Der EURO: Probleme und Perspektiven Jahreshauptversammlung des Bund Deutscher Vermögensberater

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich freue mich, heute auf der Mitgliederversammlung des Bundes Deutscher Vermögensberater zu Ihnen sprechen zu können.

Die Aufgabe der Vermögenberater besteht darin, die Bevölkerung zu unterstützen, die beste Form der Vermögensbildung zu finden. Für Sie ist es ein Geschäftsmodell – und für viele Bürger in Deutschland ist es eine wichtige Aufgabe angesichts der demografischen Entwicklung in unserem Lande - zusätzliche Vermögens- und Altersvorsorge zu betreiben. Deshalb ist Ihre Tätigkeit auch und gerade in diesem Zusammenhang zu sehen.

Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass die Vermögensbildung im derzeitigen Niedrigzinsumfeld schwieriger geworden ist und dass außerdem politische Unwägbarkeiten auf der Planbarkeit von Finanzentscheidungen lasten.

Blicken wir zurück, so stellen wir fest, dass die gewichtete reale Gesamtrendite aus allen Anlageformen zur Jahrtausendwende knapp über sieben Prozent erreichte. Selbst bei 2-jährigen deutschen Staatsanleihen konnte noch eine inflationsbereinigte Rendite von vier Prozent erzielt werden.

Mit Blick auf die Hausse an den Kapitalmärkten zur Jahrtausendwende kommentierte etwa Harald Schmidt gewohnt pointiert: "Es war die Zeit, in der 40 Prozent Zuwachs pro Monat beim Aktienkurs schlechte Laune machte" und "Bilanzen und Produkte interessierten niemanden."

Nun ist die Zeit damals sicher nicht repräsentativ für die Entwicklung der inflationsbereinigten Portfoliorendite. Aber im Mittel lag sie in den zurückliegenden 16 Jahren immerhin bei 2,1 %. Es gab in der Vergangenheit also Phasen, in denen es scheinbar auch ohne besondere Kapitalmarktexpertise möglich war, ordentliche Kapitalerträge zu erwirtschaften.

Der amerikanische Investor Warren Buffett prägte aber den Spruch: Erst bei Ebbe zeigt sich, wer ohne Badehose schwimmt.

Mit Blick auf die Realzinsen können wir derzeit durchaus von einer Ebbe sprechen.

Viele Anleger sind nun auch auf Sie angewiesen, damit ihre privaten Sparanstrengungen auch tatsächlich zu einem zweiten Standbein für ihre Altersversorgung werden. Aber klar ist: Zaubern können Sie nicht, zumal auch Ihre Kunden sicher wissen, dass höhere Erträge in aller Regel mit höheren Risiken einhergehen.

Nun ist für die Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Portfoliorendite neben der Geldpolitik vor allem auch die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend. Ich werde daher im Folgenden auf beide Aspekte eingehen. Darüber hinaus werde ich darlegen, dass Anpassungen am Ordnungsrahmen der Währungsunion notwendig sind, um einen Belastungsfaktor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland und Europa zu beseitigen und die Währungsunion als dauerhafte Stabilitätsunion zu sichern.

Denn auch wenn sich mittlerweile die wirtschaftliche Situation im gemeinsamen Währungsraum weiter erholt, steht der Euro-Raum noch vor großen Herausforderungen.

Bevor ich aber zur Wirtschafts- und Risikolage, zu den Maßnahmen zur Stärkung des Euro-Raums, zu den Gedanken "Haftung und Kontrolle", zur Geldpolitik sowie als zuständiges Vorstandsmitglied für den Bereich Rechnungswesen auf die Bilanzentwicklung der Bundesbank eingehe, möchte ich Ihnen aus zwei weiteren Bereichen meiner Tätigkeit berichten, den Bereichen Gold und Bargeld.

2 Gold

Dem Thema Gold in der Bundesbank kommt eine besondere Bedeutung zu: Mit einem Wert von knapp 120 Mrd. Euro machen die Goldreserven zum Jahresende 2016 fast 70 Prozent der Währungsreserven der Bundesbank aus.

Sie wissen, dass die Aufgabe der Deutschen Bundesbank nicht darin besteht, Gewinn zu erwirtschaften. Unser Auftrag besteht darin, die gemeinsame Währung stabil zu halten. Diese Aufgabe teilen wir uns mit allen anderen Notenbanken im Euro-Raum, denn mit der Einführung des Euro als gesetzlichem Zahlungsmittel in Deutschlang ging die Alleinverantwortung der Bundesbank für die Stabilität der D-Mark in eine Mitverantwortung für den Euro über.

Dieser Auftrag kann aber nur erfüllt werden, wenn die Bevölkerung Vertrauen in die Institutionen hat, die für die Stabilität der Währung zuständig sind. Und deshalb freut es uns, dass es in der Bevölkerung ein großes Vertrauen in die Aufgabenerfüllung durch die Deutsche Bundesbank gibt. Und hier bilden die Währungsreserven sicher einen von mehreren Vertrauensankern. Die Währungsreserven erlauben schließlich in Krisenzeiten eine gewisse Reaktionsmöglichkeit.

Die Deutsche Bundesbank ist für die Verwaltung der Währungsreserven und auch des Goldes zuständig. Es gibt ein großes öffentliches Interesse am Thema Gold. Um Vertrauen auch in diesem Bereich zu erhalten, haben wir in den vergangenen Jahren unsere Informationspolitik grundlegend geändert und sind viel transparenter in diesem Bereich geworden.

