Der Euro: Globale Herausforderungen im digitalen Zeitalter Rede bei der Wirtschaftlichen Vereinigung Oldenburg, DER KLEINE KREIS e. V.

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Einleitung

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, heute Abend hier im schönen Oldenburg zu Gast zu sein und mit Ihnen zu diskutieren. Die Ziele der Wirtschaftlichen Vereinigung Oldenburg – DER KLEINE KREIS sind sehr lobenswert. Denn Sie wollen drängende Reformthemen ansprechen und die öffentliche Diskussion dazu anstoßen.[1] 

Sie legen gewissermaßen den Finger in die Wunde und dies ist natürlich oft schmerzhaft. Aber nur durch eine klare Diagnose und sinnvolle Therapiemaßnahmen kann Besserung eintreten und unser Wirtschafts- und Finanzsystem zukunftssicher aufgestellt werden. Öffentliche und private Akteure in Deutschland und in Europa sollten hierfür eng zusammenarbeiten.

2 Deutschland, die Europäische Union und der Euro

Doch mit Blick auf die bevorstehenden Bundestagswahlen hören wir vermehrt europakritische Stimmen. Manche fordern sogar einen Austritt aus der Europäischen Union und dem Euro. Dies nehme ich zum Anlass, um die Bedeutung der EU und des Euro zu betonen. Denn meiner Ansicht nach ist die richtige Antwort auf die derzeitigen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen nicht weniger Europa, sondern mehr Europa.

Die EU und insbesondere die Europäische Währungsunion sind und bleiben Grundpfeiler unseres deutschen Wohlstands. Der Euro hat sich schon über ein Vierteljahrhundert als stabile Währung erwiesen und ist ein greifbares Symbol der europäischen Integration – also eine echte Erfolgsgeschichte.

Deutschland profitiert dabei in besonderer Weise von unserer gemeinsamen Währung und dem EU-Binnenmarkt. Denn wir sind eine Exportnation. Mehr als die Hälfte unserer Exporte setzen wir in andere EU-Mitgliedstaaten ab.[2] Der Euro erleichtert den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und verstärkt damit die vorteilhaften Effekte, die sich aus dem EU-Binnenmarkt ergeben.

Dank unserer gemeinsamen Währung haben wir keine Wechselkursunsicherheit innerhalb des Euroraums. Hinzu kommt, dass der Euro die Preistransparenz und damit den Wettbewerb erhöht. Auch grenzüberschreitende Investitionen der Unternehmen innerhalb des Euroraums werden berechenbarer.

Umgekehrt würde Deutschland besonders stark unter dem Wegfall des Binnenmarktes und einer Rückkehr von Wechselkursrisiken infolge eines Euro-Austritts leiden. Joachim Nagel, Präsident der Deutschen Bundesbank, hat es auf den Punkt gebracht: Es wäre eine wirtschaftliche Katastrophe für uns alle.[3]

Die gemeinsame Europäische Währungsunion macht die Mitgliedstaaten übrigens auch im globalen finanziellen Umfeld stärker und widerstandsfähiger gegenüber finanziellen Schocks.[4] Gemeinsam sind wir stärker als alleine. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Deutschland alleine mit nationalem Fokus im globalen Wettbewerb mit den USA, China und Indien mithalten könnte. 

Natürlich geht es um mehr als Finanzen. Europa steht für Frieden, Gemeinschaft, Demokratie, Freiheit und Vielfalt. All das sind Werte, die wir als Bundesrepublik mit Europa teilen und für deren Fortbestand wir uns auch in Zukunft einsetzen sollten und wollen. Dies gelingt uns nur, wenn Deutschland und die anderen europäischen Mitgliedstaaten geeint auftreten und handeln.

