Banken und Unternehmen – füreinander oder gegeneinander? Rede beim Bankenabend der Hauptverwaltung in Sachsen und Thüringen

Es gilt das gesprochene Wort.

1 Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich freue mich, heute beim Bankenabend in Leipzig zu Ihnen zu sprechen und danke Ihnen, Herr Benedikt, für die Einladung. "Banken und Unternehmen - füreinander oder gegeneinander?", dieser Fragestellung werde ich mich im Folgenden widmen. Ich hoffe, dass die wenigsten von Ihnen dieselben Erfahrungen wie Mark Twain gemacht haben, der gesagt hat: "Banker sind Menschen, die Dir bei gutem Wetter einen Regenschirm leihen, ihn aber zurückfordern, sobald es zu regnen beginnt."

2 Füreinander? Gegeneinander? Banken und Unternehmen

Gerade hier muss ich wohl nicht betonen, dass Banker natürlich nicht solche Menschen sind - zumindest die meisten. Im Gegenteil: Banken spielen eine wichtige Rolle für Unternehmen und für die gesamte Volkswirtschaft. Sie vermitteln zwischen jenen, die Kapital haben, und jenen, die es brauchen. Sie finanzieren Investitionen, wickeln den Zahlungsverkehr ab und begleiten Unternehmen bei Börsengängen. Umgekehrt darf man die andere Seite des "Füreinander", die Unternehmen, nicht vergessen: Banken brauchen Unternehmen, um in Form von Krediten ihre Einlagen sinnvoll anzulegen und Erträge zu erwirtschaften.

Ich übertreibe sicher nicht, wenn ich sage, dass dieses Füreinander von Banken und Unternehmen in Deutschland überwiegend gut funktioniert. Insbesondere für den deutschen Mittelstand hat das traditionelle Hausbankprinzip eine große Bedeutung. Viele Unternehmen arbeiten mit nur einem Kreditinstitut eng zusammen - bei der Kreditaufnahme, der Geldanlage und dem Zahlungsverkehr mit dem In- und Ausland.

Allerdings hat die Finanzkrise das Verhältnis von Banken und Unternehmen ein Stück weit getrübt. Sie hat das Ansehen der Banken stark beschädigt und Bonmots wie das von Mark Twain wieder salonfähig gemacht. Der Vertrauensverlust ging so weit, dass in der Krise einige Unternehmen direkt bei der Bundesbank angefragt haben, ob sie bei uns ein Konto eröffnen könnten, weil sie den Geschäftsbanken nicht mehr trauen würden.

Ohne Frage hat die Finanzkrise zum schwersten Wirtschaftseinbruch der Nachkriegszeit geführt und deutliche Schäden in der Realwirtschaft hinterlassen. Statt des Zusammenspiels aus Banken und Unternehmen waren plötzlich staatliche Rettungsschirme notwendig, ohne die alle Beteiligten ziemlich nass geworden wären.

3 Die Rolle der Bankenregulierung  

Meine Damen und Herren, die Finanzkrise und die anschließende globale Wirtschaftskrise haben gezeigt, wie eng das Finanzsystem und die Realwirtschaft miteinander verwoben sind. Auch wenn ein vollständiger Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert werden konnte, sind viele Banken in Schieflagen geraten, darunter auch deutsche Institute. Die Finanzkrise hat uns vor Augen geführt, dass umfassende Reformen nötig sind, um ein stabileres Finanzsystem zu schaffen, das zuverlässig seinen eigentlichen Zweck für die Realwirtschaft erfüllen kann.

Und so haben wir in den vergangenen Jahren eine wahre Flut an neuen Regulierungsinitiativen erlebt. Bei vielen Projekten befinden wir uns heute, sechs Jahre nach Beginn der Finanzkrise, auf der Zielgeraden, bei anderen liegt noch ein Stück Weg vor uns. Hierzu gehört vor allem das so genannte "Too big to fail"-Problem, also die Frage, wie wir mit Banken umgehen sollen, die so groß sind, dass ihr Scheitern das gesamte Finanzsystem in Schieflage bringen kann. Hier brauchen wir grenzüberschreitende Lösungen, weil große Banken in der Regel auch international aktiv sind.

Die G-20-Staaten haben als Reaktion auf die Finanzkrise gefordert, die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Banken zu stärken. Wird die einzelne Bank als quasi kleinster Baustein des Finanzsystems gestärkt, wird auch das System an sich gestärkt. Mit diesem Ziel vor Augen hat der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht 2010 einen Regulierungsrahmen verabschiedet, der unter dem Schlagwort "Basel III" firmiert. In diesem Rahmenwerk wurden in erster Linie die Anforderungen an das Eigenkapital überarbeitet. Eigenkapital ist entscheidend für die Stabilität der Banken, denn es ist der wichtigste Puffer, den sie haben, um Verluste aufzufangen. Nach den neuen Regeln müssen Banken nicht nur mehr Eigenkapital halten, es muss auch höherwertiger sein. Ab dem Jahr 2019 müssen Banken insgesamt eine Mindestquote von 7 % hartem Kernkapital erfüllen - gegenüber den 2 %, die bis Ende 2013 galten, ist das eine deutliche Steigerung.