Die Fakten zu den deutschen Goldreserven sind schnell dargelegt: Es handelt sich mit 3.378 Tonnen um die zweitgrößten Reserven nach den USA. Die Goldreserven sind ab 1951 insbesondere durch den Ausgleich von Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands entstanden. Diese wurden damals mit Gold ausgeglichen.

Das Gold lagert bisher an vier Standorten: Frankfurt, Paris, London und New York. Bis in die 1990er Jahre lagerten nur zwei Prozent der deutschen Goldreserven in Frankfurt. Das war den damaligen geopolitischen Spannungen geschuldet. Das Gold wurde an den ausländischen Lagerorten belassen, an denen es im Zuge des Ausgleichs der Leistungsbilanzüberschüsse der Bundesbank zugegangen war.

Anfang 2013 hat die Bundesbank ein neues Lagerstellenkonzept vorgestellt. Dieses sieht vor, bis zum Jahr 2020 gut die Hälfte des deutschen Goldes auch in Deutschland zu lagern. Der Standort Paris wird aufgegeben, da Deutschland mit Frankreich in einer Währungsunion ist, und die Funktion der Goldreserven, in kürzester Zeit Gold in Fremdwährung zu tauschen, innerhalb der Währungsunion nicht möglich ist. Die Standorte London und New York werden beibehalten, weil London der größte Goldhandelsplatz der Welt ist und New York mit dem Dollar, der Handelsplatz mit der wichtigsten Reservewährung der Welt ist. Im September 2016 wurde der Goldtransport aus New York abgeschlossen. Zum Jahresende 2016 ist Frankfurt mit 1.619 Tonnen der größte Lagerort. In diesem Jahr wird auch die Verlagerung aus Paris beendet sein, sodass dann etwas mehr als die Hälfte des deutschen Goldes in Deutschland sind.

3 Bargeld

Nun möchte ich auf das Bargeld eingehen, das sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Viele Bürger haben die Sorge, dass das Bargeld abgeschafft werden könne, wie es von Einzelnen gefordert wird. Zur Verunsicherung trägt auch bei, dass die 500Euro-Banknote nicht mehr ausgegeben werden soll und auch in Deutschland Obergrenzen für das Bezahlen mit Bargeld gefordert werden.

In 35 Filialen in ganz Deutschland stellt die Bundesbank den Geschäftsbanken ausreichend Bargeld in hoher Qualität zur Verfügung. Die Banken geben es an Unternehmen und private Haushalte weiter – so gelangt das Bargeld in den Wirtschaftskreislauf. Handel und Verbraucher zahlen überschüssiges Bargeld wiederum bei den Geschäftsbanken ein. Diese behalten einen Teil für ihre Kassenbestände und für die Wiederauszahlung an Kunden. Das restliche Bargeld fließt zurück an die Bundesbank. Insgesamt werden in den Filialen im Jahr circa 15 Milliarden Banknoten bearbeitet, was in etwa einem Gewicht von 15.000 Tonnen entspricht – die in der Bundesbank grammweise bearbeitet werden.

Ich will Ihnen die Bedeutung des Bargeldes anhand von ein paar griffigen Zahlen illustrieren. Im Euro-Raum waren kurz nach der Euro-Bargeldeinführung Anfang 2002 Banknoten im Wert von 220 Mrd. Euro im Umlauf, Ende 2004 waren es schon 500 Mrd. Euro. Bis Ende 2014 stieg dieser Wert auf 1.000 Mrd. Euro an und Ende 2016 lag der Banknotenumlauf bei circa 1.126 Mrd. Euro. Die Bundesbank hat davon 592 Mrd. Euro ausgegeben. Wenn sich das gesamte ausgegebene Bargeld in den Portmonees von 83 Millionen Einwohnern befinden würde, müsste jeder Bürger in Deutschland mehr als 7.000 Euro im Geldbeutel haben. Haben Sie aber nicht – Sie können ja schnell bei sich selbst nachsehen. Das Geld ist aber da, denn es ist ja abgehoben worden.

Wir gehen davon aus, dass von dem ausgegebenen Geld circa zehn Prozent für Zahlungen an der Ladenkasse, dem so genannten "Point of Sale", genutzt werden. 20 Prozent werden im Inland gehortet, 20 Prozent im Euro-Ausland und 50 Prozent außerhalb des Euro-Raums. Ein wesentliches Motiv für die Nachfrage nach Euro-Banknoten aus dem Ausland dürfte sein, dass Anleger in Ländern mit hohen Inflationsraten ihre liquiden Mittel möglichst wertstabil und fungibel aufbewahren wollen. Dies tun sie im Wesentlichen in Dollar und in Euro. Dies erklärt auch die relativ konstante Zunahme des Euro- und des US-Dollar-Bargeldes um sechs bis acht Prozent pro Jahr.

Die Zahlen verdeutlichen, dass die Bedeutung des Bargelds nicht nur auf der Zahlungsmittelfunktion beruht. Es wird auch als Wertaufbewahrungsmittel innerhalb und außerhalb des Euro-Raums sehr geschätzt.