3 Mehr Europa im Zahlungsverkehr

Im Folgenden möchte ich Sie zu einem Ausflug in den Zahlungsverkehr einladen – einem meiner Zuständigkeitsbereiche als Vorstand der Bundesbank. Hier sind die Herausforderungen groß und global. Deshalb müssen wir auch in Zukunft für einen gesunden und robusten Zahlungsverkehr in Europa sorgen. Das ist unsere Aufgabe und die ist wichtig, denn ohne effizienten Zahlungsverkehr kann unsere Wirtschaft nicht reibungslos funktionieren.

Und auch im Zahlungsverkehr gilt: Wir brauchen mehr Europa statt weniger Europa. Denn im europäischen Zahlungsverkehr spielen außereuropäische Anbieter eine große Rolle. Fast 60 Prozent aller Kartenzahlungen – und Karten sind das populärste Zahlungsinstrument in Europa – werden durch die internationalen bzw. amerikanischen Unternehmen Mastercard und VISA abgewickelt. Deshalb setzen wir uns als Notenbanken im Eurosystem für mehr Europa im Zahlungsverkehr ein, z. B. mit einer gemeinsamen Strategie für den Zahlungsverkehr.[5]

Ein wesentliches Element dieser Eurosystem Retail Payments Strategy ist die Verbreitung von Instant Payments – also Überweisungen in Echtzeit. Die Vorteile liegen auf der Hand: Innerhalb von Sekunden ist das Geld auf dem Konto des Empfängers, und zwar im gesamten Euroraum. Die Abwicklung ist sicher und erfolgt über europäische Infrastrukturen.

Bestimmt haben viele von Ihnen bereits eine Echtzeitüberweisung im Online-Banking getätigt. Immer mehr Banken bieten sie sogar kostenlos an. Gemäß einer EU-Regulierung dürfen Instant Payments seit dem 9. Januar nicht mehr teurer als herkömmliche Überweisungen sein. Die Verbreitung von Instant Payments hat auch wichtige strategische und politische Implikationen: Dank der zugrundeliegenden europäischen Infrastruktur wird die strategische Autonomie und Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Wirtschafts- und Finanzsektors gestärkt.

Ein zweites zentrales Element der Eurosystem Retail Payments Strategy ist die Förderung einer europäischen Zahlungslösung. Wir haben zwar in einigen Ländern erfolgreiche Bezahlverfahren, wie z. B. in Deutschland die beliebte girocard. Aber wir haben keine, mit denen man in ganz Europa zahlen kann – mit einheitlichem Nutzererlebnis und mit europäischer Governance. Auch bei bargeldlosen Zahlungen unter Privatpersonen, also wenn es darum geht, „mal schnell“ Geld an Freunde und Verwandte zu überweisen, kennen Sie das vielleicht aus eigener Erfahrung: Hier fällt die Wahl mit PayPal oft ebenfalls auf einen außereuropäischen Anbieter.

Ich begrüße daher ausdrücklich die Fortschritte der European Payments Initiative EPI rund um die Wero-Wallet. Für digitale Zahlungen von Person zu Person startete Wero bereits im vergangenen Sommer. Bald soll es mit Angeboten für den Onlinehandel und das Bezahlen im stationären Handel weitergehen. In Deutschland sind mit den Sparkassen, den Volks- und Raiffeisenbanken und der Deutschen Bank wichtige Akteure bei EPI mit an Bord.

Weitere Elemente der Eurosystem Retail Payments Strategy sind die Erhöhung der Sicherheit, ein niedrigschwelliger Zugang zu digitalen Zahlungsprodukten, Nachhaltigkeit und – natürlich – die Förderung von Innovation.

4 Digitalisierung und neue Technologien im Zahlungsverkehr

Neue Technologien und digitale Bezahlverfahren spielen eine immer größere Rolle. Zum Beispiel wird immer häufiger mit dem Smartphone oder der Smartwatch bezahlt. Laut unserer regelmäßigen Studie zum Zahlungsverhalten lag der Anteil mobiler Bezahlverfahren Ende 2023 bei sechs Prozent, was einer Verdreifachung innerhalb von zwei Jahren entspricht. Das meistgenutzte Verfahren ist Apple Pay – also wieder ein außereuropäischer Anbieter.[6] 

Parallel zur Digitalisierung wird immer seltener bar bezahlt. Laut unserer Studie tätigten die Menschen in Deutschland Ende 2023 jede zweite Zahlung im Alltag mit Bargeld. Sechs Jahre zuvor waren es 74 Prozent – also ein Rückgang um rund ein Drittel in sechs Jahren.

