Joachim Nagel ©Nils Thies

Europäische Bankenunion: Ein neues Kapitel der Bankenaufsicht Rede bei der Stiftung Kreditwirtschaft der Universität Hohenheim

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrter Herr Prof. Burghof,

Sehr geehrter Herr Sturz, Lieber Herr Sibold, Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, heute hier in Hohenheim bei der Vortragsreihe der Stiftung Kreditwirtschaft zu Ihnen sprechen zu können. Wie Sie alle wissen, sollte heute Frau Lautenschläger, die für Bankenaufsicht zuständige Vize-Präsidentin der Bundesbank, zu Ihnen sprechen. Durch ihre anstehende Berufung in das EZB-Direktorium, war es ihr nun leider nicht möglich heute nach Hohenheim zu kommen. Als ihr Vertreter für Fragen der Bankenaufsicht im Vorstand der Deutschen Bundesbank, darf ich Ihnen daher heute einen Überblick zum aktuellen Stand der Europäischen Bankenunion geben.

Sie sehen, von uns allen wird Flexibilität verlangt. Und "Flexibilität" ist auch das richtige Stichwort für die Europäische Bankenunion. Es geht um eine Veränderung, der wir uns stellen müssen und die natürlich für alle auch eine große Herausforderung darstellt. Die Bankenunion ist vor ca. eineinhalb Jahren von den EU-Staats- und Regierungschefs beschlossen worden. Zu ihren zwei zentralen Säulen möchte ich Sie heute Abend hier in Hohenheim auf den aktuellsten Stand bringen: Einerseits die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelte europäische Bankenaufsicht und andererseits den europäischen Abwicklungsmechanismus.

2 Einheitlicher Bankenaufsichtsmechanismus

Vor zwei Monaten, am 3. November vergangenen Jahres, trat die EU-Verordnung in Kraft, die die erste Säule der Bankenunion errichtet, den einheitlichen Aufsichtsmechanismus in Europa. Der so genannte Single Supervisory Mechanism oder kurz SSM. Damit ist der 4. November 2014 der früheste Termin, an dem die EZB die Verantwortung für die Bankenaufsicht übernehmen kann.

Und diese Verantwortung hat es in sich. Die EZB wird die 128 größten Banken des Euroraums direkt beaufsichtigen; das entspricht 85% der über alle Banken aggregierten Bilanzsumme. Und sie wird für die restlichen gut 4000 Banken die aufsichtlichen Rahmenbedingungen festlegen, also beispielsweise Leitlinien erlassen und auf eine Harmonisierung der Aufsichtspraxis drängen.

Die Arbeiten an dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus treten nun in die heiße Phase; heiß, weil der SSM jetzt nach außen sichtbar werden wird. Die neue Aufsicht nimmt für die Öffentlichkeit nach und nach Gestalt an, sowohl inhaltlich als auch personell.

Am 2. Januar hat Daniele Nouy, die Vorsitzende des Supervisory Board, ihre Arbeit aufgenommen. Das Supervisory Board wird alle wichtigen bankaufsichtlichen Fragestellungen behandeln. Am 30. Januar wird die erste "offizielle" Sitzung des Supervisory Board stattfinden.

Das Board wird an die bereits geleistete Arbeit anknüpfen – und die Ergebnisse der Vorarbeiten des Jahres 2013 können sich sehen lassen. Denn die Arbeiten an der ersten Säule der Bankenunion laufen schon eine ganze Weile auf Hochtouren. Das informelle Vorläufergremium des "Supervisory Boards" trifft sich seit Monaten regelmäßig alle zwei bis drei Wochen, um einen möglichst reibungslosen Start des einheitlichen Aufsichtsmechanismus vorzubereiten.

Und man ist gut vorangekommen. Nach intensiver Diskussion einigte man sich auf einen Vorschlag, der die Grundlagen der neuen europäischen Aufsicht darstellen könnte. Nun müssen zunächst der Supervisory Board und danach der EZB-Rat diesen grundsätzlichen Überlegungen über Aufgabenteilung und Aufsichtsansatz zustimmen; und dann beginnt die öffentliche Konsultation.

Bevor ich aber auf diese beiden wichtigen Punkte, Aufgabenteilung und Aufsichtsansatz, eingehe, lassen Sie mich kurz noch einige andere Themen auflisten, die das Vorgängergremium beschäftigten. So kann ich Ihnen einen kleinen Eindruck davon vermitteln, was alles zu einer europäischen Aufsicht gehört.   

