Schwerpunkte des Monatsberichts Juli
Zur Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern
Die Gruppe der Schwellenländer hat in den letzten 20 Jahren einen eindrucksvollen Aufstieg erlebt. Ihr Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung und am weltweiten Handel hat erheblich zugenommen. In der jüngeren Zeit hat die gesamtwirtschaftliche Dynamik allerdings in einer Vielzahl von Schwellenländern deutlich nachgelassen, und ihr Wachstumsvorsprung gegenüber den Industrieländern hat sich verringert.
Als Ursache sind zunächst vielfach zyklische Belastungen vermutet worden, insbesondere die zwischenzeitliche Nachfrageflaute in den Industrieländern. Die Hartnäckigkeit der Wachstumsschwäche spricht jedoch dafür, dass sich vielmehr der zugrunde liegende Expansionspfad abgeflacht hat. Eine "natürliche" Verringerung des Wachstumstempos im Zuge des vorangeschrittenen Konvergenzprozesses könnte in diesen Zusammenhang eine gewisse Rolle spielen. Angesichts des Ausmaßes der Verlangsamung dürften bei einer Reihe von Schwellenländern aber noch andere strukturelle Faktoren hinzugekommen sein.
In China trägt zu der schwächeren Gangart wohl bei, dass der sektorale Strukturwandel nachlässt und die Wachstumsimpulse, die von den marktwirtschaftlichen Reformen der Vergangenheit herrühren, auslaufen. Für jene aufstrebenden Volkswirtschaften, die auf den Export von Rohstoffen spezialisiert sind, scheint von Bedeutung zu sein, dass die Rohstoffhausse zu Ende gegangen ist. In den osteuropäischen Schwellenländern reflektiert das gedrosselte Tempo eine Normalisierung, nachdem sich die hohen Zuwachsraten aus der Zeit unmittelbar vor der globalen Finanzkrise als nicht nachhaltig herausgestellt haben. Auch die gebremste Investitionstätigkeit und eine Vernachlässigung des wirtschaftspolitischen Reformkurses halten das Wirtschaftswachstum zurück.
Angesichts des überwiegend strukturellen Charakters der Abschwächung wird die gesamtwirtschaftliche Gangart in der Gruppe der Schwellenländer vermutlich in den nächsten Jahren gedämpft bleiben. Unter ungünstigen Umständen könnte sich das Wachstum weiter verringern. Für die fortgeschrittenen Volkswirtschaften bedeutet der Ausblick, dass das Grundtempo ihrer Exporte in die Schwellenländer voraussichtlich auf absehbare Zeit niedriger ausfallen wird als in der Vergangenheit.
Käme es in China zu einer starken Konjunkturabkühlung, wären die Ausstrahleffekte wohl auch hierzulande spürbar. Die Verlangsamung des gesamtwirtschaftlichen Expansionstempos in den Schwellenländern zeigt, dass ein schwungvoller Aufholprozess kein "Selbstläufer" ist. Um das Wachstum mittelfristig wieder auf einen höheren Trendpfad zu heben, benötigen die Schwellenländer neue Reformimpulse.
Anpassungsmuster von Unternehmen am deutschen Arbeitsmarkt in der Großen Rezession – ausgewählte Ergebnisse einer Sonderumfrage
Der Arbeitsmarkt in Deutschland war im Hinblick auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit während der Großen Rezession 2008/ 2009 durch eine vergleichsweise hohe Stabilität gekennzeichnet. Diese Widerstandsfähigkeit war sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich außergewöhnlich und ergab sich – wie in zahlreichen Studien gut dokumentiert – durch das Zusammenspiel mehrerer tariflicher Flexibilisierungsschritte sowie arbeitsmarktpolitischer Reformen in der jüngeren Vergangenheit, durch die Unternehmen sehr passgenau auf den massiven globalen Schock im Winterhalbjahr 2008/ 2009 reagieren konnten.
Eine neue Studie der Bundesbank ergänzt die bereits existierenden Untersuchungen zu diesem Thema. In ihr wird der Frage nachgegangen wird, ob diejenigen Unternehmen, die in der Krise eher einem länger anhaltenden strukturellen Schock ausgesetzt waren, sich anders verhalten haben als diejenigen, die unter Umständen zwar heftig, aber nur kurzfristig betroffen waren. Als Datengrundlage dient eine Umfrage bei Unternehmen, die das ifo Institut im Auftrag der Bundesbank im Sommer 2014 unter den üblicherweise am ifo Konjunkturtest teilnehmenden Firmen durchgeführt hat. Die Analyse konzentriert sich auf das Produzierende Gewerbe ohne Bau, da dieser Wirtschaftsbereich besonders stark vom globalen Nachfrageeinbruch getroffen worden war. Insgesamt sprechen die Ergebnisse der Befragung dafür, dass Unternehmen, die sich einem lediglich temporären Nachfrageeinbruch ausgesetzt sahen, in der Krise eher konjunkturelle personalpolitische Maßnahmen wie Kurzarbeit ergriffen und stärker darauf achteten, kein qualifiziertes Personal zu verlieren. Strukturelle, eher dauerhaft wirkende personalpolitische Instrumente wurden dagegen tendenziell stärker von Unternehmen genutzt, die sich einer anhaltenden Absatzschwäche gegenübersahen.
Grundsätzlich besteht bei konjunkturpolitisch motivierten Eingriffen in den Arbeitsmarkt die Gefahr, dass sie von Unternehmen genutzt werden, um notwendige strukturelle Anpassungen hinauszuzögern. In der speziellen Situation der Großen Rezession hat aber trotz der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung, zu denen insbesondere die Erleichterungen bei der Inanspruchnahme des Kurzarbeitergeldes zu zählen sind, ein in einigen Bereichen notwendiger struktureller Wandel wohl in gewissem Umfang weiter stattgefunden. Ein Indiz hierfür ist das differenzierte Verhalten der Unternehmen, denn die konjunkturellen arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurden vor allem von Unternehmen genutzt, die eine lediglich temporäre Absatzflaute zu bewältigen hatten.