Wie in vielen anderen Wirtschaftsbereichen zeigt sich im Zahlungsverkehr die disruptive Kraft der Digitalisierung und der Verbreitung neuer Technologien. Dies unterstreicht ein kurzer Rückblick – getreu dem Leitsatz von Wilhelm von Humboldt: Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.

Die Digitalisierung im Zahlungsverkehr zeigt sich anschaulich an der Girokarte. In den 1970er-Jahren diente sie als Garantiekarte für den papierhaften Scheck, wurde dann zum Abheben von Bargeld und seit den 1990ern – ohne Scheck – zum Bezahlen an der Ladenkasse eingesetzt. Seit 2017 funktioniert sie kontaktlos. Inzwischen gibt es sie komplett digital im Smartphone. Auch Online-Banking und Banking-Apps sind längst zum Standard geworden, wie unsere regelmäßigen Befragungen zum Zahlungsverhalten zeigen.[7]

Reden wir von neuen Technologien, dann reden wir auch im Zahlungsverkehr vom Einsatz künstlicher Intelligenz, einem der aktuellen Megatrends. Von der Wichtigkeit des Themas scheint auch der KLEINE KREIS überzeugt, schließlich unterstützen Sie unter anderem die Stiftungsprofessur für Angewandte Künstliche Intelligenz an der Universität Oldenburg.[8] 

Im Zahlungsverkehr sprechen wir übrigens nicht von Zukunftsmusik: So ist beispielsweise der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) zur Betrugsprävention, also zur Erkennung und Verhinderung von betrügerischen Zahlungen, wie im Falle von Kartenbetrug, bei vielen Marktakteuren bereits Standard. 

Zukünftig könnte KI hierbei eine noch wichtigere Rolle spielen, da es vor dem Hintergrund der Verbreitung von Instant Payments noch viel mehr darauf ankommt, Betrug schnell zu erkennen. Natürlich kann KI im Zahlungsverkehr auch für andere Bereiche wie die Automatisierung von Prozessen, die Vereinfachung der Kundenkommunikation und die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben, z. B. in Bezug auf Geldwäsche, eingesetzt werden.

Auf viel Aufmerksamkeit stößt aktuell wieder das Phänomen der Krypto-Token wie zum Beispiel Bitcoin. Die zugrundeliegende Technologie – die Distributed Ledger Technologie (DLT) – hat große Potenziale. Dazu gleich mehr. Die Krypto-Token selbst dienen hingegen vorwiegend als Spekulationsobjekte.

So erreichte der Kurs des Bitcoins nach den Präsidentschaftswahlen in den USA neue Rekorde und stieg erstmals über die Marke von 100.000 US-Dollar. Dies wird vor allem damit begründet, dass mit einer krypto-freundlichen Politik des neuen US-Präsidenten gerechnet wird. 

Mit Blick auf Europa schlug der ehemalige Finanzminister Christian Lindner vor, einen Teil der Währungsreserven von Europäischer Zentralbank (EZB) und Bundesbank in Krypto-Token anzulegen. Dies halten wir nicht für sinnvoll. Denn – und da schließe ich mich der Einschätzung unseres Bundesbankpräsidenten Joachim Nagel an – eine Währungsreserve muss sicher, liquide und transparent sein. All das trifft auf Bitcoin nicht zu.[9]

Auf Verbraucherseite will die große Mehrheit Krypto-Token weder erwerben noch nutzen. Dies zeigt unsere Studie zum Zahlungsverhalten. Lediglich sechs Prozent der Befragten haben bereits einmal Krypto-Token wie Bitcoin erworben oder genutzt. 80 Prozent der Befragten haben dies auch zukünftig nicht vor.[10] Aber wer weiß schon, wie sich die Zukunft entwickelt? Akzeptanz ist zu Teilen auch ein gesellschaftliches Phänomen. Und es ist nicht ausgeschlossen, dass andere technische Ansätze die Verwendung von Krypto-Token im Zahlungsverkehr attraktiver machen. 