Um auswählen zu können, welche Kreditinstitute des Euroraumes unter die Aufsicht des SSM fallen, verschaffte sich das Vorläufergremium im vergangenen Jahr unter anderem einen Überblick über die wesentlichen Bilanzkennziffern und gesellschaftsrechtlichen Strukturen dieser Banken. Das hört sich trivial an. Es war aber tatsächlich keine einfache Aufgabe, denn es ging darum, die Banken des Euroraums nach einheitlichen Kriterien zu beurteilen; und es zeigten sich deutlich die Unterschiede in den nationalen Bilanzierungs- und Konsolidierungsregimen der 18 Mitgliedsländer. Das war das erste, und bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir mit diesen Unterschieden in den nationalen Rechtsgrundlagen, die weiterhin einen großen Einfluss auf die Banken haben werden, zu kämpfen hatten.

Im letzten Jahr wurde schon erfasst, wie die 18 Mitgliedstaaten nationale Wahlrechte in den aufsichtlichen Rechtsgrundlagen nutzen. Zwangsläufig wird sich der SSM die Frage stellen müssen, ob diese immer im Einklang mit der Idee des gemeinsamen Binnenmarktes stehen.

Ebenso wichtig ist die künftige Zusammenarbeit mit den Aufsichtsbehörden von Drittländern; auch hierzu gibt es bereits ein erstes Konzept.

Und zu guter Letzt war das Vorgängergremium auch in die Arbeiten rund um den Gesundheitscheck der signifikanten Banken, das Comprehensive Assessment, eingebunden.

Aber nun, wie angekündigt, zu dem gemeinsamen Aufsichtsansatz oder eine – für alle Teilnehmer am SSM bzw. die Öffentlichkeit eindeutigen – Aufgabenteilung zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden.  

Eine Rahmenverordnung wird die praktische Zusammenarbeit und die Arbeitsabläufe innerhalb des SSM regeln; dabei geht es beispielsweise um den Informationsaustausch und die Arbeitsteilung zwischen EZB und nationaler Aufsicht oder die Methodologie zur Identifizierung der rund 130 signifikanten Kreditinstitute, die direkt von der EZB beaufsichtigt werden. Für die Beaufsichtigung dieser Institute – darunter 24 deutsche – werden sogenannte Joint Supervisory Teams (JST) gebildet, die aus Mitarbeitern der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden bestehen.

Für mich stellen die JST das Herz der neuen Aufsicht dar. EZB-Mitarbeiter und Aufseher aus verschiedenen Mitgliedsstaaten werden im Team eine Bank beaufsichtigen. Ein EZB-Mitarbeiter oder eine EZB-Mitarbeiterin wird das Sagen haben; die nationalen Aufseher werden die Erfahrungen über diese spezielle Bank und Kenntnisse über die nationalen Rechtsgrundlagen und Marktstrukturen mitbringen. Daran lässt sich bereits erkennen, dass der nationale Aufseher nicht überflüssig wird. Im Gegenteil: Ohne ihn wird es – wie bisher – in vielen Fällen schlicht nicht gehen.

Ein weiteres Beispiel dafür ist das in der Rahmenverordnung beschriebene Sprachenregime des SSM. Die Aufsicht über die kleineren und mittleren Banken wird weiterhin in nationaler Sprache stattfinden. Anders verhält es sich mit den direkt von der EZB beaufsichtigten Banken: Da die Arbeitssprache der EZB Englisch ist, werden auch die dort arbeitenden Aufseher untereinander englisch kommunizieren. Gleiches strebt die EZB auch für "ihre" Banken an, auch wenn diese das Recht haben, im Schriftverkehr mit der EZB ihre nationale Sprache zu nutzen. Aber man muss auch immer realistisch bleiben: selbst wenn die Banken guten Willen zeigen, werden sehr viele Informationen wie Kreditakten in der jeweilige Landessprache vorgehalten. Auch hier braucht man den nationalen Aufseher, da nur er in der Lage ist, diese Informationen vernünftig auszuwerten. Damit werden aber keine neuen Probleme geschaffen, da sich Aufseher über international tätige Banken schon jetzt sehr eng austauschen müssen.

Was ist vom neuen Aufsichtsmechanismus noch zu erwarten?