Und wenn wir auf die aktuellen Zahlen schauen, sehen wir, dass viele deutsche Banken die neuen Quoten bereits erfüllen. In einer regelmäßigen Untersuchung beobachten wir insgesamt 44 Institute. Diese haben im Mittel die Zielquote von 7 % für das harte Kernkapital bereits überschritten.[1] Die acht großen deutschen Institute liegen mit einer mittleren harten Kernkapitalquote von 9,4 % deutlich oberhalb der Zielquote. Die übrigen, kleineren Banken stehen sogar noch besser da. Sie weisen im Mittel bereits eine Quote von 13,4 % aus. Diese Ergebnisse zeigen, dass die Banken bereits viel getan haben, um die Anforderungen der neuen Regulierung zu erfüllen.

Die neuen Regeln sollen dazu beitragen, das Bankensystem stabiler zu machen. Gleichzeitig aber sind die neuen Regeln natürlich ein Kostenfaktor für die Banken. Und hier gibt es einige Beobachter, die einen Nachteil für die Realwirtschaft befürchten. Sie argumentieren, dass die neuen Regeln die Kreditvergabe für die Banken teurer machen würden. Entsprechend ist die Sorge, dass die Banken weniger Kredite vergeben.

Dem Baseler Ausschuss war durchaus bewusst, welche Auswirkungen die neuen Regeln haben können. Aus diesem Grund hat er Übergangsfristen festgelegt, die den Banken die notwendigen Anpassungen erleichtern sollen. Diese betreffen sowohl die qualitativen als auch die quantitativen Aspekte der neuen Eigenkapitalvorschriften. So werden beispielsweise die nicht mehr anerkannten Kapitalinstrumente nicht sofort, sondern über mehrere Jahre hinweg allmählich aus dem Eigenkapital herausgerechnet. Auch die steigenden Anforderungen an die Höhe des Eigenkapitals werden schrittweise eingeführt.

Allerdings wurde der Baseler Ausschuss für diese Übergangsfristen auch kritisiert - einigen Regierungsvertretern und Marktbeobachtern schienen sie ein zu großes Zugeständnis an die Banken zu sein. Ich persönlich bin jedoch überzeugt davon, dass der Baseler Ausschuss hier den Interessen der Realwirtschaft Rechnung trägt, ohne dass er Abstriche bei der Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des Bankensystems macht.

Und natürlich wurde die Entwicklung von Basel III von Auswirkungsstudien begleitet, mit denen die Effekte der neuen Regeln auf die Banken und die Realwirtschaft gemessen wurden. Diese Studien kamen zu dem Schluss, dass die kurzfristigen Auswirkungen auf die Realwirtschaft eher gering seien. Und wenn wir in die Zukunft schauen, fördert die strengere Regulierung sogar den Wohlstand. Der Grund: Sie macht Finanzkrisen unwahrscheinlicher. Und das ist ein wichtiger Punkt. Wenn wir über die Kosten der Regulierung für die Banken reden, müssen wir auch über die Kosten von Krisen für die Bürger reden. In dieser Rechnung scheint mir der Preis, den wir für eine strengere Regulierung zahlen, durchaus angemessen. Trotzdem müssen die Auswirkungen von Reformen auf die Realwirtschaft natürlich immer berücksichtigt werden.

Im Übrigen versucht die Regulierung, solchen Unternehmen entgegenzukommen, die auf Bankkredite angewiesen sind. Ich denke hier zum Beispiel an das sogenannte "Mittelstandspaket" des Baseler Rahmenwerks, das bereits mit Basel II eingeführt und in Basel III fortgeschrieben wurde. Dort wird die Kapitalunterlegung von Krediten an kleinere und mittlere Unternehmen je nach Ausfallwahrscheinlichkeit und Besicherung um bis zur Hälfte abgesenkt. Damit werden die Eigenkapitalkosten für Kredite an kleinere und mittlere Unternehmen im Vergleich zur Kreditvergabe an größere Unternehmen deutlich günstiger.

Das Mittelstandspaket des Baseler Rahmenwerks schafft deutliche Anreize für das Kreditgeschäft mit dem Mittelstand. Hier ist es uns mit der Regulierung, so denke ich, gelungen, das Verhältnis von Banken und Unternehmen positiv zu beeinflussen.