Krypto-Token wie zum Beispiel Bitcoin haben häufig keinen Herausgeber und beinhalten auch keine Rückzahlungsverpflichtung. Wenn Sie hingegen eine Euro-Banknote in den Händen halten, stehen die EZB und die nationalen Zentralbanken des Euroraums als Herausgeber dahinter. Es handelt sich um Zentralbankgeld, das als Bargeld für jedermann sowie – nur für Banken – als Guthaben auf einem Zentralbankkonto zur Verfügung steht.

Mit digitalem Zentralbankgeld – oder englisch Central Bank Digital Currency (CBDC) – käme eine dritte Variante hinzu. Denkbar wäre einerseits ein digitales Zentralbankgeld für die Abwicklung von Finanzmarkttransaktionen, die sogenannte „Wholesale CBDC“-Variante. Daneben wird eine Variante für die breitere Öffentlichkeit diskutiert, auch „Retail CBDC“ genannt. Im Eurosystem geht es konkret um die Einführung des digitalen Euro. 

5 Digitaler Euro und digitales Zentralbankgeld für den Finanzmarkt

Der digitale Euro soll eine digitale Form von Zentralbankgeld sein, die überall im Euroraum akzeptiert wird und das herkömmliche Zentralbankgeld – also Banknoten und Münzen – sinnvoll ergänzt. Noch ist der digitale Euro nicht ganz „greifbar“. Mit einer Einführung ist nicht vor 2028 zu rechnen, auch weil die entsprechenden rechtlichen Grundlagen noch durch den EU-Gesetzgeber geschaffen werden müssen. 

Für die rund 340 Millionen Menschen im Euroraum soll er das Leben einfacher machen – eine Bezahllösung aus einer Hand! Ob an der Ladenkasse, im Restaurant, für Zahlungen an Freunde und Verwandte oder im Onlinehandel: Für all diese Zwecke wäre der digitale Euro einsetzbar. Der digitale Euro hätte vergleichbare Eigenschaften wie das Bargeld: ausfallsicher, für den Endnutzer kostenlos und mit einem höheren Maß an Privatsphäre als bei anderen digitalen Bezahlverfahren. Auch eine Offline-Variante ist geplant. 

Daneben existiert eine Reihe strategischer Vorteile: Erstens würde ein digitaler Euro die Resilienz des Euro und des Euroraums gegenüber konkurrierenden Währungen oder neu aufkommenden Geldformen stärken. Zweitens würde der digitale Euro die eingangs skizzierte Fragmentierung im europäischen Zahlungsmarkt verringern, da trotz zahlreicher Bemühungen bislang keine gesamt-europäische Zahlungslösung existiert. Drittens würde der digitale Euro Vorteile bei Autonomie und Sicherheit bieten: Technisch würde er auf europäischen Infrastrukturen laufen. Damit würden wir unabhängiger von außereuropäischen Anbietern.

Bei unserem Weg zum digitalen Euro setzen wir ausdrücklich auf die Kooperation mit dem Markt. Weder die Bundesbank, noch die EZB wollen zur direkten Schnittstelle zu den Bürgerinnen und Bürgern im europäischen Zahlungsverkehr werden. Die Banken und Zahlungsdienstleister werden bei dem Projekt eine wichtige Rolle spielen. 

Nun zur zweiten Komponente des Gesamtökosystems „digitales Zentralbankgeld“, nämlich der Wholesale-Variante. Dabei geht es um die Frage, wie auf Basis neuer Technologien – wie z. B. der Distributed-Ledger-Technologie – Transaktionen im Wertpapiergeschäft in Zentralbankgeld abgewickelt werden können. 