Die Aufseher der EZB werden die Konvergenz in der Aufsichtspraxis in Europa vorantreiben. Sie werden beispielsweise über nun mögliche Quervergleiche über Ländergrenzen hinweg besser einschätzen können, ob Governance und Risikomanagement einer Bank den höchsten Standards entsprechen. 

Für die gut 4000 Banken, die zu der Gruppe der kleineren bzw. mittelgroßen Institute gehören, setzt die EZB dagegen "nur" den Rahmen der Aufsichtstätigkeit. Die eigentliche Aufsicht wird weiterhin von den nationalen Behörden ausgeübt.

Bei dem zweiten wesentlichen Dokument handelt es sich um das Aufsichtshandbuch oder "Supervisory Manual". Trocken beschrieben definiert es Vorgehen, Prozesse und Methodik für die Aufsicht signifikanter und nicht-signifikanter Institute. Hinter diesen eher etwas trockenen Begrifflichkeiten versteckt sich die Beschreibung des eigentlichen Kerns aufsichtlichen Tuns. Hier wird genau festgelegt, wie die Risiken in Banken quantitativ wie auch qualitativ bewertet werden; und das ist entscheidend für das spätere aufsichtliche Handeln – beginnend mit der Intensität der "aufsichtlichen Begleitung" bis hin zur Anordnung bankaufsichtlicher Maßnahmen wie etwa Kapitalzuschläge oder die Anpassungen bankinternen Risikomanagement-Prozesse an aufsichtliche Vorstellungen.

Sie sehen: Alle Beteiligten waren fleißig. Aber es wurden bisher nicht nur viele Seiten Papier beschrieben, auch die praktische Arbeit läuft bereits: Das größte Vorbereitungsprojekt mit entsprechender Außenwirkung ist der derzeit laufende Gesundheitscheck, das so genannte dreistufige Comprehensive Assessment, der signifikanten Banken.

Dessen Ziel ist es, Altlasten zu identifizieren und zu bereinigen, um der neuen Aufsicht unter dem Dach der EZB einen reibungslosen Start zu ermöglichen – mit möglichst sauberen Bilanzen der direkt beaufsichtigten Institute. Dies hat den sinnvollen Nebeneffekt, dass sich die EZB einen eigenen Überblick über die Kapital- und Risikolage sowie Governance- sowie Risikomanagementstrukturen der signifikanten Banken verschaffen kann, bevor die Verantwortung für die Aufsicht auf sie übergeht. Sie kann diese Erkenntnisse auch für die Fein-Konzeptionierung ihres Aufsichtsansatzes nutzen, da sie bei der umfassenden Bilanzüberprüfung mit einer Vielzahl von unterschiedlichen aufsichtlichen Anwendungspraktiken, von unterschiedlichen nationale Rechtsgrundlagen und unterschiedlich umgesetzten nationalen Wahlrechten konfrontiert sein wird.

In den darauffolgenden Jahren wird sich dann immer wieder die Frage stellen, ob all die vorgefundenen Unterschiede gerechtfertigt sind. Ein "Level Playing Field", also gleiche Rahmenbedingungen für alle Banken, ist nicht nur wichtig, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, sondern auch um Regulierungsarbitrage und die daraus entstehenden Gefahren zu verhindern. Aber Sie kennen auch den Grundsatz: "Gleiches ist zwar gleich, aber Ungleiches ist eben auch ungleich zu behandeln".

Deswegen möchte ich auch auf die Unterschiede in den nationalen Marktstrukturen und in den Bedürfnissen der Realwirtschaft hinweisen – auch wenn hier und da zwar das eine oder andere nationale Wahlrecht überstrapaziert worden sein mag. Es wird eine  Herausforderung werden, einen einheitlichen Rahmen für die europäischen Banken zu schaffen, der – gerechtfertigten – nationalen Besonderheiten wie etwa unterschiedlichen Marktstrukturen oder Rechtssystemen Rechnung trägt.

Wie dem auch sei: Durch den SSM wird die Aufsichtspraxis zunächst im Euroraum konvergieren, und nationale Aufsichtsspielräume werden auf den Prüfstand kommen.

