Eröffnung des Zahlungsverkehrssymposiums der Deutschen Bundesbank mit dem Thema „Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2013“

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen der Deutschen Bundesbank begrüße ich Sie herzlich zu unserem diesjährigen Zahlungsverkehrssymposium. Einen besonderen Willkommensgruß möchte ich an Herrn Philipp Otto richten, der die Veranstaltung moderieren wird. Hierfür bereits vorab vielen Dank.

Die Bundesbank richtet ihr Zahlungsverkehrssymposium im Zwei-Jahres-Turnus aus, um eine Plattform für den wechselseitigen Austausch zwischen den verschiedenen Akteuren im Bereich des Zahlungsverkehrs zu bieten.

Bevor ich jedoch genauer auf Zahlungsverkehrsthemen eingehe, möchte ich kurz einen Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland werfen. Anfang Juni ist nämlich traditionell der Zeitpunkt, zu dem die Bundesbank eine Bestandsaufnahme bezüglich der aktuellen wirtschaftlichen Lage und der kurz- bis mittelfristige Aussichten vornimmt und ihre Halbjahresprognose veröffentlicht.

2 Deutschlands Wirtschaft zur Jahresmitte 2013

Nach einem kräftigen Wachstum in den Jahren 2010 und 2011 legte die gesamtwirtschaftliche Leistung in Deutschland im abgelaufenen Jahr nur noch um 0,7 % zu. Im vierten Quartal 2012 ging das reale Bruttoinlandsprodukt sogar kräftig zurück. Und auch der Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im ersten Vierteljahr fiel nicht zuletzt witterungsbedingt sehr gering aus.

In unserer vor drei Tagen veröffentlichten gesamtwirtschaftlichen Vorausschätzung für Deutschland kommen wir jedoch zu der Einschätzung, dass die Wirtschaft die konjunkturelle Schwächephase aus dem Winterhalbjahr inzwischen weitgehend überwunden hat. Eine verhaltene Aufwärtsbewegung könnte sich anschließen. Dafür sprechen die trotz einiger Rückschläge aufgehellten Erwartungen der Unternehmen. Auch die Weltwirtschaft sollte im Verlauf dieses Jahres wieder Fahrt aufnehmen.

Vor diesem Hintergrund und trotz der Belastung durch das schwache Winterhalbjahr kann nach unserer Einschätzung im Jahresdurchschnitt 2013 noch ein Wirtschaftswachstum von 0,3 % erreicht werden, bereinigt um Kalendereffekte von 0,4 %. Für das Jahr 2014 rechnen wir aus jetziger Sicht mit einem realen Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 %.

Die Zahl der Erwerbstätigen sollte weiter zulegen, während gleichzeitig der Inflationsdruck vorübergehend zurückgehen dürfte.

Die Risiken für unsere Prognose sind allerdings nach unten gerichtet. Viel wird davon abhängen, dass sich die wirtschaftliche Lage in den Krisenländern des Euro-Raums stabilisiert und dort Auftriebskräfte nach und nach die Oberhand gewinnen.

Nach diesem Blick auf die wirtschaftlichen Aussichten Deutschlands nun zu den Zahlungsverkehrsthemen.

3 Zahlungsverkehr mit zentraler Rolle

Der unbare Zahlungsverkehr ist – neben der Geldpolitik, der Bankenaufsicht, dem Bargeld und dem Finanz- und Währungssystem – eines der fünf Kerngeschäftsfelder der Bundesbank. Allerdings ein Kerngeschäftsfeld, dessen strategische Bedeutung für die Bundesbank von der Wahrnehmung dieses Geschäftsfelds in der breiteren Öffentlichkeit erheblich abweicht.

Diese Feststellung ist natürlich nicht neu – schon gar nicht für die hier Anwesenden. Dass der unbare Zahlungsverkehr regelmäßig kaum wahrgenommen wird, spiegelt letztlich seine besonderen Charakteristika wider.

Der unbare Zahlungsverkehr und die dahinter stehende, von den Kreditinstituten und den Zentralbanken bereitgestellte Infrastruktur ähneln dem Blutkreislauf eines menschlichen Körpers. Auch dieser ist von außen kaum zu erkennen, was jedoch an seiner lebenswichtigen Bedeutung nichts ändert.

Solange alles reibungslos läuft, machen sich die wenigsten Leute über die zugrunde liegenden Vorgänge des Zahlungsverkehrskreislaufs Gedanken. Kommt es hingegen einmal zu Störungen, steigt die Aufmerksamkeit rapide an. Nur im Störungsfall wird auch nach außen hin schnell sichtbar, wie komplex die täglichen Prozesse tatsächlich sind und welch eindrucksvolle Leistung es bedeutet, dass im Regelfall alle Zahlungen reibungslos abgewickelt werden.

