Geld als Aufgabe der Bundesbank Rede beim Bankenabend der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank in Baden-Württemberg

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen vielmals für die freundliche Begrüßung. Besonders freut es mich, dass Sie heute so zahlreich erschienen sind. In den USA wäre das am Tag nach dem Super Bowl alles andere als gewöhnlich.

In Anspielung auf den „Super Tuesday“, an dem traditionell in zahlreichen Bundesstaaten die Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidatur stattfinden, wird der Tag nach dem Finale der National Football League (NFL) in den USA auch als „Super Sick Monday“ bezeichnet. Umfragen zufolge planen heute über 16 Millionen Beschäftigte in den USA nicht zu arbeiten.[1] Die ökonomischen Auswirkungen des Super Bowl sind also durchaus relevant, auch weil die Konsumausgaben der Zuschauerinnen und Zuschauer in Zusammenhang mit dem Super Bowl in diesem Jahr Schätzungen zufolge bei über 18 Milliarden USD liegen dürften.[2]

Im Mai findet in München mit dem Finale der Fußball UEFA Champions League zwar ebenfalls ein international beachtetes Endspiel statt. Vergleichbare konjunkturbelebende Auswirkungen wie beim Super Bowl in den USA werden wir aber für Deutschland vermutlich nicht erleben.

2 Wirtschaftliche Herausforderungen 

Meine Damen und Herren,

was die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland angeht, müssen wir feststellen: Die deutsche Wirtschaft befindet sich nun seit Mitte 2022 in einer anhaltenden Schwächephase, und auch der Blick in die Zukunft sieht nicht rosig aus. Im Gesamtjahr 2024 dürfte die Wirtschaftsleistung in Deutschland nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamtes um 0,2 Prozent zurückgegangen sein. Besonders schwach entwickelte sich erneut die Industrie.

Die verringerte Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen und hoher Wettbewerbsdruck, vor allem aus China, schlugen sich in rückläufigen Exporten nieder. Hohe Finanzierungskosten, erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit und stark unterausgelastete Kapazitäten belasteten zudem die Investitionen.[3]

Positive Impulse kamen hingegen vom privaten Konsum und den damit zusammenhängenden Dienstleistungsbereichen, unterstützt durch kräftig gestiegene Löhne. Diese boten Spielraum für zusätzliche Konsumausgaben. Allerdings hielt die Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher an und wirkte einer stärkeren Erholung der Konsumausgaben entgegen.

Insgesamt dürfte es der deutschen Wirtschaft im ersten Quartal 2025 noch nicht gelingen, sich aus der lang anhaltenden Stagnationsphase zu befreien. Und auch für das Gesamtjahr 2025 gehen unsere Fachleute bei der Deutschen Bundesbank gemäß ihrer aktuellen Prognose nur von einem geringen Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent aus.

Positiver als die deutsche Wirtschaft hat sich dagegen zuletzt die Inflationsrate entwickelt. Im Oktober 2022 hatte sie im Euroraum mit 10,6 Prozent einen historischen Höchststand erreicht. Um zu verhindern, dass sich die hohe Inflationsdynamik verfestigt, hatte der EZB-Rat entschieden reagiert und die Leitzinsen zwischen Juli 2022 und September 2023 zehnmal in Folge erhöht.

Die straffe Geldpolitik wirkt: nicht zuletzt wegen ihr haben wir seitdem klare Fortschritte in Richtung Preisstabilität gemacht. Deshalb waren auch die Zinssenkungen angemessen, die der EZB-Rat auf fünf Sitzungen zwischen Juni 2024 und Januar 2025 beschlossen hat.

In Deutschland sank die Inflationsrate im Durchschnitt des Jahres von 6 Prozent im Jahr 2023 auf 2,5 Prozent im Jahr 2024. In ihrer aktuellen Prognose gehen unsere Fachleute davon aus, dass die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt für 2025 bei 2,4 Prozent und für 2026 bei 2,1 Prozent liegen wird.

