Finanzstabilitätsbericht 2012
Die europäische Staatsschuldenkrise stellt weiterhin die größte Bedrohung für die Finanzstabilität in Deutschland dar. Eine deutliche Verschärfung der Situation würde nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank die hiesigen Banken und Versicherer deutlich belasten. Zudem könnten das niedrige Zinsniveau, die hohe Liquidität und mögliche Übertreibungen am deutschen Immobilienmarkt die Finanzstabilität künftig gefährden.
Die Risiken für das deutsche Finanzsystem haben sich 2012 im Vergleich zum Vorjahr nicht verringert. Die europäische Staatschuldenkrise hat sich sogar zeitweise zugespitzt, die beiden großen Volkswirtschaften Spanien und Italien sind in den Sog der Krise geraten. Um das Finanzsystem zu stabilisieren, sind daher massive geld- und finanzpolitische Maßnahmen erforderlich gewesen. „Die Geldpolitik kann die Ursachen der Krise allerdings nicht beseitigen, sondern nur Zeit verschaffen“, gab Sabine Lautenschläger, Vizepräsidentin der Deutschen Bundesbank, bei der heutigen Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2012 zu bedenken. Und die Notenbanken hätten bereits viel getan, so die Vizepräsidentin weiter. „Dies hat zu einer immer stärkeren Übernahme von Risiken durch den öffentlichen Sektor und zu einer Verfestigung des Niedrigzinsumfelds geführt“, sagte Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, zuständig für den Bereich Finanzstabilität. „Die Nebenwirkungen der kurzfristigen Stabilisierung können sich mittel- bis längerfristig als Hypothek für die Finanzstabilität erweisen“, warnte er.
Dennoch gibt es über die deutschen Banken Positives zu berichten: Sie haben ihre Verschuldungsquoten verringert, ihr Kernkapital erhöht und sich zunehmend über stabilere Quellen wie Kundeneinlagen refinanziert. Darüber hinaus haben die deutschen Banken ihre Forderungen gegenüber den von der Staatschuldenkrise betroffenen Ländern deutlich reduziert. