Schwerpunkte des Monatsberichts März 2011

Die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2010

Der Überschuss der deutschen Leistungsbilanz hat sich 2010 leicht erhöht, er blieb jedoch deutlich hinter dem Rekordniveau aus dem Jahr 2007 zurück. Zur Ausweitung hat maßgeblich der Außenhandel beigetragen. Das Exportgeschäft deutscher Unternehmen belebte sich im Zuge des weltwirtschaftlichen Aufschwungs ausgesprochen kräftig. Der Zuwachs der nominalen Wareneinfuhren war prozentual sogar etwas stärker und zudem regional breit gestreut. Die deutsche Wirtschaft überträgt durch ihre vergleichsweise hohe Präsenz in den asiatischen Schwellenländern die konjunkturellen Impulse aus dem gegenwärtigen globalen Wachstumszentrum nach Europa. Der erhöhte Bedarf an importierten Vorleistungen ist zusammen mit den zunehmenden Investitions- und Konsumgüterimporten ein Beitrag dafür, die außenwirtschaftliche Überschussposition Deutschlands gegenüber dem Rest des Euro-Raums der Tendenz nach zu verringern.

Der Leistungsbilanzüberschuss ging 2010 mit Netto-Kapitalexporten in Höhe von 131 ½ Mrd € einher. Ausschlaggebend waren hohe Mittelabflüsse bei den Direktinvestitionen und im Wertpapierverkehr. Mit der sich erholenden Weltwirtschaft hat sich das grenzüberschreitende Engagement von Unternehmen global belebt, und auch die deutsche Wirtschaft hat wieder verstärkt im Ausland investiert.

Im Wertpapierverkehr waren es dagegen weniger die Portfoliodispositionen der privaten Marktteilnehmer, die zu dem Netto-Kapitalexport geführt haben, als vielmehr die Übertragung von Bilanzpositionen deutscher Banken und ihrer Konzerngesellschaften im Ausland auf sogenannte Abwicklungsanstalten. Die damit verbundenen Transaktionen hatten auch einen verzerrenden Einfluss auf den grenzüberschreitenden unverbrieften Kreditverkehr.

Vom Betrag her bedeutender war hier allerdings die erhebliche Zunahme der Forderungen der Bundesbank aus dem Zahlungsverkehrssystem TARGET2 (147 ½ Mrd €), die in der Zahlungsbilanz als Kapitalexport erscheint. Diese Verrechnungssalden sind aus der Übertragung von Zentralbankgeld innerhalb des Eurosystems entstanden und richten sich an die Europäische Zentralbank. Für die Bundesbank ergibt sich aus dem Anstieg ihrer TARGET2-Forderungen unmittelbar keine Veränderung ihrer Risikolage.

Konsequenzen für die Geldpolitik aus der Finanzkrise

Durch entschlossene Zinssenkungen und unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen haben die Notenbanken gemeinsam mit den Regierungen das internationale Finanzsystem stabilisiert und ein Abgleiten der Weltwirtschaft in eine anhaltende Depression verhindert. Mit dem Abklingen der unmittelbaren Auswirkungen der Krise stehen sie jedoch vor neuen Aufgaben. So ist der zeitlich angemessene Ausstieg aus den vielfältigen geldpolitischen Sondermaßnahmen zu bewerkstelligen, um die längerfristig schädlichen Nebenwirkungen zu vermeiden, die mit der in der Krise massiv gewachsenen Rolle der Notenbanken in der Finanzmarktintermediation verbunden sind.

Darüber hinaus werden gegenwärtig vor dem Hintergrund der Finanzkrise ebenfalls mögliche Konsequenzen für die grundsätzliche Ausrichtung der Geldpolitik diskutiert. Im Besonderen geht es um die Frage, ob die Geldpolitik als Kernbereich der Notenbankaufgaben um ein explizites Mandat für Finanzstabilität ergänzt werden sollte und ob die bisherige Formulierung des Preisstabilitätszieles in Form niedriger Inflationsraten weiterhin angemessen ist. Obwohl zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine endgültigen Antworten auf diese Fragen erwartet werden können, lassen sich dennoch einige Anhaltspunkte fundieren.