Nach wie vor gibt es aber große Unsicherheitsfaktoren für den weiteren Rückgang der Inflation. Ein besonders großer Unsicherheitsfaktor sind mögliche Auswirkungen von Handelskonflikten. Diese könnten den Inflationsdruck maßgeblich erhöhen. Und auch bei den Dienstleistungen sind die Preisanstiege noch anhaltend hoch. Der EZB-Rat wird seine geldpolitischen Entscheidungen daher auch weiterhin – auf Basis der aktuellen Datenlage – von Sitzung zu Sitzung treffen.

3 Geld als Aufgabe der Bundesbank

Meine Damen und Herren,

den Wert des Euro zu sichern ist das wichtigste Ziel des Eurosystems.[4] Damit wir mit dem Euro dann aber auch bezahlen können, brauchen wir einen gut funktionierenden baren und unbaren Zahlungsverkehr. Hierfür stellen die Bundesbank sowie die anderen nationalen Zentralbanken im Eurosystem die grundlegende Infrastruktur.

Traditionell gilt Deutschland als ein sehr bargeldaffines Land. Das bestätigen auch unsere Studien, in denen wir seit 2008 regelmäßig das Zahlungsverhalten der Bevölkerung untersuchen.[5] Bei unserer jüngsten Erhebung im Jahr 2023 haben die Menschen in Deutschland mit 51 Prozent gut die Hälfte aller erfassten Transaktionen mit Banknoten und Münzen gezahlt – 2021 waren es noch 58 Prozent. Im Zuge der Digitalisierung sehen wir seit längerem, dass Bargeld seltener genutzt wird. Dieser Trend hat sich vor allem seit der Corona-Pandemie beschleunigt.

Vor diesem Hintergrund werde ich oft gefragt, ob die Bundesbank nun bare oder unbare Zahlungen bevorzugt. Schon die Frage suggeriert, dass wir uns für eine Seite entscheiden müssten. Doch für beide Zahlungsarten gibt es eine Vielzahl guter Gründe. Viele sehen beispielsweise im Schutz der Privatsphäre einen klaren Vorteil von Bargeld. Andere schätzen dagegen die Einfachheit und Schnelligkeit kontaktloser Zahlungen.

In einer im Dezember veröffentlichten Studie, die im Auftrag der Bundesbank erstellt wurde, wurden erstmals die Kosten von Bargeld und Kartenzahlungen aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher verglichen. Erfasst wurden zum einen monetäre Kosten. Dazu zählen Gebühren, etwa für die Kontoführung, für Barabhebungen am Geldautomaten oder für Zahlungskarten – aber auch der finanzielle Schaden bei Verlust oder Betrug. Zum anderen wurden nicht-monetäre Kosten in Form von Zeitaufwendungen und Kosten der Datenpreisgabe bei der Nutzung der verschiedenen Zahlungsmittel erfasst.[6]

Je Bezahlvorgang verursacht Bargeld nach dieser Studie aus Sicht der Verbraucherinnen und Verbraucher die geringsten Kosten. Im Verhältnis zur Höhe des ausgegebenen Geldbetrages ist die Debitkarte hingegen am günstigsten.

Deutlich teurer ist dagegen – aufgrund der relativ hoch kalkulierten Kosten der Preisgabe persönlicher Daten – die Kreditkarte.[7] Weitere Bezahlverfahren, beispielsweise Zahlungslösungen von Technologieunternehmen beziehungsweise BigTechs, wurden nicht explizit untersucht. Sie dürften aber aufgrund ihres datenfokussierten Geschäftsmodells ebenfalls mit höheren Kosten einhergehen.

Bei allen Bemühungen um Objektivität in unserer Studie ist aber auch klar, dass die wahrgenommenen Kosten und der Nutzen des Bezahlens auch immer auf individuellen Präferenzen beruhen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Entscheidung, ob man lieber bar oder unbar bezahlt, auch zukünftig jede und jeder für sich selbst treffen soll.

Um diese Wahlfreiheit zu haben, ist es aber wichtig, dass der Zugang zu und die Akzeptanz von Bargeld auch weiterhin gewährleistet bleiben. Vor einem Jahr wurde deshalb auf Initiative der Bundesbank das Nationale Bargeldforum gegründet, mit dem Ziel, Bargeld als kostengünstiges und effizientes Zahlungsmittel zu erhalten.

