Eröffnung des „Generation Forum“ im Rahmen der Euro Finance Week 2012
Es gilt das gesprochene Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
vielen Dank, Herr Dr. Maleki, für die außerordentlich freundliche Einführung.
Auch für mich ist es eine Ehre, Sie alle zum „Generation Forum“ der EURO Finance Week 2012 begrüßen zu dürfen. In diesem Jahr steht das „Generation Forum“ unter dem Titel „Regaining Trust in Banking“. Ein für uns alle zentrales Thema. Gerade deswegen freue ich mich, dass wir nach meiner kurzen Eröffnung auf ein so hochkarätiges Podium gespannt sein dürfen.
– „Trust“ – „Vertrauen“ –
meine Damen und Herren, was bedeutet das überhaupt?
Ich habe mich gefragt, ob es eigentlich eine einheitliche Definition hierfür gibt. Denn wie soll Vertrauen gewonnen oder zurückgewonnen werden, wenn wir nicht einmal genau wissen, was allgemein darunter verstanden wird? Mehr aus Neugier habe ich deshalb das Gabler Wirtschaftslexikon bemüht, das vermutlich noch heute für jeden BWL- und VWL-Studenten Nachschlagewerk Nummer 1 ist.
Natürlich bin ich fündig geworden: „Vertrauen“ ist dort definiert als „die Erwartung, nicht durch das Handeln anderer benachteiligt zu werden. Als solches stellt es die unverzichtbare Grundlage jeder Kooperation dar. Man kann zwischen Vertrauen in Personen und Vertrauen in Systeme unterscheiden. In Interaktionssituationen steht Vertrauen aber stets im Zusammenhang mit Verantwortung; Akteure, denen Vertrauen geschenkt wird, haben die Verantwortung, dieses zu honorieren.“
Alles im Grunde genommen Binsenwahrheiten. Aber wie steht´s konkret um das Vertrauen in die Bankenwelt?
Zu Beginn des Jahres titelte die Welt: „Der Ruf der Banken ist miserabel.“ Nach Umfrage eines vom Spiegel-Verlag beauftragten Beratungsunternehmens (Gallup Deutschland) vertraut zurzeit nur jeder fünfte Anleger darauf, dass sein Geldinstitut hält, was es verspricht, und verantwortlich mit Kundengeldern umgeht. Und in der Tat: Bereits seit im Sommer 2007 die Finanzmarktkrise ausbrach, verzeichnen wir in der ganzen Welt einen Vertrauensverlust in die Finanzwirtschaft, wie er höher kaum hätte ausfallen können.
Ich habe übrigens auch einmal Wikipedia bemüht, wohlwissend, dass dies nach wie vor kaum als wissenschaftlich zitierfähig gilt, Wikipedia gewährt aus meiner Sicht aber doch einen guten Einblick in das sogenannte Volksempfinden. „Vertrauen“ ist danach „die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit, Wahrheit bzw. Redlichkeit von Handlungen sowie Einsichten und Aussagen eines anderen. … Das Gegenteil des Vertrauens ist Misstrauen.“
„Vertrauen“ ist also ein großes Wort, mit dem viele, oft zu hohe Erwartungen verknüpft sind. Es zu gewinnen, ist schwer, es zu verlieren, aber nicht. Nicht umsonst sagte Robert Bosch, einer der großen Finanzpatriarchen Anfang des letzten Jahrhunderts den außerordentlich bemerkenswerten Satz: „Lieber Geld verlieren als Vertrauen.“ Leider wurde dieses Credo von Robert Bosch immer weniger beachtet.
Ausgehend vom Einbruch des US-amerikanischen Subprime-Immobilien-markts gerieten weltweit komplexe Finanzierungsmodelle zunehmend ins Wanken. In Europa waren davon insbesondere Banken betroffen, die in die komplexen Finanzprodukte investiert hatten. Noch ein Jahr vor Ausbruch der Krise gab es jedoch auch in Deutschland Warnungen, man möge doch bitte die glänzenden Möglichkeiten solcher Finanzprodukte nicht mit bürokratischen Regulierungen behindern.
Schlechtes Risikomanagement und zu großes Vertrauen in spektakuläre Finanzinnovationen waren die wichtigen Ursachen für die Finanzkrise. Nicht umsonst sagte der Nobelpreisträger Muhammad Yunus plakativ, dass der Kapitalismus zum Spiel-Casino verkommen sei.
Die Erschütterung der Finanzwelt ist auch im mittlerweile sechsten Jahr nicht überwunden – und das Vertrauen in die Finanzwirtschaft erscheint immer noch nachhaltig gestört.