Die Aufnahme eines zusätzlichen expliziten Zieles für die Finanzstabilität birgt die Gefahr der Überfrachtung der Geldpolitik und das Risiko eines Glaubwürdigkeitsverlustes. Dies heißt nicht, dass Notenbanken keine Rolle in der makroprudenziellen Überwachung übernehmen sollten. Im Gegenteil sollte die bestehende Regulierung vielmehr durch eine auf systemische Risiken ausgerichtete eigenständige makroprudenzielle Politik ergänzt werden, in der Notenbanken zentral sind. Entscheidend ist dabei jedoch eine eindeutige Zuordnung der Verantwortlichkeiten zwischen Geldpolitik und anderen Notenbankaufgaben, die es der Geldpolitik ermöglicht, sich weiterhin auf die Wahrung von Preisstabilität zu konzentrieren.

Allerdings muss auch die Geldpolitik zukünftig Finanzmarktentwicklungen bei der Einschätzung der Inflationsrisiken ein stärkeres Gewicht geben und über den Finanzzyklus symmetrisch ausgerichtet werden. Dies ist in der mittelfristigen Orientierung und der monetären Säule der geldpolitischen Strategie des Eurosystems bereits angelegt. Das Ziel der Preisstabilität sollte wie bisher im Sinne niedriger Inflationsraten verstanden werden: Ein höheres Inflationsziel würde gravierende Kosten und der Übergang zu einer Preisniveausteuerung ebenfalls Nachteile nach sich ziehen.

Schließlich stehen Notenbanken vor institutionellen Herausforderungen. Insbesondere die im Gefolge der Krise stark gestiegene öffentliche Verschuldung erfordert, dass Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Notenbanken in einem schwierigen makroökonomischen Umfeld bewahrt werden müssen. Dies wird erleichtert, wenn die Geldpolitik auf Preisstabilität ausge-richtet bleibt und die Finanzpolitik durch fiskalische Disziplin der Geldpolitik den Raum gibt, den sie zum Erreichen ihres primären Zieles benötigt.

Ansätze zur Messung und makroprudenziellen Behandlung systemischer Risiken

Verständnis und Messung systemischer Risiken bilden die Grundlage einer effektiven makroprudenziellen Überwachung. Die Analyse stützt sich dabei auf ein breites Spektrum von Ansätzen, um möglichst alle wichtigen Aspekte des systemischen Risikos zu erfassen. Die makroprudenzielle Überwachung erfordert zudem ein transparentes und kohärentes Instrumentarium, das durch Fortschritte in der Messung und Analyse von Systemrisiken ständig zu verbessern ist. Bei diesen Instrumenten handelt es sich vielfach um originär mikroprudenzielle Maßnahmen, die mit einer makroprudenziellen Zielsetzung eingesetzt werden. Die Entwicklung der hierfür erforderlichen Konzepte und Methoden steht jedoch erst am Anfang. Daher geht es gegenwärtig vor allem auch darum, die Robustheit des Finanzsystems durch ein geeignetes makroprudenzielles Regelwerk weiter zu stärken.

Insgesamt stehen die Aufsichtsbehörden derzeit weltweit vor zwei Herausforderungen, denen sie gleichzeitig gerecht werden müssen: der Bereitstellung geeigneter Analysewerkzeuge sowie der Aufbau eines wirksamen makroprudenziellen Rahmen- und Regelwerks einschließlich erforderlicher makroprudenzieller Eingriffsinstrumente. In beiden Bereichen leistet die Bundesbank einen Beitrag, zum einen durch die Entwicklung eigener Analysemethoden, zum anderen durch ihre Mitarbeit in den einschlägigen internationalen Gremien.

Der Monatsberichtsaufsatz zeigt Ausschnitte aus dem breiten Methodenspektrum, das bislang zur Messung systemischer Risiken entwickelt worden ist. Die vorgestellten Modelle behandeln überwiegend Ansteckungseffekte im Bankensystem, die für die endogene Dynamik von Finanzkrisen entscheidend sind. Im Hinblick auf die Notwendigkeit verbesserter Regulierung wird dabei auch der angemessene Umgang mit der Systemrelevanz einzelner Finanzinstitute beleuchtet. Hier kommt es entscheidend darauf an, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien die Anreize für die Finanzinstitute so zu setzen, dass sie in ihrem Entscheidungskalkül die Folgen ihres Handelns für die Systemstabilität adäquat berücksichtigen.