Schwerpunkte des Monatsberichts Oktober 2014

Die deutsche Wirtschaft in der internationalen Arbeitsteilung: Ein Blick auf die Wertschöpfungsströme

Die deutsche Volkswirtschaft hat sich in den letzten 20 Jahren im Zuge der fortschreitenden Globalisierung weiter geöffnet. Die deutschen Unternehmen haben die Chancen genutzt, welche sich beispielsweise aus der Integration der mittel- und osteuropäischen Länder in den europäischen Produktionsverbund und den Wachstumsverschiebungen hin zu den Schwellenländern ergeben haben. Sie positionierten sich frühzeitig auf den schnell wachsenden Absatzmärkten und erzielten Kostenvorteile durch die verstärkte Nutzung internationaler Wertschöpfungsketten. Dies ging mit einer größeren Spezialisierung und spürbar zunehmenden Aus- und Einfuhren, insbesondere auch von Vorleistungen, einher.

Dank neuer Daten lässt sich der Außenhandel mittlerweile auch detailliert auf Wertschöpfungsbasis darstellen. Dies und der Vergleich mit den Güterströmen liefert zusätzliche Erkenntnisse über seine Struktur und die Rolle der internationalen Arbeitsteilung. Die Einnahmen und Ausgaben des Außenhandels mit Waren und Dienstleistungen übertreffen das Volumen der grenzüberschreitenden Wertschöpfungsströme immer stärker. So beliefen sich die Wertschöpfungsexporte Deutschlands im Mittel der Jahre 2010 und 2011 auf 70% der Ausfuhrerlöse, nachdem es in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre noch beinahe 80% gewesen waren. Der gestiegene Anteil ausländischer Wertschöpfung bedeutet, dass an den deutschen Exporterfolgen Lieferanten von Vor- und Zwischenprodukten unter anderem aus dem europäischen Umfeld vermehrt teilhaben. Gerade die bilateralen Handelsbeziehungen werden überdies zunehmend von erzeugungs- und nachfrageseitig bedingten Drittländereffekten beeinflusst. Dadurch verschiebt sich auch die Bedeutung einzelner Länder beziehungsweise Ländergruppen für das Auslandsgeschäft der deutschen Wirtschaft. Auf Wertschöpfungsbasis betrachtet liegt bei den Exporten die USA an erster Stelle vor Frankreich, dem Spitzenreiter im Außenhandel.

Aus sektoraler Perspektive ist es vor allem das Verarbeitende Gewerbe, welches sehr eng in internationale Produktionsnetzwerke eingebunden ist und aufgrund dessen besonders am Vorleistungsgüterhandel partizipiert. Auf Dienstleistungen entfällt mit rund einem Fünftel ein vergleichsweise geringer Teil der deutschen Exporte. Demgegenüber macht Dienstleistungswertschöpfung, die auch über den Warenhandel transferiert wird, inzwischen beinahe die Hälfte der gesamten Ausfuhrerlöse Deutschlands aus. Mithin sind die Wettbewerbs- und Kostenstrukturen in den Dienstleistungsbranchen von großer Bedeutung für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft. 

Der Start in die Bankenunion – Der einheitliche Aufsichtsmechanismus in Europa

Am 4. November 2014 nimmt der einheitliche europäische Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism: SSM) für Banken seine Arbeit auf. Während die Bankenregulierung, das heißt die Entwicklung verbindlicher Vorschriften für das Verhalten der Kreditinstitute, insbesondere auf EU-Ebene schon seit Längerem intensiv harmonisiert wurde, ist der einheitliche Aufsichtsmechanismus der erste bedeutende Schritt zu einer stärkeren Vergemeinschaftung der Aufsichtspraxis in Europa. Künftig wird die Europäische Zentralbank (EZB) eine zentrale Funktion in der Aufsicht über die Banken des Euro-Raums (sowie etwaiger EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euro-Raums, die sich zu einem freiwilligen Beitritt entscheiden) übernehmen und dabei mit den nationalen Aufsichtsbehörden eng zusammenarbeiten. 