Zur Illustration: Allein die deutschen Privathaushalte und Unternehmen – ohne die Banken – führen im kalendertäglichen Durchschnitt fast 49 Millionen unbare Transaktionen mit einem Gesamtwert von 186 Mrd Euro aus.

Die Banken selbst nutzen für Übertragungen untereinander auch Interbankenzahlungssysteme, etwa TARGET2. Gemessen am Zahlungsverkehr der Nichtbanken sind die in Interbankensystemen abgewickelten Stückzahlen eher klein, die Umsätze dagegen um ein Vielfaches größer. Die über TARGET2 geleisteten Zahlungen beliefen sich im Jahr 2012 insgesamt auf 634 Billionen Euro, was einem Durchschnitt pro Geschäftstag von 2,4 Billionen Euro und damit fast dem Gegenwert des deutschen Bruttoinlandsprodukts entspricht.

Ein sicherer und leistungsfähiger unbarer Zahlungsverkehr schafft eine Grundlage dafür, dass die Menschen Vertrauen in die Währung besitzen. Die Menschen erwarten zu Recht, dass bargeldlose Transaktionen schnell, verlässlich und sicher abgewickelt werden. Hierfür Sorge zu tragen, ist und bleibt unverändert eine zentrale Verpflichtung der Bundesbank.

Lassen Sie mich deshalb kurz auf einige aktuelle Aspekte des unbaren Zahlungsverkehrs etwas näher eingehen.

4 Aktuelle Entwicklungen im Zahlungsverkehr

Auch in den vergangenen Krisenjahren – und wir befinden uns im sechsten Jahr der Finanz- und später der Staatsschuldenkrise – haben sich die Zahlungsverkehrsinfrastrukturen als unverändert stabil und leistungsfähig erwiesen. Dies ist zweifellos eine Bestätigung der bisherigen Arbeit, gleichzeitig jedoch auch ein Ansporn dafür, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

Daher wurden auch die regulatorischen Anforderungen an systemrelevante Zahlungsverkehrs- und Abwicklungssysteme im Licht der Erkenntnisse aus der Finanzkrise weiterentwickelt. So haben zum Beispiel die IOSCO und der Zahlungsverkehrs- und Abwicklungsausschuss (CPSS) bei der BIZ in Basel im April 2012 die „Grundsätze für Finanzmarktinfrastrukturen“ (Principles for Financial Market Infrastructures) veröffentlicht.

Diese Prinzipien ersetzen zuvor bestehende Grundsätze im Zahlungsverkehrs- und Abwicklungsbereich. Sie legen die Latte in Bezug auf Robustheit der Systeme nochmal höher und sollen somit zu einer widerstandsfähigeren Finanzinfrastruktur beitragen. Seit Ende 2012 werden diese Prinzipien in Aufsichtsgesprächen thematisiert, gleichzeitig wird im Euro-Raum intensiv an der konkreten Umsetzung gearbeitet. Die entsprechenden Vorarbeiten hierzu sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden.

Im Zusammenhang mit dem regulatorischen Rahmen des unbaren Zahlungsverkehrs haben die Bundesbank und das gesamte Eurosystem unverändert insbesondere drei Ziele vor Augen.

Erstens geht es darum, die Finanzmarktinfrastrukturen möglichst sicher, zuverlässig und schockresistent zu gestalten. Sicherheit und Verlässlichkeit waren und sind unverändert Dreh- und Angelpunkt jeglicher Initiativen zur Ausgestaltung der Zahlungsverkehrsinfrastruktur.

Zweitens sollen unbare Zahlungen effizient abgewickelt werden, um die Liquiditätskosten einer Volkswirtschaft – also die Opportunitätskosten der sonst in größerem Umfang nötigen Kassenhaltung – möglichst gering zu halten.

Und drittens gilt es, bestehende Strukturen weiterzuentwickeln, um die Integration der europäischen Finanzmärkte zu vertiefen.

Besondere Aufmerksamkeit haben in den vergangenen Jahren die Salden im TARGET2-System der Zentralbanken des Eurosystems erregt. Hierauf bin ich auch in meiner Rede beim Zahlungsverkehrssymposium vor zwei Jahren und bei anderen Anlässen eingegangen.

Hohe TARGET2-Salden sind vor allem ein Ausdruck für die Vertrauenskrise im Bankensektor einiger Euro-Länder. Die Salden zeigen, dass der grenzüberschreitende Liquiditätsausgleich zwischen den Banken gestört ist. Sie sind damit ein Indikator für die Verfassung der Geldmärkte im Euro-Raum.

