Finanzsystemstabilität in der Währungsunion Rede beim Verbandstag des Genossenschaftsverbands Bayern in München am 11. Juli 2013

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bedanke mich für die Einladung zu Ihrem Verbandstag und freue mich, heute hier zu sprechen.

Zunächst möchte ich natürlich zum 120-jährigen Jubiläum des Bayerischen Genossenschaftsverbands gratulieren. Und der Genossenschaftsverband umfasst selbstverständlich weit mehr wirtschaftliche Aktivitäten als diejenigen der Finanzinstitute, die ich als Notenbanker und Bankaufseher im Blick habe.

Aber: Ein breit angelegter Vortrag zum Genossenschaftswesen an sich würde mich schlicht überfordern. Und es ist schließlich nicht zuletzt die Bundesbank, die regelmäßig davor warnt, die Notenbanken zu überfordern. Daher werde ich heute über Banken sprechen, über die Krise und über die Rolle der Geldpolitik.

Beginnen möchte ich mit dem österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter. Joseph Schumpeter hatte drei Ziele im Leben: Er wollte der bekannteste Ökonom der Welt werden, der beste Reiter Österreichs und der größte Liebhaber Wiens. Zwei dieser Ziele hat er nach eigenen Angaben erreicht; welche das waren, hat er allerdings verschwiegen.

Ich möchte hier nicht mutmaßen über Joseph Schumpeters Qualitäten als Reiter oder als Liebhaber. Ohne Frage war er aber ein ausgezeichneter Ökonom.

2 Banken, Realwirtschaft und Haftungsprinzip

Und als Ökonom hatte Joseph Schumpeter klare Vorstellungen über die Rolle von Banken. Er sah Banken vor allem als Partner und als Unterstützer von Unternehmen der Realwirtschaft.

Ich denke, das ist eine Rolle, in der sich auch die Genossenschaftsbanken sehen. Das und die regionale Verankerung der Genossenschaftsbanken haben in der Krise stabilisierend gewirkt – obwohl auch der Genossenschaftssektor sich nicht vollständig von den Auswirkungen der Finanzkrise abschirmen konnte.

In Bezug auf manch andere Banken hat das öffentliche Bild aber erheblich gelitten. Viele Bürger zweifeln, ob die Banken sich wirklich als Partner und Unterstützer der Unternehmen sehen.

Der Eindruck in der Öffentlichkeit ist vielmehr, dass skrupellose Banker und außer Kontrolle geratene Finanzmärkte die Krise verursacht hätten. Eine Krise, die dann auf Kosten der Realwirtschaft und der Steuerzahler bekämpft werden musste. Dieser Eindruck wurde noch verstärkt durch kürzlich bekannt gewordene, schwer erträgliche Äußerungen einiger irischer Banker.

Dieser Eindruck ist nicht ganz falsch, ganz richtig ist er aber auch nicht. Richtig ist, dass die Finanzmärkte zu Übertreibungen neigen. Richtig ist auch, dass allzu viele Akteure an Finanzmärkten das Risikomanagement vernachlässigt haben. Und richtig ist schließlich, dass die Finanzmärkte sich entfernt hatten von ihrer Rolle als Dienstleister für die Realwirtschaft.

Doch die Krise nur mit skrupellosen Bankern und außer Kontrolle geratenen Finanzmärkten erklären zu wollen, greift zu kurz. Bankbilanzen sind immer auch ein Spiegelbild der Realwirtschaft. Und sie sind ein Spiegelbild der Staatshaushalte.

Damit will ich Exzesse auf den Finanzmärkten nicht kleinreden. Die Ursachen der Krise müssen wir aber auch in der Realwirtschaft und in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik suchen.

Das macht es natürlich nicht einfacher, die Krise zu lösen. Im Gegenteil: Das Dickicht der Ursachen wird nur noch dichter und es wird noch leichter, sich darin zu verirren.

Da hilft es, ein einfaches Prinzip zu Grunde zu legen, an dem man sich orientieren kann. Genau das möchte ich im Folgenden tun.

Das Prinzip von dem ich spreche, ist das Haftungsprinzip. Grundsätzlich sollte jeder für seine Entscheidungen selbst haften. Oder von der anderen Seite betrachtet: Wer am Ende haftet, muss auch entscheiden können.

