Grußwort zur Eröffnung der Ausstellung „Goethe.Auf.Geld.“ (vom 16.09. – 09.12.2012)

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Dr. Fehr,
Herr Professor Schefold,
Herr Dr. Rosseaux,
meine sehr verehrten Damen und Herren,

die Mitarbeit im Vorstand der Deutschen Bundesbank ist weiß Gott keine langweilige Angelegenheit. Wir arbeiten nun bereits seit über 5 Jahren im Krisenmodus. Gerade aber die vergangene Woche war an Spannung kaum zu überbieten. Zu Beginn der Woche die Diskussionen über die Auswirkungen des EZB-Ratsbeschlusses, am Mittwoch standen die Pläne der EU-Kommission zur Bankenaufsicht mit möglicherweise gravierenden Folgen für die Bundesbank im Fokus und schließlich am Mittwoch die weltweit beachtete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – und nun zum Wochenende „Goethe und das Geld“. Für mich persönlich ein angenehmer, ein inspirierender Kontrast zu vielen hektischen Botschaften der vergangenen Tage.

Ich möchte sie herzlich im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank willkommen heißen. Fühlen Sie sich wohl bei uns. Vor allem danke ich Ihnen für Ihr Kommen an einem Sonntagvormittag, der Ihnen sicher auch andere Optionen vorgehalten hat.

Meine Damen und Herren,

als Thomas Mann 1949 zum 200. Geburtstag Goethes einen Vortrag über „Goethe und die Demokratie“ hielt, konfrontierte er seine Zuhörer gleich zu Beginn mit einer verblüffenden Feststellung: Über Goethe gebe es nichts Neues mehr zu sagen! Um dann durch seine Rede eindrucksvoll zu beweisen, dass diese provokante Aussage nicht zutraf.

Auch heute, noch einmal 63 Jahre später, gilt: Man kann Goethe stets noch etwas Neues abgewinnen. Nicht nur, dass sich jede Generation ‚ihren‘ Goethe jeweils neu erschließt. Nein, mehr noch: immer wieder geraten Aspekte von Goethes Biografie und Werk in den Blick, die man bislang wenig beachtet hatte:

  • Goethe als Naturforscher beispielsweise, der sich intensiv mit Fragen der Biologie und der Physik – hier vor allem der Optik – auseinandersetzte. Er selbst hielt seine Farbenlehre für wichtiger als seine literarischen Arbeiten! Allerdings wollten schon die Physiker seiner Zeit diese Einschätzung nicht teilen.
  • Oder: Goethe als Finanzminister. Diese Tätigkeit beschäftigte ihn weit mehr, als es das verbreitete Bild vom Dichtergenie vermittelt, das sich gleichsam wie nebenbei um die Staatsgeschäfte des Herzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach kümmerte.
  • Oder: Goethe, der Geschäftsmann. Im Umgang mit seinen Verlegern zeigte er sich sehr geschäftstüchtig. So ersann er ein neues Auktionsverfahren, um den bestmöglichen Preis für eines seiner Werke zu erkunden. Und er versuchte, eine alte Silbermine in Ilmenau wieder in Produktion zu bringen – was aber misslang.
  • Oder Goethe als Schlittschuhläufer, der einst zusammen mit seinem Freund, dem Bankier Friedrich Metzler, auf dem zugefrorenen Main mit elegantem Sportgerät seine Runden drehte.

Die Frankfurter Goethe-Festwoche 2012 wendet sich nun aber einem solchen Themenfeld zu, das in der bisherigen Goethe-Rezeption nachrangig behandelt wurde. Unter dem Titel „Goethe und das Geld“ werden in Ausstellungen, Theateraufführungen, Vorträgen und Podiumsdiskussionen die vielfältigen Aspekte der Thematik ausgelotet.

Die Wahl des Leitmotivs „Goethe und das Geld“ erscheint dabei vor dem Hintergrund der aktuellen Finanz- und Währungskrise als besonders gelungen. Zumal für eine Stadt wie Frankfurt, die als Vaterstadt Goethes einerseits und als bedeutender Finanz- und Börsenplatz andererseits für ein solches Leitmotiv geradezu prädestiniert ist.

Mit der Ausstellung „Goethe.Auf.Geld.“ beteiligt sich die Deutsche Bundesbank an der Goethe-Festwoche 2012. Diese Ausstellung thematisiert die geldgestalterische Auseinandersetzung mit Goethe seit dem 19. Jahrhundert:

  • Angefangen mit der ersten Goethe-Gedenkmünze, die 1849 anlässlich seines 100. Geburtstags von der damals noch selbständigen Stadt Frankfurt geprägt wurde,
  • über das deutsche Notgeld der 1920er Jahre
  • bis hin zu kaum bekannten Entwürfen für DM-Scheine mit Goe-the-Motiven.

Dabei ist die Beschäftigung mit Goethe als Motiv auf Zahlungsmitteln mehr als lediglich numismatisches Spezialistentum. Denn schließlich zählt Geld in seinen beiden Erscheinungsformen als Münze und Schein zu den Massenmedien par excellence: Jeder hat Geld im Portemonnaie, tagtäglich wird es millionenfach in die Hand genommen und betrachtet.