Im Eurosystem und als Bundesbank untersuchen wir diese Perspektive gemeinsam mit europäischen Marktteilnehmern. Mit der sogenannten „Trigger-Lösung“ haben wir in der Bundesbank eine eigene technische Lösung entwickelt, die es ermöglicht, DLT-Plattformen des Marktes mit dem traditionellen Zahlungsverkehrssystem des Eurosystems zu verbinden. Dies ist bei Marktteilnehmern auf großes Interesse gestoßen. 

Insgesamt bieten Wholesale-CBDC und DLT meiner Meinung nach enormes Potential und könnten ein echter Gamechanger werden. Die neuen Technologien könnten zu einem wichtigen Baustein auf dem Weg hin zu einer digitalen Kapitalmarktunion werden. Der Euroraum hat die Chance, mit Wholesale-CBDC im Finanzsektor weltweit eine Vorreiterrolle zu übernehmen – er sollte sie nutzen! 

Dies könnte die Effizienz und Sicherheit unserer Finanzsysteme erhöhen und gleichzeitig Raum für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen der digitalen Zukunft schaffen.

6 Globaler Zahlungsverkehr und geopolitische Entwicklungen

Auch der globale Zahlungsverkehr verändert sich im digitalen Zeitalter. Bisher werden internationale Zahlungen außerhalb der EU hauptsächlich über sogenannte Korrespondenzbanken abgewickelt. Korrespondenzbanken sind Banken, die im Auftrag der Zahlerbank direkt oder mittelbar über andere Banken Transaktionen in einem anderen Land abwickeln – etwa wenn die ortsansässige Sparkasse oder Volksbank an einen Empfänger in Florida überweisen muss. Die Banken kommunizieren dabei miteinander über das privatwirtschaftlich organisierte SWIFT-Netzwerk.

Im globalen, außereuropäischen Zahlungsverkehr sehen wir aktuell drei Trends: Erstens beobachten wir einen Rückgang dieser Korrespondenzbankbeziehungen und daraus folgend längere Zahlungsketten sowie eine erschwerte Erreichbarkeit mancher Länder.

In diese Lücke versuchen einige FinTechs zu stoßen, die sich auf grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr spezialisiert haben. Teilweise – und das ist der zweite Trend – wird hier mit neuen Technologien wie zum Beispiel Netzwerken der zuvor erwähnten Distributed-Ledger-Technologie experimentiert.

Der dritte, geopolitisch herausforderndste Trend ist eine möglicherweise entstehende Multipolarität im globalen Zahlungsverkehr. Ursächlich sind unter anderem die Sanktionen, die gegen Russland aufgrund dessen Aggression gegenüber der Ukraine erlassen wurden und auch das gerade erwähnte SWIFT-Netzwerk betreffen. Dies erschwert Zahlungen nach Russland erheblich.

Um sich gegen solche Sanktionen zu wappnen, gibt es seit längerem Bestrebungen der BRICS-Staaten[11], sich von westlichen Zahlungssystemen unabhängig zu machen. So betreibt z. B. China ein sogenanntes Cross-Border Interbank Payment System (CIPS) für die Abwicklung grenzüberschreitender Zahlungen in Renminbi. Und auch Russland hat mittlerweile als Ersatz von SWIFT ein eigenes nationales Kommunikationsnetzwerk etabliert.

Nun gibt es von russischer Seite Bestrebungen, diese nationalen Netzwerke miteinander zu vernetzen. Beim letztjährigen BRICS-Gipfel in Kasan wurden die möglichen Lösungen BRICS-Pay bzw. BRICS Bridge vorgestellt. Bisher scheint das Interesse der anderen BRICS-Staaten aber eher verhalten – wohl auch, weil die G7-Staaten wesentlich wichtigere Handelspartner sind.

