Begrüßungsrede Rede anlässlich der gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bundesbank mit der Oesterreichischen Nationalbank zum Thema: Zukunft des Euro: Digitales Geld für Alltag und Finanzmarkt

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich sehr, Sie heute hier in Frankfurt zur gemeinsamen Konferenz der Deutschen Bundesbank und der Österreichischen Nationalbank zu begrüßen. Die Zukunft soll man nicht voraussehen […], sondern möglich machen, hat der französische Pilot und Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry einmal gesagt.

Und genau darum soll es auch bei unserer Konferenz heute gehen: Wir wollen gemeinsam über die Zukunft des Euros in der digitalen Welt diskutieren. Wie kann und wird digitales Zentralbankgeld sowohl unsere Zahlungen im Alltag als auch Abwicklungen im Finanzmarkt verändern? Und welche Weichen müssen wir als Zentralbank dafür heute schon stellen?

Aber zuerst einmal: Wieso machen wir uns als Zentralbanken darüber überhaupt Gedanken? Gemäß dem alten Sprichwort Schuster, bleib bei deinen Leisten wird mitunter argumentiert, dass das Eurosystem mit dem Bargeld und verschiedenen Instrumenten im unbaren Zahlungsverkehr bereits funktionierende Produkte im Angebot hat. Immerhin haben sich diese ja auch jahrzehntelang bewährt.

2 Der digitale Euro

Mit dieser oder ähnlichen Fragen werde ich, als das für den Zahlungsverkehr verantwortliche Mitglied des Vorstands in der Bundesbank, oftmals konfrontiert. Ich kann mir vorstellen, vielen von Ihnen geht es ähnlich. Dabei möchte ich zuallererst eines betonen: Der digitale Euro soll keine Ersatzlösung für bestehende Produkte sein, sondern unser bestehendes Produktportfolio lediglich ergänzen. Die Entscheidung darüber, ob man lieber bar, mit Karte, Smartphone oder vielleicht zukünftig mit dem digitalen Euro zahlt, kann und soll auch in Zukunft jeder für sich selbst entscheiden.

Gleichwohl erleben wir, wie der Trend zur Digitalisierung fast jeden Aspekt unseres täglichen Lebens beeinflusst. Die Digitalisierung hat nicht nur die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren, lernen, arbeiten und mit der Welt um uns herum interagieren, sondern auch die Art und Weise, wie wir bezahlen. Elektronische Zahlungsmittel haben sich zu einer weit verbreiteten Alternative zu etabliertem Bargeld entwickelt. Neue innovative digitale Zahlungslösungen wie Instant Payments, Request-to-Pay und Pay-per-Use gewinnen zunehmend an Bedeutung.

Allerdings gibt es in Europa abgesehen vom Bargeld bislang kein eigenständiges, europaweites Zahlungsmittel. Zahlungen ins europäische Ausland, über Ländergrenzen hinweg oder auch online sind oftmals nur mithilfe internationaler Kartensysteme oder über Internetplattformen möglich. Diese haben ihren Sitz meist außerhalb Europas. In Zeiten geopolitischer Spannungen könnte diese starke und einseitige Abhängigkeit in einem systemrelevanten Bereich wie dem Zahlungsverkehr problematisch werden und die Souveränität des europäischen Zahlungsverkehrs grundsätzlich infrage stellen.

All diese Entwicklungen stellen auch uns als Zentralbanker vor neue Herausforderungen. Es geht ganz konkret um die Frage, welche Rolle wir als Zentralbank im Zahlungsverkehr zukünftig einnehmen wollen. In einer zunehmend digitalen Welt sind Banknoten und Münzen nach wie vor das einzige Mittel, um der breiten Öffentlichkeit Zugang zu Zentralbankgeld zu verschaffen. Es liegt daher nahe, dass wir als Zentralbanken ein zusätzliches digitales Angebot schaffen, um den Zugang zu Zentralbankgeld auch in einer digitalen Zukunft für die Bevölkerung zu wahren.

Der digitale Euro soll ein solches Angebot werden. Aber natürlich ist es unsere Pflicht als Zentralbanker, alle möglichen Auswirkungen eines digitalen Euros im Vorfeld sorgfältig zu prüfen. Wir müssen sicherstellen können, dass er mit unserem Mandat für Preisstabilität, Finanzstabilität und sichere Zahlungssysteme im Einklang steht. Und dass er unseren bestehenden geldpolitischen Rahmen ergänzt und nicht beeinträchtigt.

