Begrüßungsworte Pressegespräch anlässlich der Ergebnispräsentation des historischen Forschungsprojekts „Von der Reichsbank zur Bundesbank“
Es gilt das gesprochene Wort.
1 Begrüßung
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserem Pressegespräch, in dem es um die Studie „Von der Reichsbank zur Bundesbank – Personen, Generationen und Konzepte zwischen Tradition, Kontinuität und Neubeginn“ geht.
Die beiden Leiter des Forschungsprojekts, Herr Professor Brechtken und Herr Professor Ritschl, werden Ihnen ihre Forschungsergebnisse gleich vorstellen.
2 Zum Hintergrund der Studie
Die Bundesbank hat die Geschichte der Reichsbank als Zentralbank während der NS-Zeit untersuchen lassen. Dabei ging es auch um die personellen Kontinuitäten nach dem Neustart der Zentralbank-Institutionen in der Nachkriegszeit. Zahlreiche Bundesministerien und -behörden haben in den vergangenen Jahren ähnliche Forschungsprojekte in Auftrag gegeben.
Weder die 1948 gegründete Bank deutscher Länder noch die 1957 gegründete Bundesbank sind Rechtsnachfolger der Reichsbank. Trotzdem unterstützt und fördert die Bundesbank die historische Forschung zur Reichsbank.
Mit Prof. Magnus Brechtken und Prof. Albrecht Ritschl konnten wir zwei international renommierte und erfahrene Experten gewinnen. Unter ihrer Leitung hat ein Forschungsteam bestehend aus Ingo Loose, Marcel Boldorf, Christopher Kopper, Olga Christodoulaki, Ralf Banken, Christian Marx, Boris Gehlen, Rouven Janneck und Stefan Grüner insgesamt acht Teilprojekte bearbeitet.
Die Bundesbank hat diese Arbeiten angeregt, ermöglicht und organisatorisch unterstützt. Projektbeginn war im November 2017. Insbesondere wegen der Corona-Pandemie hat es länger gedauert als ursprünglich geplant. Denn das Forscherteam musste seine Recherchen für einige Zeit unterbrechen, weil Archive geschlossen und Auslandsreisen nicht gestattet waren.
Nun aber ist die wissenschaftliche Arbeit abgeschlossen, und es steht die Publikation der Ergebnisse an. Voraussichtlich noch in diesem Jahr soll ein Sammelband erscheinen. Bis zum nächsten Jahr sollen zu jedem der acht Teilprojekte Monographien veröffentlicht werden.
Am heutigen Tag erscheint zunächst eine 100-seitige Broschüre. Sie fasst die wesentlichen Ergebnisse zusammen. Im Gegensatz zu den Einzelbänden, die sich insbesondere an Fachleute richten, wollen wir mit der Broschüre eine breitere Leserschaft erreichen.
3 Zu den Inhalten der Studie
Die Broschüre beschreibt, wie die Reichsbank etwa an der Finanzierung der Aufrüstung vor 1939 mitwirkte, wie sie im Zweiten Weltkrieg zur finanziellen Ausbeutung der von Deutschland besetzten Gebiete beitrug und wie sie sich an der Beschlagnahme und Verwertung von Raubgold und anderen Wertgegenständen beteiligte.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den personellen Kontinuitäten und Karriereverläufen nach 1945. In der Nachkriegszeit wurde auf ehemaliges Personal der Reichsbank nach dessen Entnazifizierung zurückgegriffen, zunächst in der Bank deutscher Länder, dann in der Bundesbank.
Natürlich sind nicht alle Erkenntnisse völlig neu. Immer wieder haben sich in den vergangenen Jahrzehnten Historikerinnen und Historiker mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigt. Die Bundesbank hat selbst eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte gesucht. Davon zeugen zahlreiche Publikationen, Ausstellungen und Tagungen.
Was aber bislang fehlte, war ein umfassendes Bild der deutschen Zentralbankpolitik vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Dieses Bild gibt es nun.
Es ist das Verdienst des Teams um Magnus Brechtken und Albrecht Ritschl, in jahrelanger akribischer Arbeit in zahlreichen Archiven in ganz Europa Quellenmaterial aufgespürt, gesichtet, und im Lichte der aktuellen Forschung neu bewertet zu haben.
4 Was aus der Studie folgt
Mit dem Abschluss der Studie kommt ein Projekt an sein Ende, das dem Vorstand der Bundesbank und mir persönlich ein ganz besonderes Anliegen ist.
Das Team um Magnus Brechtken und Albrecht Ritschl stellt der Öffentlichkeit und der internationalen Forschung einen Fundus an Einsichten und Erkenntnissen bereit. Ihr Werk zeichnet nach, wie Zentralbanker zu willfährigen Gehilfen eines verbrecherischen Regimes wurden. Und es zeigt, wie anfällig sie für Rassismus, Antisemitismus und antidemokratische Einstellungen waren.
Damit mahnt es auch uns:
- Nie wieder darf es Antisemitismus in Deutschland geben.
- Nie wieder darf es Ausgrenzung und staatliche Willkür gegen Minderheiten geben.
- Nie wieder dürfen staatliche Stellen wie die Zentralbank demokratische Werte mit Füßen treten.
Nun gilt es, die Verbreitung der Studienergebnisse zu unterstützen.
Wir stellen die zusammenfassende Broschüre sowohl online als auch in gedruckter Form der Öffentlichkeit zur Verfügung. Eine englischsprachige Ausgabe wird es ebenfalls geben.
In einem nächsten Schritt werden der Sammelband und die Monographien erscheinen. Auf Basis der Veröffentlichungen werden wir weitere Projekte zur Verbreitung der Studienergebnisse anstoßen.
Bevor ich das Wort nun an Sie übergebe, lieber Prof. Brechtken und Prof. Ritschl, möchte ich Ihnen – stellvertretend für alle am Projekt Beteiligten – unsere Anerkennung und unseren Dank aussprechen.