Die Rechtsgrundlagen für den SSM, die die Zuständigkeiten und die Aufgabenverteilung zwischen der EZB und den nationalen Aufsichtsbehörden regeln, wurden bereits im Jahr 2013 beschlossen und gelangen nunmehr, nach Ablauf einer einjährigen Übergangsfrist, zur Anwendung. Die EZB ist künftig im Hinblick auf die 120 bedeutenden, größeren Banken beziehungsweise Bankengruppen unter enger Einbindung der nationalen Behörden direkt für die Beaufsichtigung zuständig. Eine wesentliche Rolle für die Beaufsichtigung von bedeutenden Banken werden gemeinsame Aufsichtsteams spielen, die aus Mitarbeitern der nationalen Behörden und der EZB bestehen und von der EZB geleitet werden. Die mittelgroßen und kleinen Institute unterliegen hingegen wie bislang der direkten Aufsicht der nationalen Bankenaufseher, jedoch kann auch für diese Institute die EZB bestimmte Rahmenbedingungen vorgeben beziehungsweise unter Umständen direkt in die Aufsicht eingreifen. Der SSM hat den Charakter eines Netzwerks, in dem nationale Behörden und EZB unter Leitung der EZB kooperieren.

Der SSM bildet einen Teil des Gesamtprojekts Bankenunion, das im nächsten Schritt ab 2016 einen gemeinsamen europäischen Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute vorsieht. Eine wichtige Voraussetzung für einen erfolgreichen Start in eine Bankenunion sind gesunde und stabile Banken. Um dies sicherzustellen, müssen sämtliche jetzt bestehenden Lasten und Schwachstellen der Banken rechtzeitig identifiziert und noch vor Übergang der Verantwortung auf die europäische Ebene bereinigt werden. Da diese „Altlasten“ unter der Aufsicht der bislang zuständigen nationalen Behörden entstanden sind, liegt deren Beseitigung dem Prinzip des Gleichlaufs von Haftung und Kontrolle folgend auch noch in der Verantwortlichkeit der jeweiligen Nationalstaaten.

Zu diesem Zweck wurden die größten Banken des Euro-Raums in den letzten Monaten einer umfassenden Überprüfung (Comprehensive Assessement) unterzogen. Neben der Prüfung einer Auswahl der bestehenden bilanziellen und außerbilanziellen Positionen der Banken (Asset Quality Review), wurden Stresstests durchgeführt, bei denen mögliche Krisenszenarien simuliert und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Institute abgeschätzt wurden. Die Ergebnisse werden am 26. Oktober 2014, also gut eine Woche vor Übernahme der Aufsicht durch die EZB, veröffentlicht.

Methodische Änderungen in der gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung – Motivation, Konzeption und ausgewählte Ergebnisse

Mit der Einführung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010) im September 2014 wurde die methodische Grundlage vieler makroökonomischer Statistiken in der Europäischen Union aktualisiert und vereinheitlicht. Als Teil der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ist die gesamtwirtschaftliche Finanzierungsrechnung der Deutschen Bundesbank zentral von diesen neuen Vorgaben betroffen. Die Umstellungen führen im Wesentlichen zu einem erweiterten Datenausweis und konzeptionellen Änderungen. So werden unter anderem die Angaben über Forderungen und Verbindlichkeiten der jeweiligen Sektoren erstmals auch um umfassende Informationen darüber ergänzt, gegen über welchem Sektor diese bestehen (sog. Schuldner-Gläubiger-Beziehungen). Zusätzlich werden die privaten Haushalte, die bisher gemeinsam mit den privaten Organisationen ohne Erwerbszweck erfasst wurden, erstmals getrennt ausgewiesen. Einen deutlich differenzierten Umgang erfährt auch der finanzielle Sektor, der in nunmehr neun Teilsektoren aufgeteilt wird. Auf Instrumentenebene zeigen sich die Neuerungen unter anderem bei den Ansprüchen gegenüber Versicherungen und Alterssicherungssystemen sowie in einem separaten Ausweis der Bargeldhaltung.

Die erweiterte Darstellung der finanziellen Vorgänge spiegelt dabei die jüngeren Entwicklungen auf den Güter- und Kapitalmärkten wider, die unter anderem durch das Auftreten neuer Akteure und vielschichtigerer Aktivitäten gekennzeichnet sind. So zeigen die aktuellen Ergebnisse gemäß dem ESVG 2010, dass die Sektoren über zahlreiche finanzielle Verflechtungen miteinander verbunden sind, wobei deren Umfang und Intensität zwischen den Sektoren teils deutlich variieren. Die methodischen Änderungen tragen somit zum besseren Verständnis der Aktivitäten im finanziellen Bereich der Volkswirtschaft bei und liefern wertvolle Angaben beispielsweise für die Geldpolitik, etwa in Bezug auf die monetäre Transmission oder die Identifikation möglicher Finanzierungsengpässe, aber auch für Analysen zur Finanzstabilität.