Die Hochschule der Deutschen Bundesbank – Aufgaben und Entwicklungslinien Einführungsrede anlässlich des Vortrags von Herrn Yves Mersch, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, an der Hochschule der Deutschen Bundesbank in Hachenburg am 27. Juni
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrter Herr Mersch,
Herr Professor Keller,
Herr Dr. Fehr,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
es ist mir heute eine besondere Ehre, Sie Herr Mersch, als Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank an der Hochschule der Deutschen Bundesbank begrüßen zu dürfen. Dass ich mich als zuständiges Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank anlässlich Ihres Besuchs ebenfalls auf den weiten Weg nach Hachenburg gemacht habe, versteht sich von selbst.
Lieber Herr Mersch: Sie waren von 1998 bis 2012 Präsident der Zentralbank von Luxemburg, sind seit seiner Gründung Mitglied des EZB-Rats. Sie sind seit Dezember 2012 Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank (EZB). Sie haben die Geschicke der EZB sozusagen von der Wiege an begleitet und sind damit nicht nur ein führender Repräsentant des Europäischen Systems der Zentralbanken, sondern aufgrund ihrer langjährigen Zugehörigkeit zum Führungszirkel gleichzeitig auch ein intimer Kenner der Wirtschafts- und Währungsunion.
In ihrer jetzigen Funktion sind Sie insbesondere für die Einführung der einheitlichen Bankenaufsicht (SSM) im Rahmen der europäischen Bankenunion zuständig, eines der wichtigsten Projekte in der Historie der EZB! Wir haben uns im Vorstand entschieden, den Aufbau des SSM von Seiten der Bundesbank nicht nur fachlich intensiv, sondern vor allem auch personell breit zu unterstützen, ungeachtet etwaiger personeller Engpässe in unserer eigenen Organisation. Beschäftigte der Bundesbank können für Stellen im Rahmen des SSM beispielsweise bis zu fünf Jahre beurlaubt werden. Sie können also bei Ihrer Aufbauarbeit auf die Bundesbank zählen.
Entscheidend für die nächsten Jahre wird aber sein, dass wir für die Bankenaufsicht auf nationaler wie europäischer Ebene genügend qualifizierte Nachwuchskräfte gewinnen können. Gerade deshalb ist Ihr Besuch an der Kaderschmiede der Bundesbank ein wichtiges Zeichen. Unsere Hochschule bildet den Nachwuchs der Deutschen Bundesbank und der BaFin im gehobenen Dienst aus, also das "Mittlere Management" der beiden Institutionen. Mit insgesamt gut 3.000 Absolventinnen und Absolventen seit ihrer Gründung im Jahr 1980 ist die Hochschule DIE zentrale Nachwuchsschmiede der Bundesbank. Das Thema Bankenaufsicht macht neben Geldpolitik, Zahlungsverkehr und Finanzstabilität einen beträchtlichen Teil des Lehrveranstaltungsangebots aus. Jährlich übernimmt die Bundesbank ungefähr 110 und die BaFin circa 15 Absolventen aus Hachenburg.
Es mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen, dass wir eine eigene Hochschule für unseren Nachwuchs haben. Für uns ist dies aber Verpflichtung und Aufgabe zugleich, denn für die teilweise hoch spezialisierten Aufgaben brauchen wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sehr spezifisch ausgebildet sind. Am Markt lassen sich dafür kaum junge Kräfte finden, die sich zum Beispiel gut in den Bereichen Zahlungsverkehr, Finanzstabilität oder Bankenaufsicht auskennen. Viele der zentralbanktypischen Themen sucht man an deutschen Hochschulen vergeblich. Umso weniger verwundert es daher, dass sich auf der Payroll der EZB nicht wenige Hachenburger, zum Teil auch schon in Spitzenpositionen, finden. In der Bundesbank haben es "Hachenburger" zwar noch nicht in den Vorstand, wohl aber auf die höchste Management-Ebene unterhalb des Vorstands geschafft und sind heute Zentralbereichsleiter oder Hauptverwaltungspräsidenten. Der Rektor dieser Hochschule, heute "Professor Dr. Dr. h. c.", war hier selbst einst Student.
Liebe Studierende, Sie sehen, Ihnen stehen alle Wege offen!
Damit das so bleibt und die Hochschule in der Zentralbank-Community auch weiterhin einen klingenden Namen hat, hat der Vorstand der Deutschen Bundesbank in den letzten zwei Jahren auf meine Initiative hin eine ganze Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Reputation, den Personalkörper sowie die Infrastruktur zu stärken:
Zum 1. April 2011 haben wir den bisherigen Diplom- auf einen zeitgemäßen Bachelorstudiengang umgestellt. Davon versprechen wir uns fühlbare Vorteile bei der Rekrutierung guter Nachwuchskräfte. Der Wettbewerb um herausragende Abiturientinnen und Abiturienten nimmt infolge des Geburtenrückgangs zu, und Bachelorstudiengänge gelten bei den Schulabgängern durchgehend als moderner, internationaler und attraktiver.
Wir haben durch die stärkere Akzentuierung von aktivierenden Lehr- und Prüfungsformen die Motivation und Praxistauglichkeit der Absolventinnen und Absolventen gesteigert.
