Deutschland, Europa und der Euro Eröffnung der Ausstellung "Das neue Gesicht des Euro" im Friedenssaal des Rathauses Osnabrück
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Einleitung
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Wolfgang Griesert,
lieber Yves Mersch,
lieber Frank Elderson,
lieber Herr Dr. André Berghegger als Vertreter des Deutschen Bundestages,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
als wir die Ausstellung "Das neue Gesicht des Euro" planten, wussten wir noch nicht um die heutige Aktualität des Themas.
Am Donnerstag hat der EZB-Rat den großangelegten Ankauf von Staatsanleihen beschlossen, heute wird in Griechenland ein neues Parlament gewählt – und der Euro wird überall diskutiert.
Diese Ausstellung will erklären und aufklären und deshalb ist diese Ausstellung aktuell und passt in diese Zeit.
Vor über 350 Jahren wurden an diesem Ort im Friedenssaal der Stadt Osnabrück europäische Weichen gestellt. Nach Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen um Religion, Vormachtstellung und Durchsetzung territorialer Ansprüche begann ein vierjähriges diplomatisches Ringen. Es kam fast alles zu einem guten Ende: Der in Osnabrück und Münster 1648 geschlossene Westfälische Friede beendete die Schrecken des Dreißigjährigen Krieges.
Warum dieser historische Exkurs bei der Eröffnung einer Euro-Ausstellung, bei der es beim Bargeld um Hightech-Produkte des 21. Jahrhunderts geht? Westfälischer Friede und Euro haben mehr gemein, als auf den ersten Blick erkennbar ist.
1648 wurde in Münster und Osnabrück ein christlicher, allgemeiner und immerwährender Friede, begleitet von immerwährendem Vergessen und Vergeben geschlossen. Ein friedliches Miteinander wurde als zielführend anerkannt.
1999 wurde der Euro zunächst als Buchgeld, 2002 dann auch als Bargeld eingeführt. Zunächst gaben elf europäische Staaten damit ihre nationalen Währungen auf. Auch hier wurde ein friedliches Miteinander als zielführend anerkannt.
Ein rational betrachtet vernünftiger Entschluss – zeigt doch die universale Geldgeschichte, dass Zusammenschlüsse und erst recht Währungsvereinheitlichungen stets von Vorteil waren.
Darüber darf aber nicht vergessen werden, wie immens bedeutend das psychologische Moment in derartigen Prozessen ist: Seit dem Beginn der Münzprägung im siebten Jahrhundert vor Christus war das Münzrecht – später dann auch das Notenmonopol – ein eifersüchtig beanspruchtes und wo nötig auch durchgesetztes Souveränitätsrecht. Der gemeinsame freiwillige Verzicht mehrerer europäischer Staaten auf die Wahrnehmung dieses Rechts bedeutet die Aufgabe angestammter Hoheitsgewalt zugunsten eines als höher anerkannten Ziels. Die einheitliche Währung bildet zunächst die wirtschaftliche Klammer, der dann das politische Zusammenwachsen folgen soll.
Das Euro-Bargeld ist die alles mit jedem verbindende dingliche Substanz in einer sich ständig vergrößernden Eurozone.
2 Vom Westfälischen Frieden 1648 bis zur Reichsgründung 1871 (unter Währungsaspekten)
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
Oberbürgermeister Griesert hat einleitend schon Einiges zum Westfälischen Frieden vor über 350 Jahren gesagt. Das ausgehandelte Vertragswerk beendete den blutigen Dreißigjährigen Krieg in Europa und etablierte eine neue Friedensordnung auf dem Kontinent.
Den Deutschen brachte es eine neue, föderal geprägte Verfassung. Im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gingen aus dem Westfälischen Frieden gut 300 souveräne Kleinstaaten hervor. Die damit verbundene föderale Tradition prägt Deutschland auch heute noch. Und diese föderale Tradition prägt auch heute die Europäische Währungsunion.
In diesem Flickenteppich deutscher Kleinstaaten herrschte damals ein regelrechtes Geldchaos. Jeder Herrscher und zum Teil auch die Städte durften eigene Münzen prägen.
Nehmen wir die Stadt Osnabrück als Beispiel: Im Mittelalter wurden fremde Münzsorten meist gegengestempelt. Erst ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts prägten die Bischöfe wieder selbst Münzen, Weißpfennige und Goldgulden, ab dem 16. Jahrhundert auch silberne Guldengroschen. Zusätzlich gab es ab 1566 städtische Kupfermünzen.