3 Einheitlicher Abwicklungsmechanismus

Der einheitliche Abwicklungsmechanismus – oder SRM für "Single Resolution Mechanism" – ist die zweite tragende Säule der Bankenunion. Europäische Bankenaufsicht und europäische Bankenabwicklung sind zwei Seiten einer Medaille. Wenn also die EZB künftig europäische Banken beaufsichtigt, sollte auch ein europäisches Gremium über deren Abwicklung bestimmen. Das sieht die im Dezember beschlossene allgemeine Ausrichtung des ECOFIN mit der Errichtung eines europäischen Abwicklungsgremiums (Single Resolution Board, SRB) auch vor.

Welche Banken fallen nun unter das europäische Abwicklungsregime? Der einheitliche Abwicklungsmechanismus soll nur auf SSM-Banken Anwendung finden und auf solche, die Auslandstöchter haben. Die Abwicklung der kleineren Institute wird künftig zwar auch europäisch geregelt, aber die Zuständigkeiten verbleiben auf nationaler Ebene. Das halte ich für richtig, da die Abwicklung einer kleinen Bank, einer kleinen Sparkasse oder Genossenschaftsbank, erstens nicht Auswirkungen auf europäischer Ebene nach sich ziehen wird, und zweitens diese Institute eher nicht in den Genuss der Mittel des europäischen Abwicklungsfonds kommen werden. Deshalb sollten solche Institute auch nicht mit denselben Maßstäben behandelt werden wie eine global agierende Bank.

Wie sieht aber nun ein ideales Abwicklungsregime aus? Erstens müssen im Fall der Fälle die Verluste auch tatsächlich dort anfallen, wo sie hingehören, nämlich bei den Investoren. Zweitens muss das Abwicklungsregime die geordnete Abwicklung eines Instituts ermöglichen, das heißt, die Abwicklung darf keine unkontrollier­baren Auswirkungen auf das Finanzsystem haben. Dazu muss es auch möglich sein, innerhalb eines Wochenendes zu entscheiden, ob und wie abgewickelt wird. Nur mit schnellen Entscheidungsprozessen und kurzen Wegen ist es überhaupt möglich, dass jede Bank abgewickelt werden kann. Marktteilnehmer werden dieses Risiko als Aufschlag bei ihren Investitionen in Banken adäquat einpreisen – so wie sie es auch bei jeder anderen Investition tun.

Man sollte erwarten, dass ein solches, auf die Besonderheiten von Banken abgestimmtes Abwicklungsregime wenig strittig sein dürfte. Warum ist die Abwicklung von Banken aber dann ein so heikles Thema? Wie so oft geht um die alles entscheidende Frage: "Wer zahlt?"

Bei der Antwort auf diese Frage muss meines Erachtens eine Prämisse berücksichtigt werden: Um vernünftige Anreizstrukturen für Marktteilnehmer und Mitgliedstaaten zu setzen, bedarf es eines Gleichlaufs von Haftung und Kontrolle, das heißt wer vorab steuern und gestalten konnte, muss später auch haften. Dieses Prinzip hat bei einem europäischen Abwicklungsregime zwei Dimensionen: Einerseits das Verhältnis des Privatsektors zum öffentlichen Sektor sowie andererseits das Verhältnis der nationalen zur europäischen Ebene.

Lassen Sie mich zuerst auf das Verhältnis des Privatsektors zum öffentlichen Sektor eingehen. Die Finanzkrise offenbarte, dass teilweise Geschäftsmodelle von Banken sich als nicht dauerhaft tragfähig erwiesen haben und zu hohen Verlusten führten, die vielfach vom Steuerzahler getragen werden mussten. Dies war nur vor dem Hintergrund der Kosten des Nichteingreifens begründbar. Es sollte in Zukunft aber weitestgehend ausgeschlossen werden. Etwaige Verluste müssen in erster Linie von Anteilseignern und Fremdkapitalgebern der Institute getragen werden. Dann stellt sich die Frage, inwieweit auch Einleger, natürlich oberhalb der Sicherungsgrenzen, heranzuziehen sind. Der Steuerzahler sollte idealerweise nicht betroffen sein. Es ist ein Meilenstein und dennoch nach meinem Verständnis eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass der im Dezember beschlossene Kompromiss im Rat auf dem Grundsatz aufbaut, dass beim Scheitern einer Bank primär der Privatsektor herangezogen werden soll; das heißt, es sollen erst die Anteilseigner und Gläubiger die Verluste tragen, ehe externe Mittel eingesetzt werden.