4 Wirtschaftslage

Beginnen möchte ich mit einer guten Nachricht: 2016 ist die Wirtschaft in allen Euro-Staaten mit Ausnahme von Griechenland gewachsen; die Wachstumsrate für den Euro-Raum lag bei 1,7 %. Damit nimmt die Wirtschaftsleistung schneller zu als die Produktionskapazitäten. Die Auslastung der Unternehmen steigt also. Erfreulich ist zudem, dass der Aufschwung immer mehr Wirtschaftszweige erreicht und damit an Breite gewinnt.

Davon profitiert auch der Arbeitsmarkt in vielen Euro-Ländern. Die Arbeitslosenquote für den gesamten Euro-Raum ist im Jahresverlauf 2016 um fast einen Prozentpunkt auf 9,6 % zurückgegangen. Damit hat sie den niedrigsten Stand seit 2009 erreicht und liegt nur noch einen Prozentpunkt über dem Durchschnitt der Vorkrisenjahre.

Die wirtschaftliche Erholung im Euro-Währungsgebiet wird sich fortsetzen. Für dieses und die beiden nächsten Jahre sagen die Experten der EZB ein recht stabiles Wachstum um rund 1,7 % voraus.

Mit dem robusten Aufschwung und der steigenden Beschäftigung wird auch der Preisauftrieb zunehmen. Nach der aktuellen März-Prognose steigt die Inflationsrate im Euro-Raum in diesem Jahr auf durchschnittlich 1,7 %.

Wie Sie wissen, beobachten Notenbanker die Preisentwicklung stets mit Argusaugen. Denn das Mandat der gemeinsamen Geldpolitik im Euro-Raum lautet schließlich Preisstabilität. Genauer gesagt: Der EZB-Rat strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von unter, aber nahe zwei Prozent an.

Nun ist die Inflationsrate im Euro-Raum in den vergangenen Monaten unter Schwankungen deutlich nach oben gegangen. Im April lag sie bei 1,9 %.

Ein Grund für den Anstieg ist, dass Lebensmittel heute teurer sind als vor einem Jahr. Hauptsächlich geht der Anstieg der Teuerung jedoch auf den höheren Ölpreis zurück. Öl ist knapp 14 % teurer als vor einem Jahr, das treibt die Inflationsrate nach oben.

Der Vorjahresabstand wird allerdings im Jahresverlauf weiter abnehmen und damit werden wir wohl auch wieder geringere Inflationsraten im Euro-Raum sehen.

Das liegt daran, dass der binnenwirtschaftliche Preisdruck, also der durch die Konjunktur- und insbesondere durch die Arbeitsmarktentwicklung im Euro-Raum getragene Preisauftrieb, gegenwärtig immer noch relativ gedämpft ist. So lag etwa die Kernrate, also die Inflationsrate ohne die besonders volatilen Komponenten Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel, zuletzt bei 1,2 %.

Den Prognosen der EZB-Experten zufolge wird aber auch die Kernrate allmählich zunehmen und die Inflationsrate im Jahr 2019 den Zielbereich von unter, aber nahe 2 % nachhaltig erreichen.

Sie sehen also, dass die derzeitige konjunkturelle Lage im Euro-Raum insgesamt durchaus ermutigend ist.

5 Risikolage – Kurs der amerikanischen Wirtschaftspolitik und Brexit

Dabei möchte ich freilich nicht unerwähnt lassen, dass die weitere Wirtschaftsentwicklung einigen Risiken unterliegt. Vor allem die politische Unsicherheit ist derzeit hoch, auch wenn am Sonntag in Frankreich Emmanuel Macron die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Wie allerdings die Diskussion mit ihm über seine Forderungen nach einer Einführung von Eurobonds – und damit einer Schuldenvergemeinschaftung – geführt werden wird, ist noch offen.  

Auch wissen wir noch nicht, welchen Weg die amerikanische Regierung in der Wirtschafts- und Handelspolitik einschlagen wird. Ebenso wenig kennen wir die künftige Ausgestaltung der Wirtschafts- und Vertragsbeziehungen zwischen der EU und Großbritannien.

Mit Blick auf die Vereinigten Staaten ist insgesamt wohl davon auszugehen, dass die zukünftige amerikanische Wirtschaftspolitik mehr national orientiert sein wird, als wir dies bislang von den USA gewohnt waren. Das Motto lautet bekanntlich "America first". Nach meiner Erfahrung war dieses in der Vergangenheit schon immer die Maxime der jeweiligen amerikanischen Regierung, wenn es auch nicht so laut gesagt wurde und wenn nicht immer der vermeintliche Interessenkonflikt zwischen den USA und seinen internationalen Partnern betont wurde. In der Vergangenheit war der Wert des freien Handels und der dadurch entstehenden Wohlfahrtsgewinne zumindest Konsens zwischen Europa und den USA.

So sind umfassende Steuersenkungen angekündigt, aber auch ein Investitionsprogramm. Das könnte die amerikanische Wirtschaft kurzfristig stimulieren, aber wohl um den Preis einer langfristig weiter steigenden Staatsverschuldung. Die sich im Übrigen während  der Amtszeit von Präsident Obama um gut 50 Prozent erhöht hat, von circa 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf über 100 Prozent.

Entsprechend sind die langfristigen Zinsen in den USA in den vergangenen Monaten bereits deutlich gestiegen – im Vergleich zum Herbst 2016sogar um einen ganzen Prozentpunkt. Das liegt auch daran, dass die Finanzmärkte damit rechnen, dass die amerikanische Notenbank angesichts steigender Inflationssorgen die Geldpolitik nun schneller strafft, als sie es sonst getan hätte.