Zwischen den heimischen und verschiedenen fremden Münzen und Währungen, die in der Stadt umliefen, musste damals aufwändig hin- und hergerechnet und getauscht werden.
Ein Schritt hin zu einer stärkeren innerdeutschen Integration wurde erst fast zweihundert Jahre nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges vollzogen, und zwar mit der Gründung des Zollvereins im Jahr 1834. Es entstand ein deutscher Binnenmarkt, und das Durcheinander an Währungssystemen und Geldsorten sollte durch zwei Münzverträge abgemildert werden.
Aber erst die Einführung der Mark im Zuge der Reichsgründung von 1871 konnte das mittelalterliche Geldchaos wirklich beenden.
3 Der Weg zu einer europäischen Gemeinschaftswährung
Auch die europäische Einigung begann nach dem Zweiten Weltkrieg mit Schritten hin zu einer vertieften wirtschaftlichen Integration, und mündete zunächst in den europäischen Binnenmarkt.
Das beherrschende Motiv hinter der stärkeren europäischen Integration war sicher die innereuropäische Friedenssicherung, die sich die westeuropäischen Staaten nach dem unermesslichen Leid zweier Weltkriege wünschten.
Aber schon früh reifte die politische Absicht, die wirtschaftliche Integration in Europa durch eine gemeinsame stabile Währung zu fördern. Mit Gründung der Europäischen Währungsunion wurde schließlich ein großer Schritt hin zu einer tieferen Integration gemacht.
Mit der Einführung der Gemeinschaftswährung wurde die Vision eines geeinten Europas im Jahr 2002 – also dem Jahr, in dem die Euro-Banknoten und Münzen in Umlauf kamen – eine auch konkret mit den Händen zu (be-)
greifende Realität.
4 Die Währungsunion in der Krise: mögliche Auswege
Nach der Unterzeichnung des Maastricht-Vertrages startete die Währungsunion mit elf Gründungsstaaten. Inzwischen sind weitere acht Staaten dem Euro-Raum beigetreten, zuletzt Litauen am 1. Januar 2015.
Realität ist jedoch auch, dass die gemeinsame Währung seit etwa fünf Jahren einer anhaltenden Belastungsprobe ausgesetzt ist.
Die Währungsunion stellt bekanntlich eine einzigartige Konstruktion aus mittlerweile 19 nationalen, souveränen Finanz- und Haushaltspolitiken und einer gemeinsamen Geldpolitik dar.
Damit unterscheidet sich die Währungsunion von den meisten anderen Währungsräumen: In den USA gibt es eine einheitliche Währung und die amerikanischen Steuerzahler. Die gleiche Situation liegt in Japan und China vor. Im Euro-Raum gibt es eine gemeinsame Währungspolitik mit 19 unterschiedlichen Finanz- und Haushaltpolitiken und damit 19 unterschiedlichen nationalen Steuerzahlern.
Um diesen gemeinsamen Währungsraum stabil zu halten wurde ein einheitliches Regelwerk mit dem Maastricht-Vertrag erarbeitet. Jedes einzelne Land, welches den Euro-Raum gegründet hat oder ihm später beigetreten ist, hat in freier nationaler Souveränität durch seinen Beitritt entschieden, sich diesem Regelwerk zu unterwerfen.
Damit die gemeinsame Geldpolitik ungehindert von politischer Einflussnahme ihren Auftrag erfüllen kann, Preisstabilität im Euro-Raum zu gewährleisten, wurde dem Eurosystem eine weitreichende Unabhängigkeit gewährt.
Zur Sicherung dieser Unabhängigkeit wurde den Notenbanken des Eurosystems außerdem verboten, den Regierungen Kredit zu geben oder Staatsanleihen direkt zu erwerben.
Außerdem haben sich die Regierungen der Euro-Länder zu solider Haushaltspolitik verpflichtet, denn übermäßige öffentliche Verschuldung kann die Stabilität der gemeinsamen Währung gefährden.
Schließlich wurde auch festgelegt, dass kein Land für die Schulden der Gemeinschaft oder die eines anderen Mitgliedstaates haften soll. Das sollte die finanzpolitische Eigenverantwortung betonen. Diese Regeln sollen die Grundlage für solide Staatsfinanzen stellen.