Nachdem der positive TARGET2-Saldo der Bundesbank im Verlauf des vergangenen Jahres Spitzenwerte von über 750 Mrd EUR erreicht hatte, ist er seit November deutlich zurückgegangen und belief sich Ende Mai auf rund 589 Mrd EUR. Ein Stück Vertrauen kehrt offensichtlich langsam zurück.

Neben TARGET2 ist TARGET2-Securities ein bedeutendes Projekt für das Eurosystem. Das gilt nicht nur für die Abwicklungsstrukturen, sondern auch für die Integration der europäischen Finanzmärkte.

TARGET2-Securities (T2S) steht für das Projekt des Eurosystems, eine neue, harmonisierte und zentrale Wertpapierabwicklung in Zentralbankgeld anzubieten. Ein funktionierender europäischer Geldmarkt erfordert nicht nur ein integriertes Management der Liquidität, sondern auch einen reibungslosen Transfer der zur Beschaffung der Liquidität nötigen Sicherheiten.

Die Bundesbank trägt als mitentwickelnde Zentralbank maßgeblich zu den in letzter Zeit erreichten Fortschritten beim T2S-Projekt bei.

Bis Ende Juni 2012 hatten nahezu alle Zentralverwahrer der Eurozone sowie weitere fünf Zentralverwahrer außerhalb des Euro-Währungsgebiets den T2S-Rahmenvertrag mit dem Eurosystem unterzeichnet und sich damit zur Teilnahme an T2S verpflichtet.  Auf dieser Grundlage geht es nun darum, T2S erfolgreich zu implementieren. Hier sind wir auf einem guten Weg.

Lassen Sie mich nun noch kurz auf das heutige Symposium eingehen.

5 Zum diesjährigen Symposium

Beim Blick ins Programm des Symposiums haben Sie gesehen, dass der Schwerpunkt in diesem Jahr auf dem Massenzahlungsverkehr liegt. Herausragendes Stichwort ist hierbei natürlich SEPA, also der einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum, auf den zum 1. Februar nächsten Jahres umgestellt werden wird.

Der Grundgedanke von SEPA ist einfach zu umreißen: Grenzüberschreitende Zahlungen in Euro sollen so günstig, schnell und sicher abgewickelt werden wie nationale Zahlungen. Die SEPA-Idee ist zwar leicht zu beschreiben und verdient aus Sicht der Bundesbank auch jegliche Unterstützung.

Die SEPA-Idee konkret umzusetzen, erfordert jedoch unverändert erhebliche Anstrengungen und einen langen Atem, den die Akteure insbesondere auf Nutzerseite gerade jetzt haben müssen.

Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich sage, dass die Umstellung auf SEPA bei einigen Nutzergruppen noch sehr schleppend verläuft. Insbesondere bei vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie bei den Vereinen muss ein erheblicher Rückstand aufgeholt werden.

Je länger nämlich die Umstellung herausgezögert wird, desto risikoreicher wird sie. Auch der Aufwand, der mit dem Umstellen von Prozessen verbunden ist, darf nicht unterschätzt werden.

Die Bundesbank hat bereits Maßnahmen ergriffen, um in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem deutschen SEPA-Rat dazu beizutragen, der SEPA-Umstellung den nötigen Schwung für die letzte Strecke des Weges zu geben. Mein Vorstandskollege Carl-Ludwig Thiele wird in seinem Vortrag noch einen genaueren Blick auf den aktuellen Stand in Sachen SEPA werfen.

Neben SEPA am Vormittag steht der heutige Nachmittag unter der Überschrift von Innovationen im Zahlungsverkehr. Ihnen allen ist vertraut, dass über das Für und Wider verschiedener Zahlungsinstrumente intensiv diskutiert wird.

Welches dieser Instrumente sich für welche Zwecke schließlich neu am Markt etabliert bzw. welches Instrument gegebenenfalls auch abgelöst wird, ist in erster Linie das Ergebnis von Marktprozessen.

Die Bundesbank verhält sich hierbei grundsätzlich neutral und greift den Marktprozessen nicht vor. Wir achten jedoch unverändert darauf, dass neue Zahlungsinstrumente ausreichend sicher und somit gesamtwirtschaftlich nützlich sind.

Abschließend noch folgendes: Ein kundiger Ratgeber hat einmal in Bezug auf Eröffnungsreden augenzwinkernd gesagt: „Fasse dich stets kürzer, als die meisten Zuhörer zu hoffen wagen.“ Diesen Rat möchte ich folgen und zum Ende meiner einleitenden Ausführungen kommen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes, erkenntnisreiches Symposium und freue mich, Sie in zwei Jahren – dann in der SEPA-Welt – wiederzusehen.