Schwerpunkte des Monatsberichts April 2016
Die Phillips-Kurve als Instrument der Preisanalyse und Inflationsprognose in Deutschland
Seit Beginn der Finanzkrise im Sommer 2007 steht die Analyse und Prognose der Preisentwicklung vor besonderen Herausforderungen. In Deutschland ging die Inflationsrate wie in den meisten anderen großen Industrieländern während der großen Rezession zunächst deutlich zurück. Im Zuge der wirtschaftlichen Erholung zog die Teuerungsrate bis zum Jahr 2011 recht schnell wieder an, gab vom Jahr 2012 an abermals spürbar nach und blieb dann - gemessen an der positiven Entwicklung des Arbeitsmarktes - überraschend niedrig.
Der Beitrag des Monatsberichts April 2016 untersucht, ob sich die Inflationsentwicklung in Deutschland in den vergangenen Jahren im Kontext der Phillips-Kurve verstehen lässt, wonach in der kurzen bis mittleren Frist die heimische Inflationsrate positiv vom Auslastungsgrad in der Realwirtschaft und/oder der Arbeitsmarktsituation abhängen sollte. Dabei wird auch berücksichtigt, welchen Einfluss die starken Schwankungen der Preise für Rohöl und für Nahrungsmittelrohstoffe seit 2007 auf die Verbraucherpreise hatten. Es zeigt sich, dass sowohl die Entwicklung der Gesamtinflationsrate als auch der Verlauf der Rate ohne Energie und Nahrungsmittel, die häufig als Kerninflationsrate bezeichnet wird, recht gut durch die Phillips-Kurve erklärt werden können.
Jedoch deuten die Ergebnisse darauf hin, dass die Kerninflationsrate seit dem Jahr 2009 maßgeblich durch Schwankungen der Einfuhrpreise (ohne Energie) bestimmt wurde, wohingegen bei der Gesamtinflationsrate der Ölpreis eine dominierende Rolle spielt. Die realwirtschaftlichen Determinanten, namentlich der Auslastungsgrad und die Arbeitsmarktsituation, tragen auf Grundlage der Phillips-Kurven-Analyse zwar seit dem Jahr 2012 positiv zum Preisanstieg ohne Energie und Nahrungsmittel bei. Allerdings ist ihr Einfluss recht gering und häufig auch nicht statistisch signifikant. Für die Gesamtinflation ist der Beitrag der realwirtschaftlichen Determinanten, der über den implizit in den Inflationserwartungen enthaltenen Einfluss hinausgeht, den Schätzungen zufolge praktisch vernachlässigbar. In den vergangenen Jahren dürfte dies auch der Tatsache geschuldet sein, dass die Produktionslücke seit 2012 de facto geschlossen ist.
Eine wesentliche Veränderung des Phillips-Kurven-Zusammenhangs ist in Deutschland nicht festzustellen; lediglich der Einfluss der außenwirtschaftlichen Bedingungen scheint seit dem Jahr 2012 etwas zugenommen zu haben scheint. Was die Prognosegüte der Phillips-Kurve angeht, so sind die Ergebnisse gemischt. Wird im realistischen Fall davon ausgegangen, dass der Verlauf der erklärenden Variablen im Prognosezeitraum nicht bekannt ist, lässt sich zwar die grobe Richtung der Kerninflationsrate seit 2008 nachvollziehen, allerdings umfasst die Schar der Phillips-Kurven-Prognosen nicht immer die tatsächliche Preisentwicklung. Für die Gesamtinflationsrate fällt das Ergebnis schlechter aus, was sich durch den dominierenden Einfluss des Rohölpreises erklären lässt.
Bewertungsniveau am Aktienmarkt - Theoretische Grundlagen und Weiterentwicklung von Kennzahlen
Die Frage nach dem angemessenen Bewertungsniveau an den Aktienmärkten ist zuletzt angesichts ausgeprägter Kursschwankungen wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Diskussion gerückt. Auch aus geld- und finanzstabilitätspolitischer Sicht ist die Entwicklung des Bewertungsniveaus am Aktienmarkt von Interesse.
Eine theoretische Grundlage für eine angemessene Bewertung bilden Dividendenbarwertmodelle, die auf Zinsen und auf Dividendenerwartungen beruhen und aus denen sich implizite Eigenkapitalkosten und Aktienrisikoprämien ableiten lassen. Im Kern führen diese Modelle beobachtete Aktienkursentwicklungen auf Änderungen der einzelnen Modellkomponenten zurück. Dividendenbarwertmodelle liefern mit den ermittelten impliziten Eigenkapitalkosten und Aktienrisikoprämien aber nicht nur einen Gradmesser für die Aktienbewertung beziehungsweise für die Risikoeinstellungen der Marktteilnehmer. Über die Entwicklung der einzelnen Modellkomponenten helfen sie darüber hinaus dabei, das breitere konjunkturelle Umfeld der Unternehmen abzuschätzen.
Der Aufsatz des Bundesbank-Monatsberichts April 2016 stellt eine Weiterentwicklung der üblicherweise implementierten Bewertungsansätze vor. Dabei wird auf Zinsen und auf Dividendenerwartungen von Analysten zurückgegriffen, die laufzeitspezifisch sind. Gemessen an den impliziten Eigenkapitalkosten lag das Bewertungsniveau des DAX Ende März leicht unterhalb seines Zehnjahresmittels. Dagegen notierte die Aktienrisikoprämie mit 7½ Prozent vergleichsweise hoch und nahe an den implizierten Eigenkapitalkosten. Diese niedrige Differenz zwischen beiden Kerngrößen dürfte vor allem dem derzeitigen Niedrigzinsumfeld geschuldet sein. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Höhe des Bewertungsniveaus und die daraus abgeleiteten Beurteilungen auf der Annahme beruhen, dass die umfragebasierten Gewinn- und Dividendenprognosen die Markterwartungen korrekt wiedergeben, was nicht zwingend der Fall sein muss. Deshalb sollten die Kennzahlen des Dividendenbarwertmodells nicht isoliert betrachtet, sondern als Komponenten eines breiten Indikatorenansatzes verstanden werden.