenburg begeistern, gibt es auf der Homepage der Hochschule neben dem virtuellen Rundgang durchs Schloss mittlerweile auch einen kurzen Film, der – mit dem einen oder anderen Augenzwinkern – Leben und Lernen an der Hochschule vorstellt.

In dem Spannungsfeld aus anhaltend hohem Einstellungsbedarf und tendenziell zunehmendem Wettbewerb um leistungsbereite und leistungsstarke Berufseinsteiger wird ein netter Werbefilmallein natürlich nicht reichen, um auch weiterhin genügend Nachwuchs für den gehobenen Dienst zu rekrutieren. Noch mehr Werbung wird von Nöten sein, etwa im Rahmen eines Tages der offenen Hochschule – wie wir ihn für dieses Jahr planen – oder im Rahmen der zahlreichen Veranstaltungen der ökonomischen Bildung.

Die ökonomischen Bildungsaktivitäten der Bundesbank liegen mir besonders am Herzen und ich freue mich, dass unsere Lehrmaterialen und die vielen Veranstaltungsformate, die wir für Schüler und Studierende bundesweit anbieten, so gut angenommen werden. Ich bin überzeugt: Je mehr junge Menschen zum Beispiel über den Wert stabilen Geldes und die Rolle, die die Bundesbank für die Geldversorgung und die Preisstabilität in Deutschland und dem Euroraum spielt, informiert sind, desto größer dürfte die Zahl derer sein, die sich für diese Aufgaben ganz persönlich einzusetzen möchten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Bundesbank hat einen so großen Bedarf an Nachwuchskräften, dass die Hochschule mittlerweile an ihre Kapazitätsgrenzen stößt. Deshalb wird die Bundesbank künftig auch noch ergänzende Zugangswege in den gehobenen Dienst anbieten.

Die Hochschule hier in Hachenburg bleibt aber weiterhin die zentrale Säule für die Ausbildung im gehobenen Dienst in der Bundesbank. Vor 40 Jahren, am 1. Oktober 1979, wurde der Studienbetrieb hier in Hachenburg aufgenommen. Wie in den zurückliegenden 40 Jahren baut die Bundesbank auch in Zukunft fest auf den Ausbildungsbeitrag der Hochschule und auf ihre Absolventinnen und Absolventen. Die werden dringend gebraucht. Denn nur mit ihnen kann die Bundesbank ihre wichtigen Aufgaben in den nächsten Jahren noch in gewohntem Umfang und in gewohnter Qualität erfüllen.

Hachenburg ist dabei aus meiner Sicht ein guter Standort für die Hochschule. Hachenburg liegt nicht nur grob gesprochen in der Mitte Deutschlands, sondern bietet den Studierenden auch einiges. Neben Kino, Schwimmbad und vielen Sport- und Freizeitmöglichkeiten gibt es in der Stadt ein vielfältiges kulturelles Angebot sowie zahlreiche Restaurants und Kneipen. Der einzige Punkt, den Studierende bisweilen anmerken ist, dass sie viele Möglichkeiten erst im Laufe des Studiums kennenlernen. Deshalb möchte die Hochschule zusammen mit der Stadt einen „Studenten-Guide“ zusammenstellen, der alle Freizeitangebote in der Stadt und im Umland, für die sich Studierende interessieren könnten, aufführt.

Aus der Tatsache, dass Sie liebe Gäste, der Einladung zu unserem Neujahrsempfang so zahlreich gefolgt sind, schließe ich, dass die Stadt und das Umland von Hachenburg ebenfalls wissen, was sie an der Hochschule haben. Das freut mich sehr! Ich bin überzeugt, dass die jungen Leute eine Bereicherung für die Stadt darstellen. Hier denke ich nicht in erster Linie an ihre Wirtschaftskraft. Ich denke hier vielmehr auch an das sportliche und kulturelle Leben in der Stadt. Denn die Studierenden sind Mitglieder im TuS Hachenburg, bei den Altstädter Dorfmusikanten oder in einem Chor, besuchen das Kino, die Fitnessstudios und gelegentlich wohl auch die eine oder andere Kneipe. Um die Symbiose von Stadt und Hochschule zu fördern, ist es aus meiner Sicht daher selbstverständlich, dass auch die Hochschule ihren Beitrag leistet, um das Kulturleben in der Stadt und der Region zu bereichern. Dadurch, dass sie hochkarätige Vortragende nach Hachenburg holt oder ihren Vortragssaal und das Schlossgelände für Konzerte und Begegnungen zur Verfügung stellt, schafft sie die Möglichkeit für das Wichtigste der menschlichen Interaktion: dass wir uns intellektuell oder emotional gegenseitig berühren!

Das ist heute Abend bereits so hervorragend geschehen. Aber noch ist der Abend ja nicht zu Ende. Deshalb möchte ich meine Ausführungen nun schließen, wohl wissend, was Kaiser Maximilian I. einst gesagt hat. Er riet nämlich: „Halte Maß und bedenke das Ende.“ Was für meine Rede gilt, soll für Sie liebe Gäste natürlich nicht gelten: Genießen Sie Ihr Dessert und führen Sie heute Abend noch viele anregende Gespräche. Vielen Dank.