Als Bundesbank engagieren wir uns aber natürlich nicht nur für den baren Zahlungsverkehr, sondern wir wollen auch den unbaren Zahlungsverkehr weiter verbessern. Zusammen mit den drei anderen großen Zentralbanken im Eurosystem übernehmen wir den operativen Betrieb und die Weiterentwicklung der TARGET-Services. TARGET ist ein – oder das – Kernstück unserer Finanzmarktinfrastruktur und bildet das Rückgrat des europäischen Zahlungsverkehrs und der Wertpapierabwicklung.

Dazu gehört auch das System TARGET Instant Payment Settlement, kurz TIPS, das bereits seit 2018 die Abwicklung von Echtzeitüberweisungen – auch Instant Payments genannt – für Kundinnen und Kunden teilnehmender Banken ermöglicht.[8] Seit Januar sind alle Zahlungsdienstleister im Euroraum gemäß einer EU-Verordnung verpflichtet, den Empfang und ab Oktober auch den Versand der Echtzeitzahlungen zu ermöglichen. Und dies ohne zusätzliche Entgelte in Rechnung zu stellen.[9]

Auch die European Payment Initiative, kurz EPI, setzt auf Instant Payments. EPI möchte mit ihrer Wallet „Wero“ eine in mehreren europäischen Ländern einsetzbare, digitale Zahlungslösung auf Basis von Instant Payments anbieten.[10] Nach dem erfolgreichen Start mit Zahlungen von Person zu Person im Juli vergangenen Jahres sollen nun weitere Anwendungsfälle wie Zahlungen im Onlinehandel und an der Ladenkasse möglich sowie eine größere geografische Abdeckung erreicht werden. 

Als Bundesbank begrüßen wir den europäischen Ansatz von EPI ausdrücklich. Denn beim mobilen Bezahlen, beim Bezahlen im Internet oder auch beim Bezahlen im Ausland verlassen wir uns gegenwärtig oftmals auf außereuropäische Anbieter, meist aus den USA. Gerade internationale Kartensysteme wickeln in einigen Euro-Ländern einen Großteil digitaler Zahlungen ab. Der Anteil beträgt rund 60 Prozent.

Wir wollen sicherstellen, dass es ausreichend Wettbewerb zwischen den Zahlungsanbietern gibt. Denn eine starke Marktposition einzelner Anbieter ist auch immer mit der Gefahr von höheren Gebühren für Geschäftsbanken und Händler verbunden. Zudem spielen auch die Wallet-Angebote außereuropäischer BigTechs eine immer größere Rolle im europäischen Zahlungsverkehr.

In einer kritischen Infrastruktur wie dem Zahlungsverkehr nicht einseitig vom Ausland abhängig zu sein, ist auch eine Frage der strategischen Autonomie. Das ist einer der Gründe, warum wir als Bundesbank gemeinsam mit den anderen nationalen Zentralbanken des Eurosystems und der Europäischen Zentralbank intensiv an der Einführung von digitalem Zentralbankgeld, oft CBDC (Central Bank Digital Currency) genannt, arbeiten.

Grundlegend lässt sich CBDC in eine Retail- und Wholesale-Variante unterscheiden. Wenn wir von „Retail CBDC“ sprechen, meinen wir als Eurosystem den digitalen Euro, eine digitale Version des Bargeldes. Also digitales Zentralbankgeld für die breite Öffentlichkeit.

Mit dem digitalen Euro möchten wir ein standardisiertes, digitales Zahlungsmittel für 350 Millionen Menschen im Euroraum schaffen, das in allen Euro-Ländern akzeptiert wird. Ob an der Ladenkasse, im Onlinehandel oder unter Freunden – Zahlungen mit dem digitalen Euro sollen einfach, bequem, überall, jederzeit und sogar offline, also auch ohne dauerhafte Internetverbindung, möglich sein – und das bei Wahrung eines hohen Maßes an Privatsphäre.