Das ist aber leider noch nicht alles, denn zur Krise an den Finanzmärkten gesellte sich die „Staatsschuldenkrise“, anfänglich als Griechenland vom massiven Vertrauensverlust der Finanzmärkte getroffen wurde, infolge der drastischen Korrektur der Defizitzahlen im Herbst 2009 durch die damalige Regierung.
Was folgte, waren wiederholte Herabstufungen durch die großen Ratingagenturen und steigende Risikoprämien an den Finanzmärkten. Die Besonderheiten des Konstrukts „Europäische Währungsunion“ führten zu tiefgreifenden Zweifeln an der Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte innerhalb des einheitlichen europäischen Währungsraums.
Ernst & Young hat zur Jahresmitte eine Umfrage veröffentlicht, wonach auch die Staatschuldenkrise zunehmend am Vertrauen der Deutschen in ihre Banken nagt. 58 Prozent der Kunden haben danach heute weniger Vertrauen in die Stabilität ihres Geldhauses als noch vor zwölf Monaten. Sorge bereitet den Menschen vor allem die unsichere wirtschaftliche Lage in Europa, die auch auf die heimische Konjunktur und die heimischen Kreditinstitute durchschlagen könnte. Die tiefe Verunsicherung zeigt sich auch darin, dass jeder fünfte Sparer sich mittlerweile Sorgen um seine Einlagen macht.
Die Unsicherheit hält also bis heute an. Dabei spielt es auch keine Rolle, wie viele und wie große „Rettungsschirme“ gespannt wurden und werden. Denn diese stützen sich maßgeblich auf die hohe Bonität und das starke Vertrauen der Anleger vor allem in die deutschen Staatsfinanzen.
Inzwischen ist aber klar: Solange die Konsolidierung der Staatsfinanzen – auch über europäische Grenzen hinaus – nicht abgeschlossen ist, wird das notwendige Vertrauen der Anleger und der Bevölkerung in Politik und Märkte nicht zurückkehren. Das ist leider so!
Vertrauen ist ein Gut, dessen Wert gerade uns Notenbankern traditionell bewusst ist und besonders am Herzen liegt. Und dies nicht erst seit der Finanz- und Schuldenkrise! Denn Vertrauen ist schon immer die Grundlage einer stabilen Währung und damit das Fundament für Wirtschaftswachstum und Wohlstand.
Um es mit den Worten von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sagen: „Vertrauen ist die Währung, in der gezahlt wird!“
Der Verlust von Vertrauen hat dabei natürlich auch eine generationsbezogene Komponente: Nicht umsonst ist die Forderung „Regaining Trust“ Thema gerade dieses Forums. Zweifel an politischen Systemen, Wirtschafts- und vor allem Währungsordnungen schüren die Ängste nachrückender Generationen. So gesehen leistet das Generation Forum einen wertvollen Beitrag, denn die Idee ist, Führungskräfte, die schon manche Krisen und Stürme durchlebt und gemeistert haben, mit jungen Menschen und ihren Fragen, Ideen, aber auch ihren Hoffnungen, zusammenzubringen.
Die Frage, wie man junge Menschen für ein politisches oder ökonomisches System gewinnen und Vertrauen fördern kann ist schließlich wieder so präsent wie zuletzt vermutlich zu Zeiten des Kalten Krieges. Auch in Deutschland wird die Frage des Gleichgewichts der Kräfte innerhalb unserer sozialen Marktwirtschaft so offen und kontrovers diskutiert, wie lange nicht mehr.
Für mich als für Personalangelegenheiten und Bildungsfragen zuständiges Mitglied im Vorstand der Deutschen Bundesbank stellt sich deshalb auch die Frage, welche Komponenten darüber entscheiden, junge Menschen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Bankenbereich zu gewinnen und auf Dauer zu halten.
Auch diese Antwort hat mit Vertrauen zu tun. Die Aufgabe dürfte infolge der Ereignisse der vergangenen fünf Jahre für die Finanzbranche insgesamt nicht einfacher geworden sein.
Für uns als Notenbank mit einem Personalkörper von knapp 10.000 Beschäftigten ist es aber zur Personalgewinnung in einem gerade in materieller Hinsicht schwieriger werdenden Arbeitsmarktumfeld ebenfalls essentiell, die Werteorientierung unserer Aufgaben und unseres Handelns nach außen zu transportieren.
Als Notenbank müssen wir den Nachweis führen, dass das Vertrauen in unser Tun gerechtfertigt ist und es sich deshalb auch lohnt, in der Deutschen Bundesbank die eigene berufliche Zukunft zu finden. Dabei spielen die nackten Zahlen auf dem Gehaltszettel nicht einmal die überragende Rolle.