Der Zinsanstieg hat natürlich auch Folgen für die Weltwirtschaft. So könnten die steigenden Zinsen die Konjunktur in den Ländern dämpfen, die nicht direkt von einer Zusatznachfrage aus den USA profitieren oder die, weil sie stark in US-Dollar verschuldet sind, eine Aufwertung des US-Dollar belastet.

Erwartungen über eine protektionistischere US-Wirtschaftspolitik haben an den Finanzmärkten jedenfalls bereits zu zum Teil deutlichen Bewertungsanpassungen bei Schwellenländern geführt.

Insbesondere in Mexiko und anderen lateinamerikanischen Ländern, die von derartigen Maßnahmen besonders betroffen wären, kam es zu starken Kursverlusten an den Aktien-, Anleihe- und Devisenmärkten.

Auch wenn die Vorwürfe im Raum stehen, dass Europa und insbesondere Deutschland die USA mit einer unterbewerteten Währung ausbeuteten, wurde Europa von ähnlichen Verwerfungen bisher verschont. Im Gegenteil, Anleiherenditen und Aktienkurse gingen ähnlich wie in den USA kräftig nach oben.

Dabei wären protektionistische Maßnahmen nicht zuletzt für die US-Wirtschaft selber ein zweischneidiges Schwert. Sollte etwa eine Importsteuer eingeführt werden, so würden sich zunächst die Importe in die USA verteuern.

Das hilft zwar den heimischen Produzenten, geht aber zulasten der Kaufkraft der amerikanischen Bürger. Erhöht dann das Federal Reserve System die Zinsen schneller, kompensiert dies einen Teil des expansiven Effekts auf die amerikanische Konjunktur.

Sollte die Einführung von Importzöllen durch die USA außerdem zu symmetrischen Reaktionen etwa in Mexiko oder China führen, so würde dies die amerikanische Wirtschaft schwächen.

Das Peterson Institute for International Economics schätzt, dass dann auch das reale Bruttoinlandsprodukt in den USA deutlich zurückgehen wird.

Es kann daher niemand Interesse an einer handelspolitischen Eskalation haben. Denn eines steht fest: Der internationale Handel fördert die Verbreitung von neuen Ideen und besseren Produkten. Er erlaubt es jedem, das zu tun, was er am besten kann. Offene und wettbewerbliche Märkte wirken also produktivitäts- und wohlfahrtserhöhend. Deshalb ist ein Verzicht auf Wechselkursmanipulationen oder Handelsbarrieren auch so wichtig.

Meine Damen und Herren,

ein ähnliches Maß an Unsicherheit rührt auch von den Entwicklungen in Großbritannien.

Das Brexit-Votum der Bevölkerung des Vereinigten Königreichs ist eine Erschütterung, die Europa getroffen hat. Es verstärkt Fragen bezüglich der Kohärenz der europäischen Länder und es hat Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung innerhalb Europas.

Bislang scheinen das Vereinigte Königreich und damit auch der Rest Europas noch mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Die Finanzmärkte und auch die Realwirtschaft steckten den ersten Schock nach dem Brexit-Votum besser weg als erwartet. Die Übermittlung des "Scheidungsantrags" Ende März, sowie die Ankündigung der vorgezogenen Neuwahlen Ende April gingen fast spurlos an den Finanzmärkten vorbei.

Das könnte freilich eine trügerische Ruhe sein, denn innerhalb des Vereinigten Königreichs haben wohl eine expansivere Geldpolitik der Bank von England und die Abwertung des Britischen Pfundes dazu beigetragen, die Konjunkturauswirkungen weitgehend zu begrenzen. Zuletzt ist die britische Wirtschaft jedoch nur noch mit 0,3 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen.

Und auch der Euro-Raum hat die Entscheidung der Briten bislang gut verkraftet. Die Stimmung unter den Einkaufsmanagern im Euro-Raum, aber auch unter den Verbrauchern liegt deutlich über ihrem langjährigen Durchschnitt. Der Stimmungsindikator der EU-Kommission – der übrigens nicht die Stimmung unter den Brüsseler Beamten, sondern in der Realwirtschaft misst – liegt sogar auf dem höchsten Stand seit 2007.

Die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen des Brexit-Votums waren bisher also eher gering. Was die längerfristigen Auswirkungen betrifft, so hängen sie allerdings maßgeblich vom Ergebnis der Trennungsverhandlungen ab.

In der Abwertung des britischen Pfundes kommt die Befürchtung der Marktteilnehmer zum Ausdruck, ein "harter" Brexit schade Großbritannien im Ergebnis, weil das Land den Zugang zum gemeinsamen europäischen Markt verliere.

Ob sich diese Befürchtungen bewahrheiten, werden erst die Verhandlungen zeigen. Mit der Ankündigung der Neuwahlen wurde der Beginn der Verhandlungen auf Anfang Juni verschoben. Eines werden die Verhandlungspartner dann aber hoffentlich vor Augen haben: Je weiter der freie Austausch von Waren, Kapital und Dienstleistungen eingeschränkt wird, desto mehr leidet die Produktivität – und zwar auf beiden Seiten.