Damit schaffen wir also in vielerlei Hinsicht einen digitalen Zwilling des Bargeldes. An dieser Stelle ist es mir aber wichtig zu betonen: Der digitale Euro soll nicht im Wettbewerb mit dem Euro-Bargeld stehen oder es gar ersetzen. Er soll lediglich die bestehenden Zahlungsmittel ergänzen, als Plattform für Innovationen dienen und so den digitalen Wandel der europäischen Wirtschaft vorantreiben.

Das führt mich auch zur zweiten Variante von digitalem Zentralbankgeld, dem Wholesale CBDC. Diese zielt auf die Abwicklung von Finanzmarkttransaktionen zwischen Banken in Zentralbankgeld ab. Schließlich hat der Finanzmarkt schon seit geraumer Zeit das Potenzial innovativer Technologien wie Blockchain und Distributed-Ledger-Technologie (DLT) erkannt. 

Um das Potenzial dieser Technologien jedoch vollständig auszuschöpfen, braucht es neue Abwicklungsinstrumente auf der Geldseite. Schließlich sollten sich DLT-Plattformen des Marktes nahtlos mit den traditionellen Zahlungssystemen des Eurosystems verbinden lassen. Dafür hat die Bundesbank die sogenannte „Trigger-Lösung“ entwickelt, die bereits testweise erfolgreich zum Einsatz kam.

Bis digitales Zentralbankgeld aber Wirklichkeit wird, wird es noch einige Zeit dauern. Beim digitalen Euro gehen wir aktuell von einer schrittweisen Einführung ab frühestens 2028 aus. Was wir aber festhalten können, ist: Wir arbeiten aktiv – und sogar weltweit führend – an der Einführung von digitalem Zentralbankgeld und damit an der Gestaltung unserer Zukunft.

4 Schluss

Meine Damen und Herren,

Sie werden gemerkt haben, für mich ist die Weiterentwicklung des europäischen Zahlungsverkehrs ein Herzensthema. Seit vielen Jahren setze ich mich aktiv dafür ein, dass wir im europäischen Zahlungsverkehr noch enger zusammenarbeiten und europäische Lösungen finden. Denn mein Ziel ist es, den europäischen Zahlungsverkehr und Finanzmarkt zukunftsfähig aufzustellen und weltweit als Vorreiter zu positionieren.

Dafür ist neben der Zusammenarbeit auf staatlicher Ebene vor allem auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Geschäftsbanken und Zentralbanken erforderlich. Um es mit den Worten von Bill Belichick zu sagen, der als Trainer der New England Patriots sechsmal den Super Bowl gewann: In einem Football-Team geht es nicht um die Stärke einzelner Spieler, sondern um die Stärke der Gemeinschaft und wie gut sie zusammenarbeitet.[11]

In diesem Sinne freue ich mich jetzt auf den Austausch mit Ihnen und danke für die Aufmerksamkeit!

Fußnoten:

  1. An Estimated 16.1 Million U.S. Employees to Miss Work Super Bowl Monday | UKG
  2. Super Bowl LIX: Spending for the big game | National Retail Federation (NRF)
  3.  Kurzbericht: Konjunkturlage Januar 2025 | Deutsche Bundesbank
  4.  Die Aufgaben der Deutschen Bundesbank | Deutsche Bundesbank
  5.  Zahlungsverhalten in Deutschland 2023 | Deutsche Bundesbank
  6.  Gemessen an der Zahlungsbereitschaft der Befragten, nach einem Einkauf mit Karte alle mit dem Kauf erhobenen Zahlungsdaten sofort löschen lassen zu können sowie dem Nutzen, den die Unternehmen den gewonnenen Daten zumessen, der basierend auf Vergünstigungen durch Bonusprogramme berechnet wurde.
  7.  Bezahlen mit Bargeld und Debitkarte günstiger als mit Kreditkarte | Deutsche Bundesbank
  8.  TIPS: TARGET Instant Payment Settlement | Deutsche Bundesbank
  9.  Rundschreiben Nr. 44/2024 | Deutsche Bundesbank
  10.  Gemeinsam die Zukunft des Zahlungsverkehrs gestalten – das Projekt „Digitaler Euro?“ | Deutsche Bundesbank
  11. Bill Belichick Press Conference | New England Patriots