Auch soll die bewährte Rollenverteilung in unserem zweistufigen Bankensystem zwischen Zentralbanken und Geschäftsbanken natürlich auch beim digitalen Euro wieder zum Einsatz kommen.[1] Mit diesen und weiteren Aspekten setzen wir uns aktuell in der Bundesbank gemeinsam mit unseren Partnerzentralbanken im Eurosystem intensiv auseinander.

Heute wollen wir aber vor allem auch die Frage diskutieren, wie sich ein digitaler Euro ganz konkret auf den Zahlungsverkehr im Alltag auswirken wird. Hierzu wird im Anschluss Petia Niederländer von der Oesterreichischen Nationalbank unser erstes Panel moderieren.

3 Digitales Zentralbankgeld für den Finanzmarkt

Wenn wir über digitales Zentralbankgeld reden, steht in der Öffentlichkeit natürlich besonders der digitale Euro als „Retail-Variante“ im Fokus. Deshalb freut es mich umso mehr, dass wir heute im zweiten Teil unserer Konferenz auch Gelegenheit haben werden, über digitales Zentralbankgeld als sogenannte „Wholesale-Variante“ zu diskutieren. Mit Hilfe neuer Technologien soll diese Variante den Finanzmärkten neue Möglichkeiten für die Echtzeitabwicklung von Großbetragszahlungen bieten und damit zu erheblichen Effizienzgewinnen führen.[2] Eine solche innovative Technologie ist die Distributed Ledger Technology (DLT).

Im Eurosystem beschäftigen wir uns daher seit längerem intensiv mit der Frage, wie die Verrechnung DLT-basierter Finanzmarkttransaktionen in Zentralbankgeld aussehen könnte. Seit Mai dieses Jahres befindet sich das Eurosystem in einer sechsmonatigen Erprobungsphase mit interessierten Marktteilnehmern, die wichtige Erkenntnisse über die Alltagstauglichkeit solcher Lösungen liefern wird.[3]

Die Bundesbank stellt hierfür ihre DLT-basierte „Trigger Solution“ zur Verfügung, die bereits 2021 gemeinsam mit der Deutschen Börse und der Finanzagentur entwickelt wurde.[4] Sie verbindet marktbetriebene DLT-Plattformen mit dem traditionellen Eurosystem-Zahlungsverkehr und ermöglicht die Abwicklung der dort entstehenden DLT-basierten Finanzmarkttransaktionen. Diese Transaktionen werden dann im T2-Service der TARGET-Plattform in Zentralbankgeld abgewickelt.

Ein Vorteil der „Trigger Solution“ ist, dass sich damit die Möglichkeiten der DLT-basierten Abwicklung nutzen lassen, ohne möglicherweise Abstriche bei Sicherheit und Stabilität machen zu müssen. Bei den bisherigen Tests haben wir bereits viele Meilensteine erreicht und unter anderem die Abwicklung digitaler Inhaberschuldverschreibungen, Anleihen und Commercial Papers erfolgreich durchgeführt.[5]

Aber ich will nicht zu viel vorweggreifen, denn auch über digitales Geld im Finanzmarkt wollen wir heute im Rahmen eines zweiten Panels ausführlich diskutieren. Dieses Panel wird Alexandra Hachmeister moderieren, die Leiterin des in diesem Jahr neu geschaffenen Zentralbereichs „Digitaler Euro“ in der Bundesbank.

4 Schluss

Meine Damen und Herren,

wie die Zukunft unseres Zahlungsverkehrs in fünf, zehn oder zwanzig Jahren konkret aussehen wird, kann heute niemand vorhersagen. Aber um es mit den Worten des US-amerikanischen Ökonomen Peter Drucker zu sagen: Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten. Ich bin gespannt, wie unsere heutigen Panelisten die Zukunft des Euros gestalten wollen und bin überzeugt, uns erwartet ein spannender und erkenntnisreicher Nachmittag.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ich freue mich, das Wort jetzt an Petia Niederländer von der Oesterreichischen Nationalbank zu übergeben.

Fußnoten:

  1. The Euro goes digital – Das Projekt „Digitaler Euro“ | Deutsche Bundesbank
  2. Digitales Geld: Optionen für die Finanzindustrie | Deutsche Bundesbank
  3. Neue Technologien für die Abwicklung DLT-basierter Transaktionen in Zentralbankgeld – Die Erprobungsphase startet im Mai 2024 mit großem Interesse der Marktteilnehmer | Deutsche Bundesbank
  4. Trigger Solution | Deutsche Bundesbank
  5. Durchgeführte Trials und Experimente mit der Trigger Solution | Deutsche Bundesbank