From Bitcoin to digital central bank money – still a long way to go Keynote bei der OMFIF Roundtable Diskussion
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
es freut mich, heute auf Einladung des Official Monetary and Financial Institutions Forum mit Ihnen sprechen zu können. Das Forum – ein unabhängiger Think Tank for central banking, economic policy and public investment – hat sich einen Namen gemacht. Gerade die Unabhängigkeit, auch die Unabhängigkeit von eigener politischer Verantwortung, ist ein wesentliches Gut.
Ich komme immer gerne nach London London ist ein guter Ort, um über neue virtuelle Währungen zu sprechen. Nicht nur wegen der Bedeutung des Finanzzentrums London, sondern vor allem wegen des hier herrschenden Verständnisses für Märkte und Marktentwicklungen.
Dieses Verständnis schließt die wichtige Rolle von Zentralbanken und Finanzmarktinfrastrukturen ein. Immerhin war es Walter Bagehot, der in seinem Traktat "Lombard Street" im Jahre 1873 die Grundlage des modernen Verständnisses von Zentralbanken legte.
Von Walter Bagehot ist folgende Charakterisierung der Londoner Banker überliefert:
"The name ‘London Banker’ had especially a charmed value. He was supposed to represent, and often did represent, a certain union of pecuniary sagacity and educated refinement which was scarcely to be found in any other part of society."
1 Vertrauen als Basis unseres Geldes
Das Zitat stammt aus seinem Werk "Lombard Street: A Description of the Money Market." Hierin stellt er die Kardinalfrage des Geldwesens:
"Credit means that a certain confidence is given, and a certain trust reposed. Is that trust justified? And is that confidence wise? These are the cardinal questions. To put it more simply, credit is a set of promises to pay; will those promises be kept?"
Damit sind wir schon in medias res. Es geht, meine Damen und Herren, beim Geld um Vertrauen. Der Schlüssel für eine stabile Währung ist das Vertrauen.
Das ursprüngliche Versprechen von Bitcoin war, ein Zahlungssystem zu schaffen, das kein Vertrauen benötigt. Ich zitiere aus dem Papier von Satoshi Nakamoto aus dem Jahr 2008 ("Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System"):
"What is needed is an electronic payment system based on cryptographic proof instead of trust, allowing any two willing parties to transact directly with each other without the need for a trusted third party.”
Aus meiner Sicht wird zu wenig beachtet, dass es Nakamoto in erster Linie um die Schaffung eines neuartigen elektronischen Zahlungssystems ohne Vertrauen ging, das – wie Bargeld – Transaktionen von Person zu Person ermöglichen sollte. Gleichzeitig wollte Nakamoto eine Währung schaffen, die nicht auf Vertrauen basiert. Dieser Punkt ist bei der aktuellen Diskussion in den Vordergrund gerückt: die Schaffung einer neuen Währung ohne Zentralbanken. Ich möchte Ihnen heute darlegen, dass eine Währung ohne Vertrauen nicht möglich ist. Darüber hinaus werde ich dafür werben, dass die Vorteile der Blockchain mit vertrauenswürdigen Institutionen besser realisierbar sind als ohne.
Um Bitcoin zu verstehen, müssen wir uns mit der Natur des Geldes beschäftigen. Es gibt zwei Arten von Geld: Geld als Gut und Geld als Forderung.
Geld kann ein Konsumgut sein, das allgemein verbraucht wird und wenig verderblich ist. Zum Beispiel dienten nach dem Zweiten Weltkrieg Zigaretten als Geldersatz in Deutschland.
Es kann jedoch auch ein Gebrauchsgut sein, das langlebig ist. Gold ist hier das wichtigste Beispiel. Gold hat eine außergewöhnliche Haltbarkeit und einen intrinsischen Wert beispielsweise als geschätztes Industriemetall und als Schmuck. In der Tat galt über Jahrhunderte die Lieferung von Gold als das ultimative Begleichen einer Forderung ("settlement").
Verbrauchs- und Gebrauchsgüter, welche Geldersatz sein können, haben beide einen intrinsischen Wert, einen Verbrauchs- oder einen Gebrauchswert.
Virtuelle Währungen dagegen, die ebenfalls wie ein Gut übertragen werden, sind frei erfunden. Sie haben keinen intrinsischen Wert, sondern lediglich einen Tauschwert. Man kann sie nicht konsumieren oder verwenden, sondern nur tauschen.
