Schwerpunkte des Monatsberichts März 2012
Die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2011
Der Leistungsbilanzüberschuss hat 2011 gegenüber dem Vorjahr leicht abgenommen; er belief sich mit 148 Mrd € auf 5¾ % des Bruttoinlandsprodukts. Der Aktivsaldo der Handelsbilanz veränderte sich trotz des aus realer Sicht erneuten Wachstumsvorsprungs der Ausfuhren gegenüber den Einfuhren nur unwesentlich. Dies lag an der markanten Verschlechterung der Terms of Trade. Infolge des kräftigen Anstiegs der Einfuhrpreise kam es bei anhaltend moderater Teuerung im Ausfuhrgeschäft zu einem erheblichen Einkommensabfluss ins Ausland. Zudem konnte die Expansion des Warenhandels 2011 die hohe Dynamik des Jahres 2010 nicht halten. Das Asiengeschäft deutscher Unternehmen war davon besonders betroffen. Im Exportwachstum behauptete diese Region gleichwohl ihren Vorsprung gegenüber dem Euro-Raum, während die Importe aus dem süd- und ostasiatischen Raum nach dem ausgesprochen kräftigen Plus im Jahr zuvor nicht nennenswert gestiegen sind.
In Richtung der europäischen Staaten blieb der Importsog der deutschen Wirtschaft – mit Blick auf das Gesamtjahr – in einem recht robusten Aufwärtstrend. Infolgedessen setzte sich der Abbau des deutschen Leistungsbilanzüberschusses gegenüber den übrigen Euro-Ländern erkennbar fort. Vom Höchststand im Jahr 2007 aus hat er sich nahezu halbiert.
Dem Leistungsbilanzüberschuss standen in der Zahlungsbilanz Netto-Kapitalexporte in Höhe von 162 Mrd € gegenüber. Dabei ist es aufgrund eines starken Zustroms von Zentralbankgeld aus dem Ausland erneut zu einem erheblichen Forderungsaufbau der Bundesbank innerhalb des Zahlungsverkehrssystems Target2 gekommen. Dieser spiegelt die anhaltenden Spannungen an den Finanzmärkten der Währungsunion sowie die Zahlungsbilanzungleichgewichte innerhalb des Euro-Raums wider. Daneben haben die Direktinvestitionen, die in der Regel von längerfristigen, strategischen Überlegungen abhängen, sowie Transaktionen mit Finanzderivaten zu den Netto-Kapitalexporten beigetragen. Im Wertpapierverkehr kam es – anders als in den Jahren 2009 und 2010 – dagegen per saldo zu Mittelzuflüssen. Hierin drückt sich vor allem die im Zuge der sich verschärfenden Staatsschuldenkrise zu beobachtende "Flucht in die Qualität" aus, von der deutsche Titel besonders profitierten.
Nationale und internationale Finanzmarktschocks und die Realwirtschaft aus empirischer Sicht
Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat die Bedeutung der Finanzmärkte für die Realwirtschaft verstärkt in den Fokus gerückt. Das Platzen der Immobilienblase in den USA hat zu Problemen im amerikanischen Finanzsektor geführt, die dann sowohl auf die dortige Realwirtschaft als auch auf die Finanzsektoren und die Realwirtschaft in anderen Ländern, insbesondere in Europa, übergegriffen haben. Die Schärfe und die internationale Dimension der sich daran anschließenden Krise hat vielfach überrascht und ist allgemein auch als Herausforderung für die existierenden Erklärungsmodelle über die Wirkungszusammenhänge zwischen Finanzmärkten und Realwirtschaft auf nationaler und internationaler Ebene begriffen worden. Vor der Krise war es nicht die Regel, Finanzmärkte in Makromodellen zu berücksichtigen. Dies war auch nicht nötig, da von ihnen zumeist kein eigenes Störpotenzial ausging. Im Zuge der Krise wurden dann aber Finanzmärkte verstärkt in empirische und theoretische makroökonomische Modelle integriert, um mit derart erweiterten Modellen zum Beispiel folgende Fragen zu beantworten: Welche Rolle spielen die Finanzmärkte im Allgemeinen und Banken im Besonderen als Verursacher konjunktureller Schwankungen? Über welche Kanäle übertragen sich Veränderungen auf den Finanzmärkten? Welchen Einfluss haben nationale im Vergleich zu internationalen Finanzmarktentwicklungen? Hat sich der Zusammenhang zwischen Finanzmärkten und Realwirtschaft über die Zeit verändert? Die Beantwortung dieser Fragen ist nicht einfach, aber in den letzten Jahren sind merkliche Fortschritte erzielt worden.
Der Aufsatz im aktuellen Monatsbericht stellt exemplarisch die Ergebnisse einer Klasse empirischer Modelle dar, wie sie in der Bundesbank entwickelt wurden und zum Einsatz kommen. Konkret wird ein sogenanntes Global Vector AutoRegressive Model (GVAR) verwendet, welches die Interaktion zwischen makroökonomischen Variablen und Finanzmarktvariablen einer Vielzahl fortgeschrittener und aufstrebender Länder in den letzten drei Jahrzehnten beschreibt. Im Rahmen dieses Modells werden die Wirkungen eines exogenen Rückgangs des Kreditangebots in Deutschland beziehungsweise in den USA auf den privaten nichtfinanziellen Sektor hierzulande und in anderen europäischen Ländern gemessen. Dabei wird auch näher auf die Übertragungskanäle eingegangen. Mit diesem Modell kann eine nennenswerte Rolle eines amerikanischen Kreditangebotsschocks für den internationalen Konjunkturzusammenhang nachgewiesen werden. Der Effekt eines entsprechenden Schocks in Deutschland ist zwar für Deutschland selbst von einiger Bedeutung, im weltweiten Maßstab aber eher gering.