Die Bedeutung der Forschung und der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft für die Bundesbank Rede beim Neujahrsempfang des House of Finance

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

2025 – Das wird ein spannendes und herausforderndes Jahr!

Vor zwei Wochen noch vor der Amtseinführung habe ich in Washington D.C. an einem Austausch zwischen internationalen Zentralbankern und Forschern teilgenommen. Dort haben die Auswirkungen möglicher Politikveränderungen in den USA auf die Weltwirtschaft großen Raum eingenommen.

Gerade in diesen herausfordernden Zeiten ist es mir eine Ehre und Freude hier im House of Finance zur Bedeutung der Forschung und der Zusammenarbeit mit der Wissenschaft für die Bundesbank zu sprechen.

Ich fühle mich der Goethe-Universität sehr verbunden, da ich einen Master-Level Kurs im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften zu Politikmaßnahmen zur Unterstützung wirtschaftlicher Transformationsprozesse anbiete. Im Vorstand der Bundesbank verantworte ich das Forschungszentrum, den Zentralbereich Daten und Statistik, das Risiko-Controlling und die IT. 

Heute möchte ich mit Ihnen anhand folgender drei Hauptfragen diskutieren:

  1. Was sind die wichtigen Themen für die Forschung in der Bundesbank?

  2. Wie arbeiten Bundesbank und Universitäten, insbesondere Goethe-Universität und House of Finance, in der Forschung zusammen? Wie profitieren sie voneinander?

  3. Wie kann es mit der Kooperation weitergehen?

2 Wichtige Themen in der Forschung in der Bundesbank

Lassen Sie mich mit den Themen starten, die durch unser geopolitisches Umfeld geprägt werden.

Hier stellen sich unter anderem die folgenden Fragen:

  • Wie ist es um die Unabhängigkeit von Zentralbanken bestellt? Wie entwickelt sich das? 

  • In welchem Ausmaß werden die Finanzmärkte Haushaltsdefizite mit steigenden Langfristzinsen bestrafen? 

  • Steigen die langfristigen Inflationserwartungen?

Die geld- und fiskalpolitische Interaktion ist ein bereits recht gut untersuchtes Forschungsthema.

Auch eine aktuelle Kooperation zwischen Forschungszentrum und Goethe-Universität befasst sich mit diesem Thema.

Martin Kliem und Alex Meyer-Gohde (Goethe-Universität) untersuchen in ihrem Projekt „Fiscal Policy and Risk Premia“ den Zusammenhang zwischen Fiskalpolitik, insbesondere Staatsschulden, und dem Anleihenmarkt.

Ganz zentral sind natürlich auch die Forschungsfragen rund um unser geldpolitisches Mandat. Ich möchte Ihnen einige Beispiele für laufende Arbeiten nennen:

  • Greenflation“: Welche Rolle spielen physische Klimarisiken und die Klimapolitik für die Inflation? Handelt es sich bei physischen Klimarisiken nur um Angebotsschocks, durch die die Zentralbank „hindurchschauen“ kann?

  • Welche Möglichkeiten gibt es, Inflationserwartungen mit Zentralbankkommunikation zu beeinflussen? Ergebnisse von randomisierten Experimenten mit unseren Befragungsdaten des Bundesbank-Online-Panels (BOP) zeigen, dass Informationen zu Inflationsprognosen der Zentralbank die tendenziell nach oben verzerrten Inflationserwartungsbildung der Haushalte stabilisieren. Die Forschung zeigt auch, dass Kommunikation in verbaler oder bildlicher Form stärker die Erwartungsbildung beeinflusst als sehr zahlenlastige Kommunikation.

Neben der Geldpolitik nimmt die Bundesbank auch finanzstabilitäts- und bankaufsichtliche Mandate wahr. 

Unter dem Titel „Future of Finance“ haben wir eine ganze Reihe von relevanten Forschungsfragen zusammengefasst. Auf diese wollen wir uns zukünftig noch stärker fokussieren: 

  • Wie beeinflussen geopolitische Fragmentierung und technologische Fortschritte die internationale Finanzarchitektur, Kapitalflüsse und die Instrumente des Finanzsystems?

  • Wie wirken sich strukturelle Veränderungen im Finanzsektor, z. B. durch immer wichtiger werdende Nichtbankfinanzintermediäre (NBFIs), auf die Weitergabe geldpolitischer Impulse aus? Wie entwickelt sich die Marktstruktur bei digitalen Kundenzahlungssystemen? Welche Rolle wird der digitale Euro spielen? 

  • Wie sieht die Zukunft des Bezahlens aus: Welche Rolle wird der digitale Euro spielen? Werden Krypto-Token eine Rolle spielen? Wie können Zentralbanken diesen Wandel mitgestalten? 

Sie sehen, aus der aktuellen Lage, aus dem geldpolitischen Mandat und darüber hinaus ergeben sich viele Themen, bei denen wir für kluge Antworten auf Forschung angewiesen sind. 

Die Vielfalt der Fragen macht deutlich: Das geht nur in Kooperation mit der Wissenschaft und Universitäten. Hiermit komme ich zur zweiten Frage.

3 Wie arbeiten Bundesbank und Universitäten in der Forschung zusammen? Wie profitieren sie voneinander?

Die Beziehung zwischen der Bundesbank und Universitäten ist beidseitig, ich fange damit an, wie die Bundesbank von der Forschung profitiert.

Die Forschung ist essenziell für die Erfüllung der Aufgaben der Bundesbank: Hier geht es darum, evidenzbasierte politische Entscheidungen zu treffen.

Wie bereits dargelegt, stellen sich uns als Bundesbank sehr viele fachliche Fragen. Es gilt komplexe Zusammenhänge zu verstehen, zu quantifizieren und Politikentscheidungen vorzubereiten.