Aber man muss kein Prophet sein um zu behaupten, dass die Verhandlungen schwierig und komplex werden und dass der Ausgang der Verhandlungen nicht abzusehen ist. Umso wichtiger ist es deshalb, alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Euro-Raum ökonomisch stärken. Dies sind zum einen Maßnahmen, die in den einzelnen Mitgliedsländern umgesetzt werden müssen, zum anderen aber auch Maßnahmen, die den Euro-Raum als Ganzen betreffen.

6 Maßnahmen zur Stärkung des Euro-Raums

Als eine entscheidende Vorbedingung für eine nachhaltige Gesundung des Euro-Raums müssen die von der Krise besonders betroffenen Länder die nötigen Strukturreformen weiter entschlossen umsetzen, um wettbewerbsfähiger zu werden und private Investitionen attraktiver zu machen.

Hier liegt auch der Schlüssel für ein langfristig steigendes Zinsniveau.

Da die Zinsen und Kapitalkosten von den Unternehmen erwirtschaftet werden müssen und nicht einfach vom Himmel fallen, sind ein Anstieg der Produktivität und eine Verbesserung der Wachstumsaussichten die Voraussetzung für steigende Realzinsen.

Das bedeutet: Für die niedrigen langfristigen Zinsen trägt die Politik die Hauptverantwortung. Denn den langfristigen Gleichgewichtszinssatz kann nur die Politik anheben – zum Beispiel durch Reformen auf dem Arbeitsmarkt und durch die Beseitigung von Wettbewerbsbeschränkungen – also durch Maßnahmen, die das Produktionspotenzial und damit das Wirtschaftswachstum nachhaltig steigern.

Leider hat der Reformeifer in den vergangenen drei bis vier Jahren merklich nachgelassen. So kommt die Europäische Kommission im Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters zu dem Schluss, dass bei 90 % der Empfehlungen aus dem vergangenen Jahr nur "einige" oder sogar nur "begrenzte" Fortschritte bei der Umsetzung zu verzeichnen waren.

Hier gibt es also Nachholbedarf – übrigens nicht nur in den Ländern an der Peripherie des Euro-Raums. Die Kernländer haben sogar noch weniger der Reformvorschläge umgesetzt als die Peripherie – das muss ich der Ehrlichkeit halber hinzufügen.

Dies sage ich auch mit Blick auf Deutschland. Der weitere Reformbedarf hierzulande ist vor allem den besonderen Belastungen geschuldet, die eine alternde Gesellschaft mit sich bringt. Hier muss es um eine stärkere Beteiligung von Frauen und älteren Menschen am Erwerbsleben gehen. Und man wird vermutlich auch nicht umhin kommen, über ein höheres Renteneintrittsalter nachzudenken. Da wir Deutschen länger und länger gesund leben, scheint mir ein späteres Ausscheiden aus dem Erwerbsleben nicht gänzlich unzumutbar zu sein.

Daneben sind aber auch bedeutende Anstrengungen notwendig, um die Flüchtlinge, die dauerhaft bleiben dürfen, in die Gesellschaft und ins Arbeitsleben zu integrieren. Das erfordert Mehrausgaben im Bildungsbereich und möglicherweise auch im Wohnungsbau.

Ergänzend zu Strukturreformen ist in Europa auch immer wieder der Ruf nach höheren öffentlichen Investitionsausgaben zu vernehmen.

Nun ist der Spielraum für eine noch expansivere Fiskalpolitik in vielen Euro-Ländern sehr begrenzt. Und dort, wo Spielraum besteht, wie etwa in Deutschland, gibt es derzeit keinen Bedarf an einem schuldenfinanzierten Konjunkturprogramm.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es nicht doch hier und da Bedarf an höheren Investitionsausgaben gibt. Jeder, der zum Beispiel regelmäßig über Deutschlands Autobahnen fährt, weiß dass hier bereits viel geschieht.

Um Steuermittel jedoch sorgfältig zu verwenden und den höchsten gesellschaftlichen Mehrwert zu erzielen, sollte mehr öffentliches Geld nur nach einer gründlichen Kosten-Nutzen-Abwägung und mit Blick auf das konkrete Infrastrukturprojekt eingesetzt werden. Nicht jedes Investitionsobjekt ist sein Geld wert. Das gilt für öffentliche Investitionen ebenso wie für private.

Höhere öffentliche Investitionsausgaben müssen außerdem nicht zu höheren Schulden führen. Sie sollten durch Ausgabenkürzungen an anderer Stelle gegenfinanziert werden. Schließlich wird der demographische Wandel auch den öffentlichen Finanzen viel abverlangen.

Und eines darf bei dem Ruf nach mehr Investitionen nicht vergessen werden: Das Rückgrat des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks bilden nicht die öffentlichen Investitionen, sondern die privaten. Die Nachfrage nach solchen Investitionen kann in einer Marktwirtschaft aber nicht einfach per Dekret festgelegt werden.

Umgekehrt wird vielmehr ein Schuh draus: gestiegene Wachstums- und damit Einkommenserwartungen erhöhen die Bereitschaft der Unternehmen zu investieren. Und genau dies bringt uns wieder zu den in jedem Land spezifischen Strukturreformen zurück, die entscheidend dazu beitragen würden, in den Euro-Ländern Wachstumsperspektiven zu verbessern.