Allerdings müssen Auswirkungen auf das Finanzsystem als Ganzes berücksichtigt werden und somit sind Ausnahmen von diesem Grundsatz vorgesehen. Im Interesse der Finanzstabilität können bereits vor einem vollständigem Bail-In Abwicklungsfonds oder sogar Steuergelder eingesetzt werden. Um dem Prinzip des Gleichlaufs von Haftung und Kontrolle zu entsprechen, finde ich es sehr wichtig, dafür zu sorgen, dass solche Mittel wirklich nur im Ausnahmefall genutzt werden. Es muss bei einer klaren Haftungsabfolge bleiben, auch in der tatsächlichen Umsetzung der Regeln. Ausnahmefälle dürfen in keinem Fall zur Regel werden. Ansonsten wird es Investoren schwer fallen, das mit dem Kapital- und Schuldinstrumenten verbundene Risiko richtig zu bepreisen. Auch erhöhen Ausnahmeregeln die Wahrscheinlichkeit, dass am Ende doch Steuergelder verwendet werden.  

Um das zu vermeiden, sieht die allgemeine Ausrichtung nach einem Bail-In auch zu Recht als nächste Verteidigungslinie nicht die Allgemeinheit, sondern einen Abwicklungsfonds vor, der von Bankenabgaben gespeist wird. Der europäische Abwicklungsfonds soll in Zukunft 55 Milliarden Euro umfassen.

Um aber auch innerhalb des Bankensektors die Anreize richtig zu setzen und Moral Hazard zu bekämpfen, sollten sich auch die Beiträge für den Abwicklungsfonds am Risiko der Bank orientieren, damit konservativ arbeitende Kreditinstitute nicht "bestraft" werden. Der Kompromisstext spricht hier von risikogerechten Prämien.

Ebenso begrüßen wir es, dass die nationalen Abwicklungsfonds graduell über zehn Jahre hinweg in einen nicht mehr weiter national differenzierten europäischen Fonds überführt werden; allerdings müssen hier noch die Einzelheiten in einem Abkommen der Mitgliedstaaten geregelt werden.

Mit den neuem Regime entstehen der Allgemeinheit idealerweise keine Kosten bei der Abwicklung einer Bank. Doch was passiert in der Übergangsphase, wenn während der Aufbauphase der Abwicklungsfonds nach dem Bail-In größere Mittel für die Abwicklung benötigt? Auch für diesen Fall muss es einen Plan B geben. Sollten dann öffentliche Mittel nötig werden, dann würde sich der Abwicklungsfonds diese Mittel im Gegensatz zu einem "echten" Bail-Out nur leihen. Zu einem späteren Zeitpunkt müsste er sie zurückzahlen.

Mit dem Bereitstellung öffentlicher Mittel kommen wir zur zweiten Dimension: das Verhältnis der nationalen zur europäischen Ebene.

Auch hier gilt meines Erachtens der Grundsatz, dass sich Gestaltungs- bzw. Handlungsmöglichkeiten und Haftung im Einklang befinden müssen. Mit dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus werden Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene liegen. Die Zukunft gehört dem SSM; er tritt aber auch das Erbe der nationalen Aufseher an. Deren Aufsicht hat die Banken geprägt – im Guten wie im Schlechten; und es wird Jahre dauern, bis so unterschiedliche Dinge wie das Bestandsgeschäft oder die Governance- und Risikomanagementstrukturen der einzelnen Banken den Stempel der europäischen Aufsicht tragen.

Ein Haftungskonzept, das einen Teil der Haftung zunächst auf nationaler Ebene belässt und über die Zeit einen größeren Anteil an Haftungsmasse auf die europäische Ebene überträgt, berücksichtigt diese Gegebenheiten meiner Einschätzung nach zu Recht.

Alles in allem halte ich also die vom EU-Rat kürzlich beschlossene allgemeine Ausrichtung für gelungen. Ich hoffe, dass die SRM-Verordnung wie geplant im April finalisiert wird. Und ich hoffe des Weiteren, dass die SRM-Verordnung nicht erst im Jahr 2018, sondern früher in Kraft tritt, damit die europäische Aufsicht möglichst bald durch die europäische Abwicklung ergänzt wird.

4 Ende

Sie sehen, es verändert sich viel – und zwar im raschen Tempo. Um wieder an den Anfang zurückzukommen: Das Mammutprojekt verlangt Flexibilität. Doch bevor wir das Projekt weiter vorantreiben, danke ich Ihnen zunächst für Ihre Aufmerksamkeit.