Die Zukunft des Bezahlens Tegernseer Dialog

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrter Herr Dr. Schlebusch,
sehr geehrter Herr Herr Wintergerst,
sehr geehrter Herr Bloching,
sehr geehrter Herr Dr. Schürenkrämer,
meine sehr geehrte Damen und Herren,

ich bedanke mich für die Einladung in eine der schönsten Gegenden Bayerns zum Tegernseer Dialog und freue mich, heute Abend zu Ihnen sprechen zu können.

Die Zukunft des Bezahlens: Sieht sie so aus, dass wir bald nur noch unbar zahlen, weil das Bargeld abgeschafft wird? Vor dem Hintergrund der negativen Verzinsung und der damit verbundenen Hoffnung auf stärkere Konjunkturimpulse hat der amerikanische Ökonom Kenneth Rogoff genau dies gefordert. Damit Privatpersonen die negativen Zinsen nicht umgehen könnten und eine mit negativen Zinsen operierende Geldpolitik auch funktioniert, solle das Bargeld weichen.

Bei den privaten Haushalten sind negative Einlagezinsen jedoch in aller Regel noch nicht angekommen. Daher sind Portfolioumschichtungen in Bargeld auch nicht in großem Stile zu beobachten. Sollten die Banken die Negativzinsen allerdings doch noch auf die Privatkunden abwälzen, könnten diese mit einer verstärkten Bargeldhaltung reagieren. Restriktionen für die Bargeldhaltung, wie sie vor diesem Hintergrund vereinzelt diskutiert werden, lehnt die Bundesbank aber ebenso ab wie die Forderung nach einer Abschaffung von Banknoten und Münzen.

Der Grund dafür ist einfach: Wir sind der Meinung, dass es einen Mix aus verschiedenen Zahlungsinstrumenten geben sollte und staatliche Stellen nicht das Recht haben, den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, wie sie bezahlen sollen. Alle Zahlungsinstrumente, ob bar oder unbar, haben Vor- und Nachteile. Sie stiften Nutzen und verursachen Kosten. Und jede Person bewertet die Vor- und Nachteile, den Nutzen und die Kosten anders. In unserer repräsentativen Studie zum "Zahlungsverhalten in Deutschland 2014" haben wir herausgefunden, dass allen Befragten beim Bezahlen die gleichen Kriterien sehr wichtig sind, nämlich Einfachheit, Sicherheit und Schnelligkeit. Für einige Verbraucherinnen und Verbraucher erfüllt Bargeld diese Kriterien am besten. Andere sehen die Kriterien am besten durch bargeldlose Zahlungsinstrumente erfüllt. Jeder Einzelne wählt dasjenige Instrument, das die Anforderungen in seinen Augen am besten erfüllt. Eine Abschaffung von Bargeld würde die Konsumentensouveränität verletzen, also die freie Wahl der Bürgerinnen und Bürger über ihre Zahlungsinstrumente. Diese Forderung ist daher schon aus ordnungspolitischen Gründen abzulehnen. Schon Dostojewski sagte 1861: "Geld bedeutet doch geprägte Freiheit".

Letztlich sprechen die Zahlen auch für sich: Der Wert der vom Eurosystem emittierten Banknoten übersteigt seit Dezember 2014 den Wert von einer Billion Euro. Auch was das Bezahlverhalten am Point-of-Sale betrifft, hat Bargeld in Deutschland nach wie vor die Nase vorn, wie unsere Studie zum Zahlungsverhalten ergeben hat. Bargeld wird immer noch für fast 80 Prozent aller Transaktionen genutzt, allerdings gegenüber der vergangenen Studie aus dem Jahr 2011 mit leicht gesunkener Tendenz. Der wertmäßige Bargeldanteil ist konstant geblieben und beläuft sich mit 53 Prozent auf mehr als die Hälfte der verausgabten Beträge. Auch der Bargeldbestand im Portmonee liegt im Vergleich beider Erhebungen unverändert bei 103 Euro. Diese geringe Dynamik mag auf den ersten Blick unspektakulär erscheinen, sie zeigt jedoch relativ stabile Vorlieben der Bürgerinnen und Bürger im Umgang mit Zahlungsinstrumenten.

Doch auch wenn die Bevölkerung hierzulande nur wenig Bereitschaft zu Experimenten zeigt: In kleinen Schritten vollziehen sich durchaus Veränderungen im Zahlungsverhalten. Mittlerweile besitzt fast jeder Erwachsene eine girocard – auch noch als EC-Karte bekannt –, mit der inzwischen annähernd 30 Prozent der Umsätze am Point-of-Sale bezahlt werden; 2011 waren es noch rund 28 Prozent. Die girocard hat das Bargeld für Zahlungen zwischen 50 und 100 Euro als beliebtestes Zahlungsinstrument abgelöst.