4 Ein Blick in die Zukunft

Meine Damen und Herren, während Banken die Unternehmen finanzieren, brauchen sie ihrerseits die Unternehmen, um Erträge zu generieren. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Füreinander in Deutschland sehr gut funktioniert. Die Finanzkrise hat aber auch gezeigt, dass aus dem Füreinander sehr schnell ein Gegeneinander werden kann. Dann nämlich, wenn einzelne Banken Geschäfte betreiben, deren Nutzen für die Realwirtschaft eher begrenzt ist, und unter deren Auswüchsen am Ende alle leiden. Die Unternehmen leiden, wenn eine Krise des Finanzsystems zu einer Wirtschaftskrise wird. Die Steuerzahler leiden, wenn der Staat Banken retten muss, die in Schieflage geraten sind. Und die Banken leiden, wenn als Folge einer Krise ihr Ruf leidet und Unternehmen wie Bürger ihnen das Vertrauen entziehen. Vor diesem Hintergrund ist es entscheidend, dass die Banken sich auf ihre eigentliche Rolle besinnen: die Finanzierung der Realwirtschaft.

Wie kann nun die Zukunft für das Verhältnis von Banken und Unternehmen aussehen? Ich bin zuversichtlich, dass das Füreinander weiterhin von großer Bedeutung sein wird. Insbesondere für den Mittelstand hat das Verhältnis zur Hausbank nach wie vor eine große Bedeutung. Auf Grund der Größe und der Rechtsform der mittelständischen Unternehmen ist eine Mittelbeschaffung über den Kapitalmarkt für sie nach wie vor schwierig. Dennoch bilden sich auch hier alternative Finanzierungsformen wie etwa die Mittelstandsanleihen als relativ neues Kapitalinstrument.

Betrachtet man die Kapitalstruktur deutscher Unternehmen sieht man Folgendes: Im Jahr 1999 machte der Bankkredit noch 22 % der Passivseite aus, im ersten Quartal 2014 waren es nur noch 15 %. Ursache dafür ist vorrangig die mangelnde Nachfrage nach Krediten. Zum einen liegt das aktuell sicherlich an der Unsicherheit der Unternehmen mit Blick auf die Situation im Euro-Raum oder mit Blick auf die Situation in der Ukraine. Zum anderen haben viele Unternehmen in der Finanzkrise erlebt, dass sich Banken teilweise schlagartig aus der Finanzierung zurückgezogen haben. Daher haben sich die Unternehmen auf die Suche nach Alternativen zum Bankkredit gemacht und sich in Richtung des Kapitalmarktes orientiert. Dennoch ist das Ausmaß der Kapitalmarktfinanzierung in Deutschland immer noch gering - vor allem im Vergleich zu den USA oder Großbritannien.

Neben der marktbasierten Finanzierung treten an die Stelle des klassischen Bankkredits aber auch zunehmend andere Kreditgeber wie etwa Versicherungen, sonstige Finanzinstitute oder Handelskredite von anderen Unternehmen. Auch hat die Finanzierung aus Eigenmitteln zugenommen, vor allem bei den Mittelständlern. Kurzum, die Finanzierung der deutschen Unternehmen wird bunter.

Hier könnte man jetzt befürchten, dass sich diese Entwicklung negativ auf die Erträge der Banken auswirkt. An diesem Punkt will ich jedoch etwas relativieren. Eine Diversifizierung von Finanzierungsquellen kann durchaus zur Stabilität und zur Effizienz des Finanzsystems beitragen - und das nützt auch den Banken. Gerade in Deutschland, aber auch in Europa, haben wir hier im Vergleich zu den angelsächsischen Ländern noch viel Potenzial. Deswegen sehe ich die gestiegene Bedeutung von Anleihen, Verbriefungen und Schuldscheinen auch im Mittelstandssektor durchaus positiv. Allerdings ist es gerade in so einem jungen Marktsegment sehr wichtig, auf die Qualität der Instrumente zu achten. So ist auch die Mittelstandsanleihe kein Ausweg aus den Finanzierungsproblemen schwacher Unternehmen, sondern ein geeignetes Finanzierungsinstrument für größere und bonitätsstarke Mittelständler.

5 Schluss

Meine Damen und Herren, Banken und Unternehmen sind eng miteinander verwoben. Sie spielen jeder für sich, aber auch gemeinsam, eine wichtige Rolle für das Funktionieren einer Volkswirtschaft.

Dabei prägen Banken und Unternehmen ihr Verhältnis ein ganzes Stück weit selbst: Banken entscheiden, an welche Unternehmen sie Kredite zu welchen Konditionen vergeben. Unternehmen erwidern dieses Vertrauen der Banken, indem sie die Kredite nachfragen. Dieses Verhältnis wird sich in den kommenden Jahren sicherlich weiter verändern und zusätzliche Akteure, vor allem auf dem Kapitalmarkt, mit einbeziehen. Ich halte das für eine positive Entwicklung, denn der nächste Regenschauer kommt bestimmt. Und dann ist es gut, wenn die Unternehmen sich ihre Schirme auch auf dem Kapitalmarkt beschaffen können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnoten

1Dabei wird die Vollumsetzung des Regelwerks ohne Beachtung der Übergangsvorschriften vorausgesetzt.