Die Bundesbank kann dieses Wissen nicht allein aufbauen, sondern muss externe Forschungsergebnisse und –expertise nutzen und Kooperationen mit Universitäten eingehen. 

Die Begründung politischer Positionen erfolgt mithilfe wissenschaftlicher Argumente, was die Glaubwürdigkeit der Bundesbank erhöht. Dies geschieht auf verschiedenen Wegen:

  • Wissenschaftliche Ergebnisse verbessern Analysen als Entscheidungsgrundlage und verschaffen der Bundesbank Gehör und Gewicht in Gremien z. B. im Eurosystem
  • Forschungsergebnisse fließen in die Kommunikation ein, z. B. in Reden von Vorstandsmitgliedern, in Bundesbankpublikationen (Monatsberichte, Finanzstabilitätsberichte)

Hierzu möchte ich zwei Beispiele anführen: Die Forschungsergebnisse zum Themenfeld Inflationserwartungen sind in die Strategieüberprüfung des Europäischen Systems der Zentralbanken eingegangen. Weiterhin werden aus Forschungsprojekten entwickelte ökonometrische Modelle regelmäßig zur Abschätzung der Bandbreite des neutralen Zinses verwendet.

Erlauben Sie mir im Folgenden auch darzustellen, mit welchen Angeboten die Bundesbank die Forschung an Universitäten unterstützt.

Das Forschungsdaten- und Servicezentrum (FDSZ) im Zentralbereich Daten und Statistik der Bundesbank ermöglicht einen standardisierten Zugang zu Mikrodaten für Forschungsvorhaben.

Forschenden wird ein regelrechter „Schatz“ an granularen Forschungsdaten zu Firmen, Haushalten, Banken und Wertpapieren angeboten.

Dies sind zum Beispiel die Gewinn- und Verlustrechnung der Banken (GuV), die Statistik über Wertpapierinvestments (SHS-Base plus) und Jahresabschlüsse nichtfinanzieller Unternehmen (JANIS).

Zudem erhebt die Bundesbank eigene Befragungsdaten wie das Bundesbank Online Panel – Firms (BOP-F) und das Bundesbank Online Panel – Households (BOP-HH).

Es wird aktuell an neuen Datenangeboten gearbeitet, zum Beispiel CITID, der Combined International Trade and Investment Data, Arbeitsmarktdaten vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sowie Daten zur Nachhaltigkeit im Finanzsystem.

Als weitere Dienstleistung für Forschende ermöglicht das Forschungsdaten- und Servicezentrum auch das Verknüpfen von Mikrodaten.

Neben dem Zugang zu Mikrodaten der Bundesbank können Forschende auch vom regelmäßigen Austausch mit der Bundesbank bei der Suche nach politikrelevanten Themen für die akademische Forschung profitieren.

Zwischen Bundesbank und Goethe-Universität, House of Finance, dem Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und anderen Forschungseinrichtungen bestehen vielfältige Kooperationen:

  • Es gibt zahlreiche gemeinsame Forschungsprojekte, die vielfach auch zu Forschungspublikationen in angesehenen Fachjournalen geführt haben.

  • Eine Reihe von Mitarbeitern der Bundesbank waren vorher an der Goethe-Universität tätig.

  • Es bestehen zudem Synergien in der Ausbildung: Forschungsassistenten im Forschungszentrum der Bundesbank promovieren gleichzeitig an der Goethe-Universität.

  • Forschungsprofessoren der Universität beraten Forschende in der Bundesbank und arbeiten an gemeinsamen Forschungsprojekten: Prof. Tobias Berg, Prof. Nicola Fuchs-Schündeln (WZB und Goethe-Universität, auch Mitglied des Forschungsbeirats im Forschungszentrum), Prof. Rainer Haselmann.

  • Es werden auch regelmäßig gemeinsam Veranstaltungen organisiert, zum Beispiel die “2024 Conference on Regulating Financial Markets”, das “2024 Frankfurt Macro Seminar” oder der “11th Asset Pricing Workshop”.

  • Im vergangenem Jahr fand auch erstmals die “Frankfurt Summer School” statt. Sie wurde von der Deutschen Bundesbank, dem Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE, dem House of Finance und dem Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) organisiert und im Tagungszentrum der Bundesbank in Eltville am Rhein abgehalten.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass zwischen Bundesbank und Goethe-Universität, House of Finance, dem Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE und vielen anderen Forschungseinrichtungen eine rege Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen zu vielen Themen besteht. Ich bin überzeugt, das ist für beide Seiten fruchtbar!

4 Wie kann es mit der Kooperation weitergehen?

Auch künftig sollen viele weitere Veranstaltungen stattfinden:

  • Die gemeinsame Summer School findet auch 2025 statt, wiederum im Tagungszentrum der Bundesbank in Eltville.

  • Auch das „Frankfurt Macro Seminar“ und die „Conference on Regulating Financial Markets“ finden 2025 wieder in Kooperation statt.

  • Im Jahr 2026 ist eine gemeinsame Konferenz im Rahmen des „CEPR Network on Household Finance“ von Prof. Michael Haliassos (Goethe-Universität) in Kooperation mit dem Forschungszentrum der Bundesbank geplant.

Die Bundesbank und die Goethe-Universität erfüllen mit der Erarbeitung von vertrauenswürdigen Forschungsergebnissen als evidenzbasierte Unterstützung politischer Entscheidungen eine wesentliche gesellschaftliche Aufgabe!

Dies ist wichtiger denn je in Zeiten zunehmender Bedeutung von Populismus, von „Fake News“ und Meinungsblasen.

Hier können weitere Kooperationen auf einem hervorragenden Fundament entstehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!