Dieses Prinzip ist Ihnen sicher nicht fremd: Viele Unternehmer haften mit ihrem Vermögen für die geschäftlich getroffenen Entscheidungen. Und durch die Institutssicherung befinden sich die Genossenschaftsbanken zwar in einer Art Haftungsunion. Diese Haftung Aller für Einzelne wird aber ausbalanciert durch eine strikte Kontrolle.

3 Haftungsprinzip, Banken und Staatshaushalte

Im Euro-Raum war diese Balance von Haftung und Kontrolle nicht immer gegeben. Bei zwei großen Gruppen von Akteuren war das Haftungsprinzip gefährlich ausgehöhlt: bei Staaten und bei Banken.

Die Verluste vieler Banken wurden am Ende von den Steuerzahlern der jeweiligen Länder getragen. Und die Finanzierung der Haushalte einzelner Euro-Länder wurde von den Steuerzahlern anderer Euro-Länder geschultert.

Der Grund dafür war, dass sowohl die Banken als auch die Staaten als systemrelevant galten – es wurde befürchtet, dass ihre Schieflage die Stabilität des Finanzsystems gefährden könnte. Und so haben am Ende nicht diejenigen gehaftet, die entschieden haben und damit die Kontrolle hatten. Das aber untergräbt verantwortungsvolles Verhalten.

Deshalb gründete der Maastricht-Rahmen, also das Regelbuch der Währungsunion, auf dem No-Bail-Out Prinzip. Kein Euro-Land sollte für die Schulden eines anderen Euro-Landes haften. Spätestens mit der Krise hat dieses Prinzip aber an Bindungskraft verloren.

Um das Fundament der Währungsunion zu härten, müssen wir das Haftungsprinzip wieder stärken – nicht nur für Staaten, sondern auch für Banken.
Auf dieser Grundlage möchte ich im Folgenden einige konkrete Reformen diskutieren. Dabei ist es wichtig, Banken und Staaten gemeinsam im Blick zu haben, denn sie sind eng miteinander verflochten.

Und genau diese Verflechtung von Banken und Staaten war in der Krise ein großes Problem. Lassen Sie uns einen Schritt zurücktreten und darüber nachdenken, worin genau dieses Problem besteht.

Wenn viele Banken gleichzeitig in Schwierigkeiten geraten, kann das die Stabilität des gesamten Finanzsystems bedrohen. Die Regierungen haben dann oft keine andere Wahl als die Banken zu stützen, um einen Systemkollaps zu verhindern.

Das verursacht nicht nur die bereits diskutierten Anreizprobleme, sondern ist vor allem eines: Es ist teuer. Nehmen Sie das Beispiel Irland: Dort hat die Bankenrettung das Haushaltsdefizit im Jahr 2010 auf über 30 % der Wirtschaftsleistung ansteigen lassen.

Umgekehrt gilt: Wenn die Staatshaushalte in Schieflage geraten, belastet das die Banken. Zum einen, weil viele Banken große Mengen Staatsanleihen in ihren Büchern halten. Zum anderen, weil sich die allgemeine Wirtschaftslage zunächst verschlechtert, wenn der Staat sparen muss.

Meine Damen und Herren, um Finanzstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten und Krisen in Zukunft zu verhindern, müssen wir die Verflechtung von Staaten und Banken so weit möglich lockern – und zwar so, dass gleichzeitig das Haftungsprinzip wieder umfassend gilt.

Um das zu erreichen, können wir an mehreren Punkten ansetzen: Wir können dafür sorgen, dass Banken widerstandsfähiger werden, wir können dafür sorgen, dass die Staatsfinanzen nachhaltiger werden, und wir können dafür sorgen, dass die Probleme des einen möglichst nicht den anderen belasten. Einige der aktuellen Reformen des institutionellen Rahmens setzen an diesen drei Punkten an.

Basel III mit den neuen Eigenkapital- und Liquiditätsregeln sorgt dafür, dass Banken Verluste besser tragen können und die Eigentümer der Banken stärker in die Haftung genommen werden. Damit wird es unwahrscheinlicher, dass Banken in eine Schieflage geraten und vom Staat gerettet werden müssen.