Im Vorfeld der damals näher rückenden Euro-Bargeldeinführung wurden die Deutschen befragt, welche Persönlichkeiten sie sich als Motive auf den zukünftigen Euro-Geldscheinen wünschten. Zur Auswahl stand eine 13 Positionen umfassende Liste prominenter historischer Größen. Das Ergebnis: 36 Prozent aller Befragten votierten für Goethe als Geldscheinmotiv auf den Euro-Scheinen! Gar 52 Prozent waren es in den neuen Bundesländern – hier machte sich ganz offenbar bemerkbar, dass der Dichterfürst seit 1964 den Schein zu 20 Mark der DDR geschmückt hatte. Aber auch in den alten Bundesländern sprach sich ein knappes Drittel für Goethe auf den Euro-Scheinen aus.

Übertroffen wurde er nur von Albert Einstein, der gesamtdeutsch Platz eins belegte. Auch wenn das Design der Euro-Geldscheine schließlich ganz anders aussah – eines dokumentiert dieses Umfrageergebnis in schöner Deutlichkeit: Goethe als Geldscheinmotiv kann sich breiter gesellschaftlicher Unterstützung sicher sein.

Meine Damen und Herren,

Goethe hat sich nicht nur als Finanzminister und Geschäftsmann ganz praktisch – wie jeder von uns – mit Geld beschäftigt. Er hat sein Wissen über Geld und das Geldwesen auch in viele seiner Werke einfließen lassen.

Im Zentrum steht dabei jene berühmte Szene in Faust II, in der Faust und Mephisto den Kaiser dazu bringen, Papiergeld zu emittieren. Diese Szene ist von Ambivalenz und tiefer Skepsis gegenüber dem Geld aus Papier geprägt – so wie Goethe das seinerzeit entstehende Papiergeld selbst bewertet hat. Die Schöpfung von Papiergeld erscheint als Blendwerk, als eine Art moderner Alchemie – bei der nun nicht Blei in Gold verwandelt werden soll, sondern bedruckte „Zettel“ – so nannte man damals Banknoten – zu Geld erklärt werden.

Die Skepsis gründet in dem Bewusstsein über das Risiko, das unbegrenzte Geldschöpfung in Inflation münden kann – eine Erfahrung, die zu Goethes Zeiten bereits wohlbekannt war, und die Goethe bei seinen Kuraufenthalten in Karlsbad, wo mit österreichischen „Papiergulden“ gezahlt wurde, auch praktisch erlebte.

Rund 100 Jahre später – wenn Sie mir diesen Sprung durch die Geschichte gestatten – wütete in Deutschland eine Hyperinflation. Deren zerrüttende Auswirkungen auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind bekannt. Heutzutage schon etwas in Vergessenheit geraten ist, dass damals zahlreiche Gemeinden sogenanntes Notgeld ausgaben.

Während des Ersten Weltkriegs und den Jahren danach diente es als Ersatz für metallene Münzen, die wegen der Kriegsproduktion eingezogen worden waren. Mit der Inflation nahmen die Nominalwerte dieser Geldscheine zu: Sie lauteten dann auf 100 Milliarden Mark, 1 Billion Mark oder gar 5 Billionen Mark.

Nicht wenige dieser Notgeldscheine zeigen Motive aus Goethes Werken. Und manche von ihnen beziehen sich – geradezu selbstironisch – gerade auch auf die Geldschöpfungsszene aus Faust II.

Die temporäre Ausstellung „Goethe. Auf. Geld.“ ergänzt die Dauerausstellung des Geldmuseums und spiegelt dessen Kernbotschaft: Wie wichtig stabiles Geld ist, welch hohen Wert die Preisstabilität hat – ein Thema, das viele von uns gerade in diesen Tagen wieder sehr beschäftigt. Insofern versteht sich „Goethe.Auf.Geld“ auch als Beitrag zur ökonomischen Bildungsarbeit der Deutschen Bundesbank.

Zudem bietet die Ausstellung „Goethe.Auf.Geld.“ die Möglichkeit, Teile der geldgeschichtlichen Sammlung der Deutschen Bundesbank öffentlich zu zeigen, die ansonsten nicht zu sehen sind. Und hier gibt es viele unentdeckte Schätze. Denn mit ihrer Kombination aus rund 90.000 Münzen und 260.000 Geldscheinen aller historischen Epochen ist die numismatische Sammlung der Bundesbank weltweit einzigartig.

Geldmuseum und numismatische Sammlung sind freilich nur zwei Mosaiksteine in dem breitgefächerten Bildungsangebot der Bundesbank für die allgemeine Öffentlichkeit. Dazu gehören zum Beispiel auch Seminare für Schulklassen, für Lehrer und andere Interessierte sowie das Buch „Geld und Geldpolitik“, das gerade wieder in einer aktualisierten Auflage erschienen ist.

Weiter zählen dazu auch Vorträge hier im Geldmuseum. So wird beispielsweise in der übernächsten Woche, am 26. September, hier in diesem Vortragssaal Professor Dr. Bernd Weber von der Universität Bonn zum Thema „Macht Geld glücklich? Die neurobiologische Verarbeitung von Geld“ sprechen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

bevor ich schließe, möchte ich nicht versäumen, sehr herzlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Deutschen Bundesbank zu danken, die am Gelingen des Ausstellungsprojekts mitgewirkt haben. Mein besonderer Dank gilt dabei Herrn Dr. Rosseaux, der die Ausstellung inhaltlich und konzeptionell maßgeblich entwickelt hat. Er wird später noch zu Ihnen sprechen und sein Konzept erläutern.

Ich wünsche der Ausstellung „Goethe.Auf.Geld“ und der Frankfurter Goethe-Festwoche einen erfolgreichen Verlauf und Ihnen allen einen interessanten Aufenthalt im Geldmuseum der Deutschen Bundesbank.