Der Barzahlungsverkehr der Bundesbank aus der operativen Perspektive Zweites Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank
Es gilt das gesprochene Wort.
Lieber Herr Präsident Dr. Weidmann,
Lieber Herr Mersch,
Lieber Herr Prof. Dr. Issing,
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich freue mich ebenso wie unser Präsident, Sie hier zum 2. Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank in Frankfurt willkommen zu heißen. Ich halte diesen Austausch von Meinungen und Informationen verschiedener Bargeldakteure für außerordentlich fruchtbar und freue mich über das vielseitige Programm, welches den Barzahlungsverkehr aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet. Im Laufe des Tages werden uns Zentralbanker und Marktakteure ihre Sicht auf das Bargeld schildern. Neben Herrn Präsident Dr. Weidmann sind es das EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch, der ehemalige Chefvolkswirt der EZB Prof. Dr. Otmar Issing und der Leiter des Zentralbereichs Bargeld Helmut Rittgen, die uns entsprechende Eindrücke aus Notenbanksicht vermitteln werden.
Seitens der privaten Bargeldakteure sprechen heute Ludger Gooßens, Mitglied des Vorstandes des DSGV, Hauptgeschäftsführer Stefan Genth vom Handelsverband Deutschland, neu im Amt mit einer herzlichen Gratulation zum Amtsantritt Klaus Müller vom Bundesverband Verbraucherzentrale und Michael Mewes, Vorstandsvorsitzender der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdiensts. Sie analysieren das Bargeld aus der Sicht der Geschäftsbanken, des Handels, der Verbraucher sowie der Wertdienstleister.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Organisatoren des 2. Bargeldsymposiums bedanken, die ein weiteres Mal eine hochkarätige Veranstaltung mit interessanten Rednern auf die Beine gestellt haben.
1 Barzahlungsverkehr – im Maschinenraum der Bundesbank
Ich möchte den Barzahlungsverkehr heute weniger aus der Perspektive des Banknotenemittenten betrachten, der sich über die große Nachfrage nach seinem Produkt freut. Vielmehr möchte ich den Fokus auf unsere operativen Tätigkeiten rund ums Bargeld richten. Was ist damit konkret gemeint?
Die Bundesbank hat fünf Kerngeschäftsfelder – Geldpolitik, Bankenaufsicht, Finanz- und Währungssystem, barer und unbarer Zahlungsverkehr – und darüber hinaus noch viele weitere Arbeitsgebiete. In einigen dieser Tätigkeitsfelder bestehen die Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast ausschließlich darin, auf hohem wissenschaftlichem Niveau zu forschen und zu analysieren, um neue Erkenntnisse zu gewinnen und Entscheidungsträger bestmöglich vorzubereiten. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise das Forschungszentrum oder die volkswirtschaftlichen Abteilungen der Bundesbank, in denen ganz überwiegend hochqualifizierte Akademiker tätig sind.
Im Bargeldbereich hingegen ist vieles von dem, was wir tun, operative, manuelle und mitunter körperlich anstrengende Arbeit. Man kann hier den Vergleich zum Maschinenraum eines Schiffes ziehen, den ich Ihnen mit einigen Zahlen illustrieren möchte. Betrachten wir zuerst die Beschäftigten als wichtigsten Produktionsfaktor. Während in der Zentrale der Bundesbank die hochqualifizierten und wissenschaftlichen Tätigkeiten dominieren, liegt der Schwerpunkt in den Filialen mit circa 77 Prozent des Personals eher auf den operativen Arbeitsgebieten. Wie äußert sich das im Arbeitsalltag? Nun, Banknoten, Münzen oder auch Goldbarren sind im Gegensatz zu beispielsweise geldpolitischen Analysen physische Produkte, die transportiert, gezählt, bearbeitet und überwacht werden müssen. Allein für die abzuwickelnden Bargeldtransporte – national oder grenzüberschreitend – verfügt die Bundesbank über einige Dutzend Fahrzeuge, mit denen jährlich 1,3 Millionen Kilometer zurückgelegt werden.
Was die Bearbeitung betrifft, so arbeiten wir bankweit mit 141 Banknotenbearbeitungsmaschinen, mit denen wir jährlich fast 15 Milliarden Banknoten auf Echtheit und Umlauffähigkeit überprüfen. Das bedeutet, dass wir im Jahr annähernd 15.000 Tonnen Geldscheine bewegen. Rein rechnerisch bearbeitet jeder Filialbeschäftigte somit mehr als 20.000 Banknoten pro Tag. Zum Vergleich: vor mehr als 20 Jahren wurde mit dreimal so vielen Maschinen weniger als die Hälfte des aktuellen Volumens bearbeitet. In der Zwischenzeit haben wir den Maschinenpark durch leistungsfähigere Multistückelungsgeräte ersetzt.