Auch Internetbezahlverfahren wie PayPal werden immer häufiger genutzt, da die Verbraucherinnen und Verbraucher Waren und Dienstleistungen vermehrt online einkaufen. Gemäß unserer Studie zum Zahlungsverhalten haben mittlerweile schon fast zwei Drittel der Befragten im Internet eingekauft. Rund ein Zehntel des Einzelhandelsumsatzes in Deutschland wird bereits im E-Commerce abgewickelt. Auf diese Weise schlagen Änderungen im Einkaufsverhalten automatisch auf das Zahlungsverhalten durch, da die Barzahlung von Internetbestellungen ein Nischendasein führt. Auch mobile und kontaktlose Zahlverfahren werden immer bekannter, allerdings noch selten genutzt. Insbesondere die junge Bevölkerung ist offen für mobile und kontaktlose Bezahlverfahren. Das Smartphone ist für junge Leute ein selbstverständlicher Begleiter. Da liegt der Gedanke nahe, auch mit dem Smartphone zu bezahlen. Es mangelt jedoch noch an flächendeckenden Einsatzmöglichkeiten. So sind beispielsweise erst rund zehn Prozent der Terminals im deutschen Einzelhandel in der Lage, kontaktlose Zahlungen mit der Karte oder dem Smartphone zu akzeptieren. Viele Menschen sehen zudem keinen Bedarf oder haben subjektive Sicherheitsbedenken gegenüber ihnen noch nicht vertrauten neuartigen Bezahlverfahren.

Gerade die wahrgenommene Sicherheit ist ein wesentliches Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen bestimmte Zahlungsinstrumente. Das hat schon unsere erste Studie zum Zahlungsverhalten ergeben. Falschgeld, Skimming, Phishing und Kreditkartenbetrug sind nur einige der Schlagworte, die im Zusammenhang mit der Sicherheit von Bezahlvorgängen für die Menschen relevant sind.

Was das Falschgeld betrifft, bietet die Bundesbank beispielsweise unentgeltlich Schulungen, Informationsmaterialien und Lernprogramme mit dem Ziel der Falschgeldprävention an. Auch die starke Einbindung der Bundesbank in den Bargeldkreislauf sowie die Inverkehrgabe neuer Banknotenserien dienen unter anderem diesem Ziel. Bei der Einführung der neuen 5- und 10-Euro-Banknoten haben wir im Übrigen die Erfahrung gemacht, dass die alten Banknoten, die im Bargeldkreislauf zirkulieren, schnell durch die neuen Banknoten ersetzt wurden. Nicht mal drei Monate nach Erstausgabe wurden bereits mehr neue als alte Scheine bei der Bundesbank eingezahlt. Gleichwohl ist hinsichtlich des Falschgelds festzuhalten, dass die Schadenssumme – die in Deutschland im Jahr 2014 bei 3,3 Mio. Euro lag – nur einen Bruchteil der Schäden ausmacht, die durch Kartenbetrug entstehen.

Auch im bargeldlosen Zahlungsverkehr ist die Bundesbank in die Entwicklung harmonisierter europäischer Mindeststandards zur Erhöhung der Sicherheit eingebunden, beispielsweise im Forum on the Security of Retail Payments. Das Forum hat unter anderem Sicherheitsempfehlungen für Internetzahlungen erarbeitet. Insgesamt dürfte die Arbeit des Forums zu einem höheren Maß an Sicherheit im Massenzahlungsverkehr beitragen.

Neben den Einsatzmöglichkeiten und der Sicherheit spielen natürlich auch die Kosten eine wichtige Rolle im Zahlungsverkehr. Denn Zahlungsverkehr gibt es nicht zum Nulltarif. Doch was für eine Partei einen Aufwand darstellt, ist für eine andere Partei ein Ertrag. Daher divergieren auch immer die Interessen der verschiedenen am Zahlungsverkehr Beteiligten. Letztlich müssen die Endverbraucher die Kosten des Zahlungsverkehrs tragen, da die übrigen Akteure diese in ihrer Preiskalkulation berücksichtigen und weitergeben. Ob nun Scheine und Münzen oder bargeldlose Zahlungsinstrumente aus gesamtwirtschaftlicher Sicht günstiger sind, lässt sich nur äußerst schwer quantifizieren. Die Forschung ist hier bislang zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Sicher ist lediglich, dass die Bereitschaft der Verbraucherinnen und Verbraucher, für Zahlungsdienste zu zahlen, äußerst gering ist. Mit Blick auf neue Angebote im Zahlungsverkehr müssen diese für die Nutzer also entweder sehr kostengünstig sein oder einen besonderen Nutzengewinn gegenüber bestehenden Angeboten erbringen, um auch verwendet zu werden. Aus Sicht des Handels gehört im Übrigen gerade das oft als teuer beschriebene Bargeld zu den preiswerteren Zahlungsinstrumenten.

Bargeld ist aber nicht nur unter Kostengesichtspunkten positiv zu bewerten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen am Bargeld auch die Möglichkeit zur Ausgabenkontrolle, das einfache Handling oder den Schutz der Privatsphäre. Daher wird Bargeld auch zukünftig eine wichtige Rolle im Zahlungsmittelportfolio spielen.

Gleichwohl gehen wir mittelfristig davon aus, dass der Barzahlungsanteil am Point-of-Sale unter die 50-Prozent-Marke rutschen wird, da unbare Zahlungsinstrumente langsam, aber kontinuierlich an Boden gewinnen. Das betrifft nicht nur die mobilen und kontaktlosen Verfahren sowie Internetzahlverfahren. Auch die ganz normalen Debitkartenzahlungen nehmen zu. 

Wie sieht also die Zukunft des Bezahlens aus? Meiner Meinung nach bunt und vielfältig. Früher konnte man fast nur bar zahlen, heutzutage gibt es zusätzlich noch eine Fülle an Karten – bis hin zu vorausbezahlten oder kontaktlosen Karten. Außerdem bieten Smartphone- oder E-Mail-basierte Verfahren neue Zugangswege zu altbekannten Bezahlverfahren. Jeder sollte bezahlen können, wie er will. Die Bundesbank ist in dieser Frage neutral und macht den Bürgerinnen und Bürgern keine Vorschriften.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!