Maßnahmen auf der Ebene der einzelnen Euro-Staaten sind also von zentraler Bedeutung; sie allein reichen allerdings nicht aus um die Aussichten für den Euro weiter zu verbessern. Es muss auch der Ordnungsrahmen der Währungsunion gefestigt und in sich stimmig ausgestaltet werden, um die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren und damit die Unsicherheit zu reduzieren, die viele Investoren beim Blick auf den Euro-Raum immer noch sehen.

7 Haftung und Kontrolle

Was den Ordnungsrahmen betrifft, ist entscheidend, das Element der Eigenverantwortung der Mitgliedsländer wieder zu stärken.

Derjenige, der die Kontrolle über die finanzpolitischen Entscheidungen hat, der sie also fällt, muss auch für die eintretenden Konsequenzen einstehen, er muss für sie haften.

Handeln und Haften gehören als Begriffspaar zusammen, sie sind zwei Seiten derselben Medaille.

"Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen", so brachte es der Ordoliberale Walter Eucken vor rund 60 Jahren schlicht und präzise auf den Punkt.

Dieses Haftungsprinzip ist ein Eckstein für eine Marktwirtschaft und muss auch in unserer Währungsunion gelten. Es bildet die Grundlage für verantwortungsvolles Handeln, das am Ende nicht auf Kosten anderer geht.

Meine Damen und Herren,

blickt man auf die zurückliegenden sieben Jahre zurück, lässt sich feststellen, dass durch die Krisenmaßnahmen die gemeinschaftliche Haftung aller Mitgliedstaaten für finanz- und wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen in einzelnen Mitgliedsländern erheblich ausgeweitet wurde.

Die Kontrollmöglichkeiten auf Gemeinschaftsebene wurden hingegen nicht in gleichem Maße verstärkt.

Während wichtige politische Entscheidungen also weiterhin auf der Ebene der Nationalstaaten gefällt werden, wird für die Auswirkungen dieser Entscheidungen verstärkt auf europäischer Ebene gehaftet: Handeln und Haften sind nicht im Gleichgewicht.

Dies ist jedoch kein Ausweg aus der Krise, sondern es ist ein Irrweg. Entscheidender Wegweiser für einen verlässlichen Ausweg ist vielmehr, Handeln und Haften wieder in die Balance zu bringen.

Im gemeinsamen europäischen Haus muss es – bildhaft gesprochen – entweder einen strengen Familienvorstand geben, der über das gemeinsame Familieneinkommen wacht und zugleich für Ordnung sorgt, oder man behält die getrennte Haushaltsführung konsequent bei.

Das Modell eines "strengen Familienvorstands" wäre durch eine vertiefte finanzpolitische Integration zu erreichen, also durch "mehr Europa" im Rahmen einer Fiskalunion.

Dies würde jedoch voraussetzen, dass die Mitgliedstaaten nationale Souveränität auf die Gemeinschaftsebene übertragen, indem sie z.B. die Gemeinschaft mit den nötigen Durchgriffsrechten bei unsoliden Staatsfinanzen ausstatten.

Allerdings scheint es eher unrealistisch, eine solche Fiskalunion in mittlerer Zukunft verwirklichen zu können. Das Brexit-Votum, aber auch die zahlreichen europakritischen Strömungen in vielen Euro-Ländern sprechen dafür, dass "mehr Zentralität in Europa" im Moment nicht gerade auf viel Gegenliebe stößt.

Weder in den Bevölkerungen der Mitgliedstaaten noch bei deren Parlamenten und Regierungen ist die Bereitschaft zu erkennen, Souveränitätsrechte in Budgetfragen auf die europäische Ebene zu heben und somit zu teilen.

Solange eine Fiskalunion aber nicht mehrheitsfähig ist, kann die stabilitätspolitisch richtige Antwort auf die Krise im Euro-Raum nur lauten, den auf fiskalischer Eigenverantwortung basierenden Maastricht-Rahmen weiterzuentwickeln und zu härten. Nur das kann finanzpolitische Solidität sicherstellen.

Mit anderen Worten: Es muss wieder eine stärker getrennte Haushaltsführung geben. Die Haushaltsregeln müssen von allen Familienmitgliedern strikt eingehalten werden, und die Europäische Kommission muss die Einhaltung der Regeln auch einfordern.

Denn auf einem Berg ausufernder privater und öffentlicher Schulden kann man weder eine stabile Währungsunion noch nachhaltiges Wirtschaftswachstum gründen. Die schuldenbegrenzenden Fiskalregeln müssen also wieder mehr Bindungskraft erhalten – sie wurden in der Vergangenheit zu oft gedehnt und missachtet.

Das ist auch die Stoßrichtung des 2012 beschlossenen Fiskalpakts. Dieser enthält veränderte Fiskalregeln und eine strengere Überwachung der Länder.

Aber es genügt natürlich nicht, wenn finanzpolitische Regeln bloß auf dem Papier stehen. Die überarbeiteten Regeln müssen von allen Beteiligten auch tatsächlich angewandt und gelebt werden. Hierfür zu sorgen, das ist die Aufgabe der Europäischen Kommission. Allerdings geht diese doch recht lax mit diesen Regeln um.

Frankreich zum Beispiel verletzt die 3 %-Grenze für ein Haushaltsdefizit seit 2008 Jahr für Jahr – und hat von der Kommission bereits drei Mal Aufschub bekommen, das übermäßige Defizit abzubauen – jetzt bis zum Jahr 2017.