Dennoch müssen wir uns auf das geopolitische Risiko vorbereiten, dass Finanzsanktionen künftig wesentlich weniger Wirkung entfalten. Es wird Aufgabe der Politik sein, hier Handlungsalternativen zu entwickeln. Sie sehen, die Weiterentwicklung des Zahlungsverkehrs hat tiefgreifende realpolitische Implikationen.

Um den internationalen, grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr konkret zu verbessern, haben die G20 im Jahr 2020 einen detaillierten Fahrplan beschlossen. Es wurden 19 Bausteine mit konkreten Aktionspunkten entwickelt und quantitative Ziele festgelegt.

Nach nun fast fünf Jahren können wir bereits Verbesserungen in der globalen Zahlungsverkehrslandschaft erkennen: Gemeinsam mit dem Markt haben wir die Nachrichtenübertragung weiter harmonisiert. Außerdem haben Zentralbanken weltweit ihre Geschäftszeiten verlängert und somit zeitzonenbedingte Verzögerungen beim Senden und Abwickeln von Zahlungen über Ländergrenzen hinweg verringert.

Mit Blick auf die Zukunft wollen wir als Zentralbanken den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr weiter verbessern. In den vergangenen Jahren wurden weltweit Systeme für Echtzeitzahlungen aufgebaut. Auch in Europa finden Instant Payments immer mehr Verbreitung. Wenn wir diese Systeme miteinander vernetzen, könnten Zahlungen weltweit innerhalb von wenigen Minuten abgewickelt werden. 

Erste Versuche in diese Richtung sind bereits abgeschlossen. Die Vernetzung von Zahlungsinfrastrukturen ist eine weitere Komponente der Strategie des Eurosystems für den Zahlungsverkehr.

7 Fazit

Meine Damen und Herren,

das Vertrauen der Menschen in Europa in ihre Währung, den Euro, und in einen funktionierenden Zahlungsverkehr ist ein hohes Gut.

Um angesichts politischer Entwicklungen und technologischer Veränderungen auch künftig ein leistungsfähiges und widerstandsfähiges, digitales Finanzsystem bereitzustellen, brauchen wir die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Nur durch gemeinsame Anstrengungen können wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Währung und in unseren Zahlungsverkehr gewährleisten.

Der Zahlungsverkehr ist ein gutes Beispiel dafür, dass wir mehr Zusammenarbeit und vor allem auch mehr Europa brauchen und nicht weniger. 

Der digitale Euro und die Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs sind nur zwei der Themen, an denen wir arbeiten, um das Vertrauen der Menschen angesichts globaler Herausforderungen für die Zukunft zu sichern und den Zahlungsverkehr weiterhin effizient und sicher zu halten. 

Aber dafür bedarf es nicht nur des Redens, sondern auch der Taten. Oder wie es Benjamin Franklin so treffend formulierte: Gut gemacht ist besser als gut gesagt

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Fußnoten:

  1. DER KLEINE KREIS e. V. | Wirtschaftliche Vereinigung Oldenburg 
  2. Deutschlands Rolle in der EU | Bundesregierung
  3. Vgl. Interview vom 23.03.2024: „Die Menschen müssen länger arbeiten, nicht kürzer“ ¦ Deutsche Bundesbank
  4. Vgl. z. B. Währungsunion macht Mitglieder robuster ¦ Deutsche Bundesbank 
  5. Our retail payments strategy 
  6. Siehe Zahlungsverhalten in Deutschland 2023.
  7. Siehe Zahlungsverhalten in Deutschland 2023.
  8. DER KLEINE KREIS e. V. | Wirtschaftliche Vereinigung Oldenburg 
  9. Bitcoin sind digitale Tulpen“ ¦ Deutsche Bundesbank 
  10. Siehe Zahlungsverhalten in Deutschland 2023.
  11. Die BRICS-Staaten sind eine Gruppe von aktuell zehn aufstrebenden Wirtschaftsnationen mit zunehmendem Einfluss im Weltgeschehen. Die Abkürzung BRICS steht für die ersten fünf Mitgliedsstaaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.