In die gleiche Richtung geht auch das, was im Rahmen der europäischen Bankenunion geplant ist. Dazu gehört zunächst die europäische Bankenaufsicht, der Single Supervisory Mechanism. Auch er soll dafür sorgen, dass Schieflagen von Banken rechtzeitig verhindert werden können.

Doch weder mit Basel III noch mit der gemeinsamen Aufsicht können wir Schieflagen von Banken gänzlich ausschließen. Das wäre aber auch nicht wünschenswert. Die Möglichkeit des Scheiterns ist nämlich entscheidend für eine funktionierende Marktwirtschaft. Joseph Schumpeter hat das mit dem Begriff der schöpferischen Zerstörung umschrieben.

Es ist also wichtig, dafür zu sorgen, dass Banken scheitern können, ohne den Staat und damit den Steuerzahler zu belasten.

Deshalb soll im Rahmen eines europäischen Restrukturierungs- und Abwicklungsmechanismus – der einen zweiten Baustein der Bankenunion darstellt – gewährleistet werden, dass im Restrukturierungs- und Abwicklungsfall die Eigentümer und Gläubiger der Banken hinreichend an den Verlusten beteiligt werden.

Dabei muss es eine klare Haftungsreihenfolge geben: Zuerst haften die Eigentümer, dann die nachrangigen Gläubiger, und anschließend die Einleger, deren Einlagen die Obergrenze der Einlagensicherung übersteigen. Wenn das nicht reicht, dann muss ein von den Banken gespeister Abwicklungsfonds einspringen.

Der Steuerzahler darf nicht mehr die erste, sondern muss die letzte Instanz in dieser Kaskade sein. Eine solche Haftungsreihenfolge ist mit dem Haftungsprinzip vereinbar und stärkt für Banken die Marktdisziplin.

Vor zwei Wochen haben die europäischen Finanzminister ein entsprechendes Haftungskonzept beschlossen. Richtigerweise ist nun vorgesehen, auf einer rechtlich gesicherten Basis primär die Anteilseigner und Gläubiger eines Instituts heranzuziehen, um Verluste zu tragen.

Allerdings hat das Konzept in meinen Augen noch einige Schwachstellen. So sieht es weitreichende Möglichkeiten zu diskretionären Ausnahmen vom Anwendungsbereich des Bail-In vor.

Die anstehenden Verhandlungen zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament bieten die Möglichkeit, solche Schwachstellen zu korrigieren. Dabei wäre es aus meiner Sicht wichtig, auch die Regelungen zum Bail-In früher als bislang vorgesehen umzusetzen, nämlich schon bis zum Jahr 2015.

Auf der Seite der Banken gibt es also zwei konkrete Ansätze: Basel III und die gemeinsame europäische Aufsicht verringern die Wahrscheinlichkeit, dass Banken in eine bedrohliche Schieflage geraten. Gerät dennoch eine Bank in Schieflage, dann wirkt der Abwicklungsmechanismus mit klar geregelter Haftungsreihenfolge darauf hin, dass nicht wieder die Steuerzahler die Kosten tragen müssen.

Wenn wir jetzt auf die Seite der Staatshaushalte blicken, können wir die gleiche Systematik anwenden. Auch hier gilt es, zunächst dafür zu sorgen, dass die Staatshaushalte nicht mehr so leicht in Schieflage geraten. Dazu tragen zum Beispiel die neuen Fiskalregeln bei – sofern sie auch tatsächlich strikt angewandt werden.

Und auch für Staatsfinanzen muss das Haftungsprinzip wieder gestärkt werden. Allerdings sind im Vorfeld der Währungsunion die Ansteckungseffekte zwischen den Ländern im Euro-Raum unterschätzt worden. Wenn aber die Schwierigkeiten eines Landes die Finanzstabilität im gesamten Währungsgebiet bedrohen, dann sind begrenzte Hilfen vertretbar – unter strengen Auflagen und zu bestimmten Konditionen. Dafür haben wir den ESM geschaffen.

Es muss aber unser Ziel sein, dass jedes Land seinen öffentlichen Haushalt rasch wieder in die eigene Verantwortung überführt. Die Regierungen, die Parlamente aber auch die Wähler jedes Mitgliedslandes der Währungsunion müssen eigenverantwortlich dafür Sorge tragen, dass ihre Wirtschaft wettbewerbsfähig und leistungsstark ist, und aus eigener Kraft Wachstum und Beschäftigung generiert wird, dass die Staatsfinanzen dauerhaft tragfähig sind, und dass übermäßige öffentliche Defizite und Verschuldung abgebaut werden, damit ein Land auch konjunkturelle Schocks aus eigener Kraft abfedern kann.