Auf der anderen Seite haben wir Geld als Forderung. Der überwiegende Teil unseres Geldes – Zentralbankgeld oder Geschäftsbankengeld – ist eine Forderung: entweder an die Zentralbank oder an eine Geschäftsbank.
Jeder Euro Bargeld und jeder Euro an Guthaben in TARGET2 sind eine Verbindlichkeit für das Eurosystem. Hinter dem Euro steht das Eurosystem mit seinen Zentralbanken, darunter die Bundesbank.
Anders als bei Verbrauchs- oder Gebrauchsgütern hat Zentralbankgeld keinen Verbrauchs- oder Gebrauchswert. Mit der Bonität und Integrität einer emittierenden Zentralbank steigt und fällt auch der Wert ihrer Währung. Der Wert der Währung hängt am Vertrauen in die Zentralbank.
Außerdem nimmt der Emittent, im Falle des Euro das Eurosystem, für die Bereitstellung von Euro Sicherheiten seiner geldpolitischen Geschäftspartner als Pfand. Darin liegt eine mittelbare realwirtschaftliche Verankerung des Euro.
Virtuelle Währungen dagegen haben keinen Emittenten, keine reale Verankerung. Niemand muss sie zurücknehmen. Sie sind frei erfunden und vermehren sich nach einem erfundenen Schema in virtuellen Systemen, die zum Teil nach dem Belieben einer kleinen Gruppe geändert oder neu geschaffen werden können. Zudem unterliegen sie einer intransparenten Governance bis hin zu der Tatsache, dass bis heute unklar ist, wer und wie viele Personen sich hinter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto verbergen.
Virtuelle Währungen werden wie Güter getauscht, haben aber keinen intrinsischen Wert. Darin liegt sicher auch ein Grund für die hohe Volatilität ihres Wertes. Langfristig liegt darin natürlich die Gefahr eines Totalverlustes. Bitcoin ist für die Deutsche Bundesbank kein Geld, sondern ein Spekulationsobjekt. Gerade die zahlreichen, mitunter dubios gestalteten Initial Coin Offerings zeigen, dass es sich eher um ein Finanzierungsinstrument handelt.
Es handelt sich mehr um ein Spekulationsobjekt als um ein Zahlungsmittel. Deshalb habe ich wiederholt vor der Investition in virtuelle Währungen gewarnt. Wir registrieren einen erstaunlichen Anstieg im Wert einzelner virtueller Währungen. Das ändert allerdings nichts an der Gefahr eines Totalverlustes.
2 Blockchain / DLT im Zahlungsverkehr
Die Bundesbank hat sich mit der Technik und der Anwendung der Blockchain beschäftigt. Wir sehen den größten Beitrag von Bitcoin in der Blockchain-Technologie oder allgemeiner: der Distributed Ledger Technologie (DLT). Diese Technologie könnte dazu beitragen, Zahlungs- und Abwicklungsprozesse effizienter zu gestalten.
Wir beschäftigen uns deshalb in drei Rollen mit dieser Technik. Erstens entwickelt und betreibt die Bundesbank, oft gemeinsam mit anderen Zentralbanken, wichtige Zahlungs- und Abwicklungssysteme. Dazu prüfen wir innovative technische Möglichkeiten, die zu deren Stabilität und Effizienz beitragen.
Zweitens nimmt die Bundesbank eine Katalysatorrolle für die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs und der Abwicklungsstrukturen ein. Je besser die Bundesbank praktische Implikationen von Techniken oder Verfahren versteht, desto mehr Gewicht haben ihre Argumente, die im Kern immer auf die Stabilität und Effizienz der Zahlungs- und Abwicklungssysteme zielen.
Und drittens überwacht die Bundesbank die Stabilität von Systemen und Instrumenten im Zahlungsverkehr und in den Abwicklungssystemen. Hier ist die Fähigkeit, moderne Technik einzuschätzen, eine wichtige Schlüsselqualifikation. Daher beschäftigt sich die Bundesbank – ähnlich wie andere Zentralbanken weltweit – intensiv mit der DLT, obwohl sich die Technik noch in einem frühen Stadium ihrer Entwicklungsreife befindet.
Potenziell bietet die DLT einige Vorteile durch die gemeinsame Datenhaltung, welche Abstimmungsprozesse bei komplexen arbeitsteiligen Wertschöpfungsketten erleichtern kann. Da die DLT grundsätzlich direkte Transaktionen ohne Intermediäre ermöglicht, wird ihr disruptives Potenzial beigemessen.