Dieser Ordnungsrahmen hat sich jedoch als anfällig erwiesen. Mit zahlreichen Maßnahmen haben die Euro-Staaten und das Eurosystem eine Eskalation der Krise verhindert. Die Euro-Staaten zeigten eine wechselseitige Solidarität in einer Art, die in der Geschichte Europas und überhaupt in den internationalen Beziehungen kein Vorbild kennt.
Mit diesen Maßnahmen wurden aber Elemente der Gemeinschaftshaftung eingeführt und damit das Gleichgewicht aus fiskalpolitischer Kontrolle und Haftung gestört.
Um die Währungsunion dauerhaft als Stabilitätsunion zu bewahren, müssen wir deshalb die Balance von Kontrolle und Haftung wieder herstellen.
Hierzu muss der bestehende Ordnungsrahmen der Währungsunion gehärtet und das Prinzip der Eigenverantwortung gestärkt werden. Um es mit den Worten von Walter Eucken zu sagen: "Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen."
Alle diese Maßnahmen können den gemeinsamen Währungsraum aber nur dauerhaft stabilisieren, wenn die Mitgliedstaaten gleichzeitig ihren Beitrag leisten, um wettbewerbliche Wirtschaftsstrukturen und solide Staatsfinanzen zu schaffen.
In jedem europäischen Krisenland sind die Ursachen und Probleme anders gelagert. In allen Fällen gilt aber, dass der Schlüssel zur Überwindung der Krise in den betroffenen Ländern selbst und nicht in der Geldpolitik liegt.
Zweifellos sind in den Krisenländern beträchtliche Anpassungsanstrengungen unternommen worden. Viele Länder sind bereits einen Gutteil der Wegstrecke gegangen.
Umso bedenklicher wäre es, wenn das Erreichte aufs Spiel gesetzt wird und Reformfortschritte zurückgedreht werden sollten.
5 Schluss
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Geld ist Vertrauen. Das dürfen die für seine Stabilität und Vertrauenswürdigkeit Verantwortlichen niemals vergessen. Und sie dürfen das ihnen von Millionen Menschen entgegengebrachte Vertrauen niemals enttäuschen. Es gilt, das gemeinsame Zahlungsmittel währungspolitisch, wirtschaftlich und nicht zuletzt natürlich auch physisch zu stärken. Genau um diesen letzten Punkt geht es hauptsächlich in der heute zu eröffnenden Ausstellung "Das neue Gesicht des Euro": um die Verbesserung der Euro-Banknoten durch neue Sicherheitsmerkmale.
Hier begegnet uns das Abbild einer jungen Frau: Europa, eine mythologische Figur aus der griechischen Antike. Als Namengeberin unseres Kontinents belegt ihr Bild nicht nur als schwer zu fälschendes Kopfwasserzeichen das Weißfeld der neuen Banknoten, sondern sie erscheint noch einmal im Hologramm auf der Vorderseite. Die Visualisierung des paneuropäischen Gedankens durch das Abbild einer jungen anmutigen Frau – kein allzu schlechter Wurf, möchte ich meinen.
Und wir haben endlich wieder ein Bildnis auf den Banknoten!
Eine mythologische Figur der griechischen Antike als Hightech-Sicherheitsmerkmal auf Banknoten des 21. Jahrhunderts: Alles durchdringt sich, Geschichte und Gegenwart sind miteinander verwoben. In den Scheinen der Europa-Serie wird das erste Gebot für alle autorisierten Geldmacher greifbar: Eine Banknote darf schön, muss aber sicher sein.
Die kämpfenden Parteien des Dreißigjährigen Krieges legten ihre Waffen nieder und führten durch Reden den Frieden herbei. Auch Währungen können Waffen sein. Die elf Gründungsmitglieder der Eurozone verzichteten auf deren zukünftigen Einsatz – eine ebenfalls durchaus friedenstiftende Maßnahme.
Und deshalb erfolgt der heutige Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Osnabrück unter folgendem Satz:
Nam concordia parvae res crescunt, discordia maximae dilabuntur
Denn durch Eintracht wachsen die kleinen Dinge, durch Uneinigkeit zerfallen die größten.
Spätestens jetzt sollte sich niemand mehr darüber wundern, warum diese Ausstellung in der Friedensstadt Osnabrück gezeigt wird.
Der Westfälische Friede als Blaupause für die Eurozone? Warum nicht!? In beiden Fällen ging und geht es um nichts Geringeres als um das Bemühen um ein friedliches Zusammenleben aller in Europa.
Vielen Dank.