Um diese Stabilität zu erreichen, sind tiefgreifende Reformen erforderlich. All das ist anspruchsvoll, aber sollte es nicht selbstverständlich sein? Denn dies sind Voraussetzungen dafür, dass die Währungsunion als Stabilitätsunion funktionieren kann.

Damit wir dorthin gelangen, damit die Anreize für gute Politik richtig gesetzt sind, müssen wir auch dem Haftungsprinzip wieder mehr Geltung verschaffen.

Die neuerdings für Staatsanleihen geltenden Umschuldungsklauseln sind ein Schritt in die richtige Richtung, um bei ernsten Zahlungsschwierigkeiten die Anleihegläubiger in die Haftung einzubeziehen. Denn nur dann wird der Markt eine disziplinierende Wirkung auf die Staatshaushalte ausüben.

Aber wie die Krise gezeigt hat, kann dieser Ansatz der nationalen Verantwortung nur unter einer Bedingung wirklich funktionieren. Es muss sichergestellt sein, dass Probleme der Staatsfinanzen nicht das ganze Finanzsystem aus den Angeln heben.

Zwei Dinge können zumindest dazu beitragen, dass diese Bedingung erfüllt ist: Banken sollten mittelfristig Staatsanleihen mit ausreichend Eigenkapital unterlegen müssen, und sie sollten bei staatlichen Schuldnern Großkreditgrenzen einhalten müssen. Bei Unternehmenskrediten ist das schon lange üblich.

Das würde die Widerstandsfähigkeit der Banken gegenüber Schieflagen bei den Staatsfinanzen stärken. Mit einer solchen Regulierung würden die Banken ihre Nachfrage nach Staatsanleihen auch stärker an deren Risiko ausrichten.

Im Falle einer unsoliden Haushaltspolitik würde der Zins für solche Anleihen dann steigen. Kenneth Rogoff, der ehemalige Chefökonom des IWF, sieht in einer angemessenen Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen sogar eine weit effektivere Schuldenbremse als in den Regeln des Fiskalpakts.

Staatsschulden nicht länger gegenüber Unternehmenskrediten zu bevorzugen, würde übrigens auch Kredite an Unternehmen wieder attraktiver machen. Und davon können Sie alle profitieren, auch wenn wir in Deutschland derzeit keine Hinweise darauf sehen, dass die Kreditvergabe an Unternehmen eingeschränkt wird. Im Gegenteil, die Kreditstandards für Unternehmenskredite wurden im ersten Vierteljahr 2013 sogar leicht gelockert.

Bankbilanzen sind aber nicht nur ein Spiegel der Staatsfinanzen. Sie sind ebenso ein Spiegel der Realwirtschaft. Insofern stärkt der von mir beschriebene Reformkurs auch die Stabilität des Bankensystems. Die Herausforderungen sind anspruchsvoll, sie politisch umzusetzen erfordert auch die Entschlossenheit, Widerstände zu überwinden.

4 Was kann die Geldpolitik tun?

Genau das aber darf die Politik nicht dazu verleiten, eine vermeintlich bequeme Abkürzung zu suchen. Sie ahnen wahrscheinlich schon, worauf ich hinaus will: auf die Rolle der Geldpolitik.

Und hier besteht Einigkeit im EZB-Rat, dass die Geldpolitik die Krise nicht lösen kann. Bestenfalls kann sie Zeit verschaffen – nur ist das nicht ihre Aufgabe.

Die Geldpolitik hat bereits einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, eine Eskalation der Krise zu verhindern. Allerdings ist sie dabei weit in unbekanntes und auch gefährliches Gelände vorgestoßen.

Es ist kein Geheimnis, dass ich vor allem die Ankaufprogramme für Staatsanleihen kritisch sehe. Kaufen die Notenbanken des Eurosystems Staatsanleihen einzelner Länder schlechter Bonität, verteilen sie die Risiken unsolider Haushaltspolitik auf alle Euro-Länder um. Damit schwächt die Geldpolitik das Haftungsprinzip und betreibt eine Umverteilung, über die eigentlich nur die Finanzpolitik entscheiden darf.