Die ursprünglich für die "virtuelle Währung" Bitcoin entwickelte DLT muss jedoch erheblich modifiziert werden, um sie an die Bedürfnisse des Finanzsektors anzupassen. So sind im bestehenden Rechtsrahmen zum Beispiel Identifizierbarkeit der Teilnehmer, Vertraulichkeit der Transaktionen gegenüber Dritten und absolute Finalität der Transaktionen unabdingbar.
Darüber hinaus ist ein hoher Transaktionsdurchsatz notwendig. Einige der sogenannten Konsensverfahren kosten allerdings so viel Zeit und Energie, dass eine effiziente Abwicklung kaum möglich scheint. Zudem verursachen sie einen erheblichen zusätzlichen Datentransfer und damit Kosten.
Zum Vergleich: Das Bitcoin-Netzwerk wickelt in der Spitze weltweit rund 350.000 Transaktionen ab und gilt vor dem Hintergrund der derzeitigen Spezifikationen als weitgehend ausgelastet. Allein im deutschen Zahlungsverkehr werden dagegen im Durchschnitt arbeitstäglich (Angaben für 2016) mehr als 75 Millionen Transaktionen abgewickelt.
Die klassische Lösung für eine zunehmende Komplexität im Austausch zwischen vielen unabhängigen Teilnehmern ist die Zentralbank. Wir schaffen ein Institut, über das der Zahlungsverkehr zentralisiert abgewickelt wird. Daher auch der Name "Zentralbank". Aus vielen bilateralen Zahlungsströmen und Skontren werden Ströme über die beziehungsweise von der Zentralbank mit Verbuchung auf einem Zentralbankkonto. Das hat ganz erheblich zur Stabilisierung und Effizienz des Zahlungsverkehrs beigetragen.
In der Tat sehen wir deshalb auch bei der Entwicklung von Basis-Blockchains eine Tendenz zur Zentralisierung und Hierarchisierung. Eine reine P2P-Abwicklung erscheint aus vielerlei Gründen nicht durchführbar.
Die reine P2P-Welt erscheint ohne vertrauenswürdige Institutionen nicht realisierbar. Ich nenne diesen Aspekt den fehlenden realen Referenzrahmen. Bitcoins sind nur virtuell und werden zwischen virtuellen Teilnehmern ausgetauscht. Sie verlassen nie die Bitcoin-Blockchain und haben keinen realen Bezug, solange sie nicht in eine reale Währung getauscht werden, was außerhalb der Blockchain erfolgt.
Sobald reale Transaktionen erfolgen sollen, ist ein realer Bezugspunkt notwendig. Man kann ein Haus in Form eines virtuellen Tokens auf der Blockchain handeln. Aber damit ist auf der Blockchain noch nichts darüber ausgesagt, ob das Haus überhaupt existiert, ob es über die beschriebenen Eigenschaften hat verfügt und ob es überhaupt dem Verkäufer gehört. Um das zu bestätigen, bedarf es eines externen vertrauenswürdigen Dritten.
Allein schon die persönliche Identität eines Teilnehmers muss außerhalb der Blockchain verifizierbar sein. Erst dann können wir mit diesem Teilnehmer echte Transaktionen durchführen.
Insgesamt sehen wir die Anwendbarkeit der DLT im Finanzsektor sehr skeptisch. Eine breite Anwendung der DLT im Individual- oder Massenzahlungsverkehr erscheint beim gegenwärtigen Stand der Technik eher unwahrscheinlich.
In der Wertpapierabwicklung könnten gleichwohl die sinkenden Prozesszeiten und Abstimmungskosten von größerer Bedeutung sein und für Anwendungen sprechen.
Die Bundesbank analysiert die Vor- und Nachteile der DLT in einem Projekt zusammen mit der Deutschen Börse. Funktional erscheint die DLT danach durchaus geeignet, es ist jedoch derzeit unklar, inwieweit die DLT auch im Hinblick auf Sicherheit, Effizienz, Kosten, Geschwindigkeit Vorteile gegenüber der heutigen Technik bietet.
3 Digitales Zentralbankgeld
Zukünftig könnte sich die Frage bei der Nutzung von DLT stellen, ob zur sicheren Abwicklung entsprechend größerer Transaktionen digitales Zentralbankgeld bereitgestellt werden könnte.
Digitales Zentralbankgeld träte als weitere Ausprägung des Zentralbankgelds neben Bargeld und Guthaben bei der Zentralbank und wäre ebenso in der Bilanz als Verbindlichkeit der Zentralbank zu verbuchen.