Mit Blick auf die Kommission hat Bundesfinanzminister Schäuble wiederholt angemahnt, wie wichtig es sei, "dass die Kommission die richtige Balance zwischen ihrer politischen Funktion sowie der Rolle als Hüterin der Verträge wahrt". Denn aufgrund dieser Doppelrolle neigt die Kommission dazu, politische Kompromisse zulasten der Haushaltsdisziplin einzugehen.

Mehr Konsequenz bei der Auslegung der Regeln könnte erreicht werden, wenn anstelle der Kommission eine unabhängige Fiskalbehörde für die Haushaltsüberwachung zuständig wäre.

Und um das Prinzip der Eigenverantwortung zu stärken, muss es im Extremfall auch möglich sein, dass Staaten zahlungsunfähig werden, ohne dass das gesamte Finanzsystem zusammenbricht.

Dazu braucht es vor allem eine finanzielle Entkoppelung von Banken und Staaten. So sollten Banken in Zukunft zum Beispiel nicht mehr so viele Staatspapiere halten. Deshalb werden derzeit auf internationaler Ebene Gespräche geführt, ob die regulatorische Vorzugsbehandlung für Staatsanleihen nicht beendet werden sollte. Banken sollten für Kredite an Staaten, ähnlich wie für Kredite an Private, zukünftig nicht nur Eigenkapital vorhalten, sondern auch Obergrenzen einhalten müssen. 

Außerdem braucht es ein geregeltes Verfahren für den Fall einer staatlichen Zahlungsunfähigkeit. Dafür hat die Bundesbank im -Monatsbericht vom Juli 2016 einen konkreten Vorschlag unterbreitet.

Sein Ziel ist es, die Eigenverantwortung der Investoren zu stärken, die Schlagkraft des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) zu erhöhen und ihn zum Mittler im Falle einer notwendigen Umschuldung zu machen.

8 Geldpolitik

Meine Damen und Herren,

Welche Rolle kommt der Zentralbankpolitik in Europa zu?

Dass in Krisenphasen auch die Zentralbanken gefordert sind, ist unbestritten. Daher hat das Eurosystem in den vergangenen Jahren mit zahlreichen Maßnahmen dazu beigetragen, die Krise nicht weiter eskalieren zu lassen. Hierzu gehört, dass die Leitzinsen massiv gesenkt wurden und dass der Bankensektor erheblich mit Liquidität versorgt wurde.

Diese Maßnahmen waren wichtig und richtig, jedoch darf eines hierbei nicht vergessen werden: Über ein Allheilmittel zur Krisenlösung verfügen auch die Zentralbanken nicht. Geldpolitik darf nicht mit Ansprüchen konfrontiert werden, denen sie nicht genügen kann.

Erwartungen einer politisch "schmerzfreien" Krisenlösung durch Maßnahmen der Zentralbanken sind gefährlich. Die Geldpolitik kann zwar den Konjunkturverlauf glätten, dauerhaftes Wachstum in den Euro-Ländern kann sie aber nicht erzeugen. Hier sind die Regierungen in ihrer ureigenen Verantwortung gefordert, mit einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik die richtigen Weichenstellungen vorzunehmen.

Auch darf nicht übersehen werden, dass von den von mir bereits angesprochenen "Schmerzmitteln der Notenbanken" Risiken und Nebenwirkungen ausgehen. Dies gilt insbesondere dann, falls diese Mittel als Dauermedikation verabreicht würden.

So geht die aktuelle, ultra-lockere Geldpolitik mit historisch niedrigen Leitzinsen und sehr niedrigen Sparzinsen einher. Mir ist dabei bewusst, dass die niedrigen Zinsen von vielen zunehmend als Ärgernis gesehen werden.

Dabei wird allerdings häufig übersehen, dass die Niedrigzinsen nicht nur zu Einbußen bei den Bürgern führen.

Als Gewerbetreibender oder Bauherr, der einen günstigen Kredit bekommt, als Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz durch eine Krisenverschärfung gefährdet wäre oder als Aktionär, der an einem Unternehmen beteiligt ist profitieren die Bürger gleichzeitig von dem Zinsumfeld, das sie als Sparer belastet.

Man darf auch nicht übersehen, dass es in der Vergangenheit immer wieder Phasen gab, in denen hohe Inflationsraten durchaus hohe nominale Zinsen aufgezehrt haben. So gab es in den 1970er, 1980er und 1990er Jahren immer wieder Phasen mit negativen realen Sparzinsen.

Ungewöhnlich ist freilich das niedrige Niveau der realen Anleiherenditen. Dazu tragen zum einen sicher die gedämpften langfristigen Wachstumserwartungen bei. Mit Blick auf Deutschland rechnen die Bundesbankexperten zum Beispiel damit, dass angesichts einer rückläufigen Anzahl von Erwerbspersonen das Potenzialwachstum in der nächsten Dekade unter ein Prozent sinken wird.

Zum anderen trägt derzeit auch die Geldpolitik mit der Ankündigung, die Notenbankzinsen "für einen ausgedehnten Zeitraum" auf dem niedrigen Niveau zu halten ("Forward Guidance"), und mit dem umfangreichen Ankauf von Staatsanleihen ihren Teil zu den sehr niedrigen realen Langfristzinsen bei.