Die nicht mehr umlauffähigen Banknoten werden schließlich geschreddert. Hinsichtlich der Schredderquoten von Banknoten müssen wir immer aufs Neue die Balance finden zwischen den Zielen eines qualitativ sehr hochwertigen Banknotenumlaufs – was für hohe Schredderraten spricht – und eines wirtschaftlichen Bargeldumlaufs – was für niedrigere Schredderraten spricht. Jede Banknote, die geschreddert wird, obwohl sie noch umlauffähig bzw. fit ist, belastet letztlich den Steuerzahler. Sie muss neu beschafft werden. Unsere Fachleute arbeiten vor diesem Hintergrund permanent daran, die Maschinen optimal zu justieren. Außerdem entwickeln sie zusammen mit den Herstellern der Banknotenbearbeitungsmaschinen die Sensortechnik weiter. Ziel ist es, dass die Maschinen sämtliche nicht mehr umlauffähigen Banknoten zuverlässig schreddern.
Manchmal kommt es aber gerade bei sehr ungewöhnlich verschmutzten oder stark beschädigten Noten vor, dass die Maschinen die Annahme quasi verweigern. Über manche Banknoten kann man zuweilen nur schmunzeln: von Liebeserklärungen bis hin zu aufwändigen Graffitis haben wir schon alles auf Geldscheinen gefunden. Doch letztlich landen sie alle im Schredder. 2013 summierte sich das Gewicht dieser Schnipsel auf 1.000 Tonnen, was fast zwei voll beladenen A 380 Flugzeugen entspricht. Als Dämmmaterial, Brennstoff oder käuflich zu erwerbende Schreddergeldbriketts finden die winzigen Banknotenreste eine neue Verwendung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Sie sehen, die Aufgaben im Bargeldbereich der Bundesbank sind sehr vielfältiger Natur. Vor allem aber werden Banknoten, Münzen oder Goldbarren hin und her bewegt, bearbeitet, kontrolliert und gelagert. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind dabei enormen körperlichen Belastungen ausgesetzt – sei es durch Lärm, Schmutz oder anstrengende Aufgaben. Für diesen Einsatz möchte ich der Belegschaft an dieser Stelle herzlich danken.
2 Die Zukunft des Bargelds
Wie steht es nun um die Zukunft des Bargelds? Gestern stand noch in einer großen Sonntagszeitung zu lesen, "Angriff auf das Bargeld" mit dem Untertitel "Banken und Staaten ziehen gegen das Bargeld ins Feld. Ohne Bargeld hätten sie die Kontrolle über uns."
Mein sehr verehrten Damen und Herren,
um das klarzustellen, die Bundesbank hat keine Präferenzen ob der Bürger bar oder unbar zahlt. Die Zahlungsverkehrsstudie der Bundesbank aus 2011 hat gezeigt, dass circa 53 % der Ausgaben bar bezahlt werden. Dieses betrifft insbesondere den täglichen Einkauf. Seit langem wird dem Bargeld der baldige Tod attestiert; es sei altmodisch, ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Diesen Kritikern möchte ich entgegnen, dass der Euro-Bargeldumlauf ungebrochen weiter wächst. Der Banknotenumlauf für das gesamte Eurosystem ist von 806 Milliarden Euro in 2009 um 150 Milliarden Euro auf 956 Milliarden Euro in 2013 gestiegen, also um 18,6 %. Allein im letzten Jahr ist der Umlauf um 43,6 Mrd. Euro bzw. 4,8 % gewachsen. Von diesem Banknotenumlauf wurden von der Bundesbank gut 49 Prozent ausgegeben. Sie versorgt nicht nur den nationalen Zahlungsverkehr mit Geldscheinen und Münzen, sondern leistet einen erheblichen Beitrag für die täglichen Transaktionen am Point of Sale im gesamten Euroraum. Im Wesentlichen fließen diese Banknoten über den Tourismus und die Bargeldtransfers von hier tätigen Arbeitnehmern in andere Länder des Euroraums.