Es bestehen mehrere technische Optionen in seiner Ausgestaltung. So könnte es wertbasiert (wie Bargeld) oder kontenbasiert (wie Einlagen) sowie anonym oder mit Registerführung übertragen werden, die Nutzung könnte beschränkt werden, beispielsweise im Betrag oder im Verwendungszweck und es könnte verzinst oder aber wie Bargeld unverzinst sein.
Die konkrete Ausgestaltung bestimmt nicht nur, inwieweit die mutmaßlichen Vorteile DLT-basierten digitalen Zentralbankgeldes zum Tragen kommen, sondern auch die für eine umfassende Würdigung ebenfalls zu berücksichtigenden gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen.
Die dabei wohl wichtigste Frage ist die des zugelassenen Nutzerkreises, genauer, ob digitales Zentralbankgeld auch für Nichtbanken ausgegeben werden sollte. Denn in diesem Fall müsste mit Substitutionseffekten der verschiedenen Geldformen gerechnet werden. Bei einer auf die Abwicklung von Transaktionen unter Banken beschränkten Nutzung würde sich dagegen wenig substanziell verändern gegenüber heute.
Insbesondere könnten Nichtbanken ihre Sichtguthaben bei Banken in digitales Zentralbankgeld umwandeln, sofern die Verwahrung als Eintrag auf dem Distributed Ledger sicherer und bequemer als die bare Hortung erscheint.
Wenn aber signifikante Teile der Sichtguthaben der Nichtbanken in eine Blockchain verlagert würden und nicht mehr als praktisch unverzinsliche Refinanzierung den Kreditinstituten zur Verfügung stünden, dann könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Zinsmarge, das Ausmaß der Kreditgewährung, sowie die Geschäftsmodelle im Bankensystem und dessen Struktur haben.
Zudem erforderte die einfache Ausweitung der Geldbasis, die mit einer Umschichtung von Sichteinlagen in digitales Zentralbankgeld einherginge, eine größere Menge an Sicherheiten und hätte damit erhebliche Auswirkungen auf Struktur und Risikoprofil der Notenbankbilanzen. Das gilt unabhängig davon, ob auch Nichtbanken oder nur Banken Zugriff auf digitales Zentralbankgeld erhalten.
Die möglichen geld- und stabilitätspolitischen Implikationen sind sehr vielfältig. Dies wird derzeit von einigen Zentralbanken erforscht. Noch sind die zu erwartenden Folgen nicht absehbar.
Kurzum, der Titel, zu dem ich spreche: "From BitCoin to digital central bank money – still a long way to go" zeigt den Status quo unserer Überlegungen.
Der Weg zu digitalem Zentralbankgeld, wenn es denn überhaupt Vorteile verspricht, wäre ein sehr langer. Derzeit existiert noch nicht einmal eine anerkannte Basis-Blockchain. Große Konsortien entwickeln verschiedene Formen von Basis-Blockchains mit unterschiedlichen Eigenschaften. Nicht alle davon sind im Finanzsektor anwendbar.
Gleichzeitig werden auf dieser sich ändernden Basis Anwendungen für Zahlungs- und Abwicklungssysteme entwickelt. Es ist viel in Bewegung. Technische Entwicklungen gehen in einem Tempo voran, wie wir es in den letzten Jahrzehnten noch nicht erlebt haben.
4 Schluss
Meine Damen und Herren,
für uns als Zentralbank ist Vertrauen das höchste Gut. Wenn es um essenzielle Fragen der Geldordnung oder der Abwicklung von Zahlungen oder Wertpapieren geht, können wir nicht abseits stehen.
Die Bundesbank analysiert als Betreiber, Überwacher und in ihrer Katalysatorrolle alle wichtigen technischen Fragen, um am laufenden Diskurs mit eigenen Erkenntnissen aktiv teilnehmen zu können.
Wir bemühen uns um Sachlichkeit und Transparenz im Vorgehen. Wir möchten weder einen Hype beflügeln, noch vielversprechende Neuerungen in ihrer Entwicklung hemmen. Für uns im Zahlungsverkehr und in der Abwicklung, für die ich in der Bundesbank verantwortlich zeichne, ist allein die Stabilität und Effizienz der Systeme oberstes Ziel.
Mit Blick darauf ist für die DLT wie für digitales Zentralbankgeld eine gesunde Skepsis angebracht, gepaart mit Neugier und kritischer Analyse. Digitales Zentralbankgeld halte ich derzeit für unrealistisch.
Herzlichen Dank.