Neben den Ankaufprogrammen für Staatsanleihen, werden aber auch die anhaltend niedrigen Zinsen heftig debattiert. Das betrifft übrigens nicht nur den Euro-Raum, sondern auch viele andere Länder.

Viele Sparer empfinden das niedrige Zinsniveau und die negativen Realzinsen als Zumutung. Manche Unternehmen, Bauherren und Staaten dagegen mögen die niedrigen Zinsen als Segen empfinden. Sie erleichtern den Schuldendienst und erlauben es, Investitionen günstig zu finanzieren. Insofern stützen sie die Konjunktur.

Vor dem Hintergrund mittelfristig gedämpfter Inflationsaussichten aufgrund schwacher gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und verhaltener Kreditentwicklung ist das niedrige Zinsniveau geldpolitisch gerechtfertigt.

Aber Niedrigzinsen sind nicht ohne Nebenwirkungen. Auch wenn sie derzeit geldpolitisch begründet sind, dürfen wir davor nicht die Augen verschließen: Sie verführen zum Beispiel dazu, Reformen und den notwendigen Strukturwandel, aufzuschieben. Finanzstabilitätsrisiken können sich aufbauen. Diese Nebenwirkungen nehmen mit der Dauer der Niedrigzinsphase zu.

Für die Genossenschaftsbanken stellt das Zinsumfeld daher auch eine Herausforderung dar: Anhaltend niedrige Zinsen belasten die Gewinnmargen und erfordern eine Anpassung der Kostenstrukturen.

Angesichts der mittelfristig gedämpften Inflationsaussichten hat der EZB-Rat vergangene Woche die Erwartung geäußert, dass die Notenbankzinsen im Euro-Raum für eine längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau bleiben werden.

Diese Einschätzung ist kein Strategiewechsel, sie ist der Versuch, unsere geldpolitische Ausrichtung noch einfacher, noch verständlicher zu erklären – so dass sie möglichst von allen Marktteilnehmern verstanden wird. Wir beschreiben damit unsere voraussichtliche geldpolitische Reaktion vor dem Hintergrund der derzeitigen Datenlage und auf Basis der bekannten Zwei-Säulen-Strategie des Eurosystems.

Das ist also keine historische Wende in der geldpolitischen Kommunikation. Es ist das Bestreben, in Zeiten höherer Unsicherheit mehr geldpolitische Orientierung zu geben.

Es gilt dabei aber zu beachten, dass diese Orientierung konditioniert ist auf die wirtschaftliche Entwicklung. Es ist keine unbedingte Vorabfestlegung des Zinspfades. Der EZB-Rat hat sich also nicht wie seinerzeit Odysseus einfach an den Mast gebunden.

Diese in die Zukunft gerichtete Aussage sollte daher auch nicht ausschließen, dass die Leitzinsen rechtzeitig angehoben werden, wenn sich in der Zukunft zunehmender Preisdruck abzeichnet.

5 Schluss

Meine Damen und Herren, neben den akuten Krisenmaßnahmen muss es darum gehen, eine stabilere Währungsunion zu schaffen. Dieses Ziel zu erreichen ist nicht leicht.

Die aktuelle Krise hat viele Ursachen und ihre kurzfristige Bekämpfung hat den Ordnungsrahmen der Währungsunion arg strapaziert. Die Krise dauerhaft zu lösen erfordert daher viele verschiedene Therapieansätze.

Einige habe ich in meiner Rede ausführlicher diskutiert, andere habe ich nur am Rande erwähnt. Was aber viele dieser Therapien gemeinsam haben sollten, ist die Stärkung des Haftungsprinzips.

Das betrifft die Regulierung von Banken und Finanzmärkten; es betrifft die Schaffung einer europäischen Bankenunion; und es betrifft den Umgang mit Staatsverschuldung in einer Währungsunion.

Es sind keine einfachen Aufgaben und manchmal ist es eine Gratwanderung – auch für mich persönlich. Aber ich verspreche Ihnen, dass ich mich mit Nachdruck und auch mit Ausdauer dafür einsetze, dass ein gegebenes Versprechen eingehalten wird: Das Versprechen, unsere Währung, den Euro, als stabile Währung zu erhalten.

Vielen Dank.