Ich habe in meiner langen Berufslaufbahn immer wieder festgestellt, dass Top-Leute für eine interessante und gemeinwohlorientierte Tätigkeit auf ein vergleichsweise höheres Gehalt verzichtet haben. In meiner vormaligen Tätigkeit als Chef einer Staatskanzlei konnte ich beispielsweise junge Spitzen-juristen von Anwaltskanzleien abwerben, obwohl diese dort schon ein sechsstelliges Einstiegsgehalt, in der Staatskanzlei aber gerade einmal 60 % davon bezogen.
Wir müssen uns darauf konzentrieren, Berufseinsteiger in einer Weise anzusprechen, die ihre Erwartungen positiv aufgreift. Junge Menschen schauen heute sehr genau darauf, welche Aufgaben ihnen geboten werden können.
Vielfalt, intellektueller Anspruch und Internationalität sind dabei nur einige Stichworte. Die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung, zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zur Gestaltung der work-life-balance stehen jedenfalls immer stärker im Fokus.
Die Deutsche Bundesbank ist für dieses Ringen um die besten Köpfe – manche sagen etwas militaristisch „War for talents“ dazu – gut gerüstet.
„Regaining Trust in Banking“ heißt aber auch, engagiert zu diskutieren, was „banking“ – und zwar jenseits des Central Banking – in Zeiten der Krise heißt und erfordert aus meiner Sicht eine Rückbesinnung, wofür bzw. für wen ‚Bankgeschäft‘ betrieben wird.
Zu diesem Thema hat mein Vorstandskollege Dr. Andreas Dombret in diesen Tagen anlässlich der 58. Kreditpolitischen Tagung „Vertrauen und Banken“ der Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen eine Rede gehalten. Den wesentlichen Thesen möchte ich mich hier anschließen.
Er verwies im Zusammenhang auf Adam Smith‘s Hauptwerk vom ‚Wohlstand der Nationen‘, wonach nur das Streben der einzelnen Menschen nach persönlichem Glück auch zu gesellschaftlichem Wohlstand führt. Er sagte weiter, dass dies – übertragen auf das Finanzwesen – bedeutet, dass wir „nicht der Mildtätigkeit der Banken“ unseren „Hauskredit verdanken“, sondern „ihrem Streben nach Gewinn und Zinsen.“ Dies sei „auch gut so“, da Systeme, die auf der Selbstlosigkeit des Menschen gründen, gerade deshalb scheiterten, weil der Mensch per se nicht selbstlos ist. Es sei aber für das ein geordnetes Zusammenleben genauso wichtig, „dass Menschen nicht ausschließlich nur sich denken, sondern auch bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.“
Denn, meine Damen und Herren, dies habe ich eingangs bereits gesagt: „Vertrauen bedeutet Verantwortung.“ Deshalb ist in diesem Sinne ein Bewusstseinswandel erforderlich: „Vertrauen, Langfristigkeit und Nachhaltigkeit: All dies sind Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft insgesamt steht. Kurzfristorientierung hingegen ist eine der wichtigsten Ursachen der gegenwärtigen Finanz- und Vertrauenskrise. Zusammengefasst: Banken und Banker müssen sich ihr Vertrauen in erster Linie selbst verdienen. Und das ist, weiß Gott harte Arbeit.“
„Die Banken müssen beispielsweise ihr Eigenkapital erhöhen und sich rechtzeitig auf die neuen Basel III-Anforderungen einstellen. Und die Banken müssen ihr Portfolio wieder stärker an den Bedürfnissen der privaten Haushalte und Unternehmen ausrichten und weniger an der Staatsfinanzierung. Auch wir Notenbanker und Regulierer müssen uns selbstkritisch hinterfragen, ob Regulierungsprivilegien für Staaten noch angebracht sind. Letztendlich kann nur dies dauerhaft den Knoten zwischen Staatsschuldenkrise und Bankensektor lösen.
Einiges ist schon in Gang gesetzt. Aber darauf dürfen sich die Banken nicht ausruhen. Denn Vertrauen ist ein knappes Gut. Um Vertrauen muss jeden Tag aufs Neue geworben werden, bei den Kunden genauso wie in der Öffentlichkeit. Ohne Vertrauen, ohne ‚Kredit‘ wird das Bankwesen nicht funktionieren.“
Arthur Schopenhauer hat dazu gesagt: „Man wird in der Regel keinen Freund dadurch verlieren, dass man ihm ein Darlehen abschlägt, aber sehr leicht dadurch, dass man es ihm gibt.“
Das Thema des heutigen „Generation Forum“ könnte also kaum aktueller sein.
Mit den von der Bundesbank gelebten Werten der Gemeinwohlorientierung durch Stabilitätspolitik in all ihren Facetten – Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Transparenz und Rechenschaftspflicht – wollen wir auch künftig einen Beitrag für ein gutes Miteinander leisten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!