Darüber hinaus spielt die Euro-Bargeldnachfrage aus nicht EWU-Ländern eine erhebliche Rolle. Der Flughafen Frankfurt mit einer Vielzahl von Direktverbindungen in diese Ländern und die seit der D-Mark-Zeit bestehenden Geschäftsbeziehungen der Bundesbank mit internationalen Sortenhändlern führen dazu, dass der Euro, insbesondere zur Wertaufbewahrung auch außerhalb des Währungsraums nachgefragt wird.
Neben der Zahlungsmittelfunktion stiftet das Bargeld für die Bevölkerung auch einen Nutzen als Wertaufbewahrungsmittel. Letzteres ist für die Menschen gerade in finanziell unsicheren Zeiten von großer Bedeutung, wie wir während der Lehman-Krise im Jahr 2008 bemerkt haben, als die Nachfrage nach Banknoten sprunghaft anstieg. Und auch die Nutzung von Bargeld als Zahlungsinstrument ist trotz steigender Verwendung von unbaren Zahlungsinstrumenten bemerkenswert hoch. Bargeld ist nach wie vor das beliebteste Zahlungsmittel in Deutschland und wird es auf absehbare Zeit wohl auch bleiben.
Das Eurosystem gibt nicht zuletzt mit der derzeitigen Einführung der neuen Euro-Banknotenserie ein klares Bekenntnis zur Zukunft des Bargelds ab. Die neuen Geldscheine ähneln optisch der ersten Serie, die 2002 in Umlauf gegeben wurde. Sie wurden jedoch gestalterisch überarbeitet und weisen einige neue und verbesserte Sicherheitsmerkmale auf. Sie sollen somit noch fälschungssicherer werden, damit Bargeld seine Funktionen auch in Zukunft reibungslos und sicher wahrnehmen kann.
Seit einem Jahr ist die 5-Euro-Banknote als erste Stückelung der neuen Serie im Umlauf. Die Umstellung verlief in Deutschland weitgehend reibungslos. Einige Probleme gab es allerdings bei der Akzeptanz der neuen Scheine an Parkhaus-, Nahverkehrs- und Verkaufsautomaten. Die Automatenwirtschaft führte dies auf eine zu kurze Umstellungsfrist zurück.
Das Eurosystem hat bezüglich der 10-Euro-Banknote, die im September 2014 erscheinen wird, reagiert und den Zeitraum zwischen der Vorstellung der Note und der Einführung deutlich verlängert. Ebenso wurden die Test- und Ausleihmodalitäten erleichtert und die Informationspolitik intensiviert. Ich bin daher zuversichtlich, dass die 10-Euro-Banknote im September erfolgreich an den Start gehen kann.
So mancher findet die neuen Geldscheine allerdings so attraktiv, dass er nicht bis September warten kann. Wie Sie der Presse entnehmen konnten, wurden kürzlich in Hamburg einige Hundert 10-Euro-Banknoten der neuen Serie gestohlen, die sich eine Firma zu Testzwecken ausgeliehen hatte. Ein derartiger Diebstahl sollte natürlich unbedingt vermieden werden. Die Tat könnte allerdings in Zukunft als Vorlage für eine herausfordernde Aufgabe in einer Strafrechtsklausur genutzt werden. Ist es Diebstahl oder Hehlerei? Was bedeutet es, wenn die Täter bis zur offiziellen Einführung der Banknoten warten, um dann erst die Beute in Umlauf zu bringen? Sie sehen, ein derartiger Einzelfall wirft juristische Fragen auf.
Insgesamt kann man jedoch konstatieren, dass Bargeld in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft ein begehrtes Zahlungsmittel war, ist und bleiben wird – und das ganz überwiegend für die rechtschaffenen Bürgerinnen und Bürger.
3 Die zukünftige Ausrichtung des Kerngeschäftsfelds "Bargeld" in der Bundesbank
Wie steht es nun vor diesem Hintergrund um die Zukunft des Kerngeschäftsfelds "Bargeld" in der Bundesbank? Die Bundesbank wird auch in Zukunft den Sorgeauftrag für den baren Zahlungsverkehr, der aus § 3 des Bundesbankgesetzes resultiert, durch eine angemessene Einbindung in den deutschen Bargeldkreislauf wahrnehmen. "Angemessen" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein jährliches Banknotenbearbeitungsvolumen von 15 Milliarden Stück Banknoten angestrebt wird. Dies entspricht ungefähr der jährlichen Bearbeitungsleistung der vergangenen Jahre. Wie Sie sehen, ist dies ein starkes Signal nach innen und außen, das die Bedeutung dieses Kerngeschäftsfeld betont.