Ein besonderes Highlight für unsere Bachelor-Studierenden ist jetzt die Möglichkeit eines 1 ½-monatigen Praxisaufenthalts bei ausländischen Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. In diesem Zusammenhang möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen, Herr Mersch, dafür zu bedanken, dass die Zentralbank von Luxemburg noch unter Ihrer Ägide zwei Praktikumsplätze für Studierende dieser Hochschule bereitgestellt hat. Darüber hinaus können Studierende dieser Hochschule auch in der EZB, in neun weiteren Zentralbanken inner- und außerhalb des Eurosystems sowie in einigen europäischen Bank- und Finanzaufsichtsbehörden ihre Praxismodule ableisten.
Der Vorstand der Bank hat bei seiner Entscheidung zur Bachelorumstellung auch Reputationsargumente angeführt: Die Bundesbank als Mitglied des Europäischen Systems der Zentralbanken sollte ihre Hochschule nicht vom Bologna-Prozess und dem gemeinsamen EU-Hochschulraum ausschließen. Ein "Bachelor of Central Banking", dessen Inhalte zu ungefähr einem Viertel auf Englisch unterrichtet werden, ist zudem für andere Zentralbanken im Eurosystem sowie für die EZB weitaus interessanter als ein rein deutscher Abschluss als "Diplom-Betriebswirt (FH)
Eine Hochschule soll jedoch nicht nur für Studierende, sondern auch für Lehrende attraktiv sein. Der Vorstand der Deutschen Bundesbank hat in Bezug auf die Lehrenden in jüngster Zeit eine ganze Menge bewegt. An erster Stelle möchte ich hier die Verleihung des Professorentitels an Hauptamtliche Lehrkräfte mit Promotion oder promotionsgleichen Publikationen nennen. Sicher ein wichtiger Anreiz.
Die Attraktivität der Hochschule wurde ferner durch eine Aufstockung des hauptamtlichen Lehrpersonals erhöht. Der Vorstand hat 2012 die Stellenzahl von derzeit 15 auf 17 Stellen aufgestockt, um die Qualität der Lehre und die Forschungsmöglichkeiten zu stärken. Außerdem hat die Bank diese Institution vor einem Jahr von "Fachhochschule" in "Hochschule der Deutschen Bundesbank" umbenannt.
Zuletzt habe ich mich dafür eingesetzt, die bereits bestehenden weltweiten internationalen Beziehungen der Hochschule noch auszuweiten. So war es mir ein wichtiges Anliegen, während eines Besuchs beim Vorstand der russischen Zentralbank im Sommer 2011 einen gegenseitigen Austausch mit Studierenden der Moscow Banking School der russischen Zentralbank anzustoßen. Mittlerweile läuft dieser Austausch. Ein solch gegenseitiger Austausch soll für das kommende Jahr auch mit der Hochschule der chinesischen Zentralbank in Peking ins Auge gefasst werden. Die Bundesbank-Hochschule ist also international unterwegs.
Weil es in diese Zeit passt, habe ich jüngst auch einen Dialog über Fragen der Moral und Ethik in Banken und Wirtschaft angestoßen. Konkret wollen wir das Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts- und Gesellschaftsethik der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt für einen Austausch gewinnen. Die am Nell-Breuning-Institut entwickelte Ethik der Finanzmärkte geht von der Überzeugung aus, dass die Finanzwirtschaft zuerst einmal daran gemessen werden muss, ob sie ihre – für die Gesamtwirtschaft wichtigen – Aufgaben erfüllt. "Finance" ist nach Auffassung des Instituts nämlich kein Selbstzweck – und hat sich doch in den letzten Jahrzehnten zunehmend von der "realwirtschaftlichen" Leistungserstellung entkoppelt und ist immer mehr zu einem eigenständigen System der Geldvermehrung geworden.
Ich bin überzeugt, dass es sich für unsere Studierenden lohnt, sich auch mit solchen übergreifenden Fragen zu beschäftigen. Denn gerade wir Zentralbanker tragen schließlich eine hohe gesellschaftliche und moralische Verantwortung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich bin mir sicher, dass uns die spannenden Themen nicht ausgehen und in der kommenden Dekade viele Hachenburg-Absolventinnen und
-Absolventen am Projekt der europäischen Bankenunion, vor allem dem SSM, mitarbeiten werden. Denn die hier in Hachenburg vermittelten Kenntnisse sind nicht nur für Bundesbank und BaFin, sondern auch für die EZB besonders wertvoll.
Die Grundlinien dieser einheitlichen Bankenaufsicht sind mittlerweile weitgehend geklärt. Allerdings sind viele Detailfragen noch in der Abstimmung. Insofern sind wir alle – lieber Herr Mersch – sehr gespannt auf Ihre Ausführungen und bedanken uns schon jetzt dafür, dass Sie unsere Hochschule mit Ihrem Vortrag zu diesem topaktuellen Thema beehren.
Wir wünschen Ihnen zudem viel Glück und Erfolg bei der Bewältigung der vor Ihnen liegenden großen Aufgaben.