Angesichts des noch immer eher gedämpften binnenwirtschaftlichen Preisdrucks im Euro-Raum ist eine expansive Geldpolitik derzeit noch angemessen. Aber angesichts der sich fortsetzenden konjunkturellen Erholung und des erwarteten stärkeren Preisauftriebs kann man durchaus die Frage stellen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um allmählich geldpolitisch vom Gas zu gehen und ob der EZB-Rat nicht seine Kommunikation im Vorfeld etwas symmetrischer gestalten sollte.

Denn eines ist auch richtig: Gerade die Staatsanleihekäufe des Eurosystems führen dazu, dass die Grenzen zwischen der Geld- und der Fiskalpolitik immer weiter verwischen.

Die Notenbanken sind mittlerweile die größten Gläubiger der Euro-Staaten. Das birgt die Gefahr, dass die Geldpolitik möglicherweise ins Schlepptau der Fiskalpolitik und unter Druck gerät, hohe Schulden durch niedrige Zinsen tragfähig zu machen – und zwar auch dann noch, wenn die Preisentwicklung eigentlich höhere Zinsen verlangen würde.

Im Rahmen seiner geldpolitischen Ankaufprogramme hat das Eurosystem immerhin Staatsanleihen im Wert von rund 1.500 Milliarden Euro in die eigenen Bücher genommen. Dieses entspricht circa 14 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Euro-Raums. Bis zum Jahresende wird dieser Betrag auf circa zwei Billionen Euro, also 18 Prozent steigen.

Denn eine geldpolitische Normalisierung würden die Finanzminister ganz unmittelbar spüren – so, wie sie in den vergangenen Jahren von den sehr niedrigen Zinsen profitiert haben – und zwar unabhängig von der Solidität ihrer öffentlichen Haushalte.

Die niedrigen Zinsen schaffen keinen besonderen Anreiz zu konsolidieren, so viel steht fest. Und tatsächlich ist die Fiskalpolitik im Euro-Raum in den vergangenen Jahren wieder erkennbar lockerer geworden. Die eingesparten Zinsen werden nicht zur dringend benötigten Schuldentilgung eingesetzt, sondern zum Gutteil ausgegeben. Das gilt im Übrigen auch für Deutschland.

Für Deutschland allein ist in den betrachteten neun Jahren eine rechnerische Zinsersparnis von 250 Milliarden Euro ange­fallen, was in etwa acht Prozent des Bruttoinlands­produktes entspricht. In anderen Ländern ist die Ersparnis noch bedeutsamer: In Frankreich liegt die Ersparnis bei knapp über zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts und in Italien bei elf Prozent.

Im Zusammenhang mit den Ankaufprogrammen muss auch die Veränderung der der Bundesbankbilanz als Ergebnis der geld- und währungspolitischen Aktivitäten gesehen werden. Diese ist – wie schon im Vorjahr – weiter kräftig gestiegen und hat Ende 2016 fast 1.400 Mrd. Euro erreicht. Dazu muss man wissen, dass 2006 die Bilanzsumme noch bei 374 Mrd. Euro lag. Sie hat sich somit mehr als verdreifacht und wächst kräftig weiter.

9 Schluss

Meine Damen und Herren,

Ich habe eingangs mit Blick auf die hohen Renditen zur Jahrtausendwende Harald Schmidt zitiert. Damit Sie nicht zu nostalgisch werden, würde ich gerne das Zitat fortführen. Denn er hat mit Blick auf diese Jahre auch ergänzt: "Dieser Neue Markt war eine coole Gelegenheit, am Vormittag Millionär zu werden und vor Sonnenuntergang die Altersvorsorge zu versenken."

Tatsächlich folgte auf diese Phase hoher Renditen nach dem Platzen der New-Economy Blase ein nahezu ebenso ausgeprägter Renditeeinbruch. Sie sehen also, dass auch in der Vergangenheit die Zeiten nicht immer golden waren.

Gegenwärtig hingegen schreitet die wirtschaftliche Erholung im Euro-Raum allmählich voran, die Wachstumsaussichten sind nicht schlecht, auch wenn der wirtschaftspolitische Kurs der amerikanischen Regierung und die Ausgestaltung der zukünftigen wirtschaftlichen Beziehung zum Vereinigten Königreich eine Quelle von Unsicherheit darstellen.

Bei einer Verfestigung der konjunkturellen Entwicklung könnten auch die realen Zinsen wieder steigen. Mit Blick auf die realen Langfristzinsen ist aber vor allem die Wirtschaftspolitik gefragt.

Ich bin überzeugt, dass Maßnahmen, die die öffentlichen Finanzen stärken und zu wettbewerbsorientierten Wirtschaftssystemen beitragen, auch das Wachstum stimulieren würden.

Anstrengungsloses Anheben des Wachstumspotenzials gibt es aber leider nicht. Strukturreformen sind häufig nicht populär. Aber sie sind es, die das Wachstumspotenzial erhöhen und damit auch die Altersversorgung sicher machen.

Darüber hinaus sind außerdem Anpassungen im Ordnungsrahmen der Währungsunion notwendig, damit diese als dauerhafte Stabilitätsunion bewahrt werden kann.

Um den Druck auf die Geldpolitik zu lindern sollte vor allem die finanzpolitische Disziplin wieder einkehren. Der Schlüssel dazu ist, dass das Element der Eigenverantwortung wieder gestärkt wird, indem wir uns in Europa wieder auf die ursprünglichen Maastricht-Regeln zurückbesinnen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.