Dieses ausdrückliche Bekenntnis zur Zukunft des Bargelds in der Bundesbank drückt sich auch im Bau der neuen Filiale in Dortmund aus. Damit wird sozusagen ein neuer, moderner, hochleistungsfähiger "Maschinenraum" geschaffen, in dem das Bargeld noch effizienter bearbeitet werden kann. Dieser wird auf einem 80.000 Quadratmeter großen Areal gebaut und ein geplantes Investitionsvolumen von voraussichtlich deutlich mehr als 200 Mio. € aufweisen.
Bei der Konzeption der Bearbeitungsprozesse in der neuen Filiale fließen die Möglichkeiten des technischen Fortschritts hinsichtlich der Automatisierung ein. Wir wollen vor allem die technischen Möglichkeiten nutzen, die sich aus der Größe der neuen Filiale ergeben. So wird die Bank erstmals Hochregallager und fahrerlose Transportsysteme einsetzen. Die Größe des Areals ermöglicht es erstmals, ein Gebäude um die Bargeldprozesse herum zu bauen; das alte Architekturprinzip "form follows function" kann somit zum Tragen kommen. Bisher mussten wir die Prozesse an eine vorhandene Gebäudestruktur anpassen. Nun können wir optimale Bearbeitungsprozesse entwerfen und verwirklichen. Deswegen kommt dem Geldbearbeitungs- und Logistikkonzept eine besondere Bedeutung zu.
Die neue Filiale ist somit baulich und logistisch eine Filiale ganz neuer Art. Das Ziel besteht nicht nur darin, die Kosteneffizienz zu steigern; durch den Einsatz modernster Technik soll auch die physische Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesenkt werden. Nebenbei bemerkt: Im Leistungsangebot für die Bargeldgeschäftspartner wird sich die neue Filiale nicht von den bisherigen Filialen unterscheiden. Was die Öffnungszeiten, die Ein- und Auszahlungsgebinde oder die Belastungs- und Gutschriftskonditionen betrifft, werden auch in Zukunft überall gleiche Rahmenbedingungen bestehen.
Nach Inbetriebnahme der neuen Filiale in Dortmund, in der fünf Filialen des Ruhrgebietes aufgehen werden, werden hinsichtlich der derzeit noch andauernden Straffung des Filialnetzes ruhigere Zeiten zu erwarten sein. Die Bundesbank wird ihr Filialnetz dann auf 31 Standorte reduziert haben. Der Vorstand der Bundesbank hat auf meinen Vorschlag 2011 einstimmig entschieden, dass es für den Sorgeauftrag der Bundesbank nach § 3 Bundesbankgesetz erforderlich ist, ein Filialnetz von 31 Filialen einschließlich der neuen Filiale aufrechtzuerhalten. Die Beschlussfassung zur Errichtung der neuen Filiale ist Teil dieses Konzepts. Mit der Eröffnung der neuen Filiale wird die Konsolidierung des Filialnetzes abgeschlossen sein.
4 Fazit und Ausblick
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Sie sehen, der Bargeldbereich der Bundesbank entwickelt sich weiter und wird moderner und effizienter. Die ungebrochen hohe Beliebtheit und Nutzung der Banknoten und Münzen verlangt auf der anderen Seite auch, dass wir wachsende Anstrengungen unternehmen, die Verwendung von Bargeld wissenschaftlich zu analysieren. Die Forschungsergebnisse sollen uns dabei helfen, auch in Zukunft die Anforderungen der Marktteilnehmer an den Barzahlungsverkehr zu erfüllen bzw. diese aktiv mitzugestalten. Daher bauen wir auch unsere "think tank" Anstrengungen aus. Derzeit läuft die dritte Erhebung zum Zahlungsverhalten in Deutschland, deren Ergebnisse nächstes Jahr publiziert werden sollen. Außerdem veranstalten wir in diesem Jahr die zweite wissenschaftliche Bargeldkonferenz. Der Austausch von Forscherinnen und Forschern aus vielen Ländern soll dazu beitragen, die Zukunft des Bargelds zu gestalten, ebenso wie das heute stattfindende Bargeldsymposium. Sie sehen also, dass wir uns hinsichtlich aller Facetten, die der Umgang mit Bargeld mit sich bringt, weiterentwickeln wollen. In diesem Sinne wünsche ich allen Anwesenden einen informativen und von viel gegenseitigem Austausch geprägten Verlauf dieses Tages.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.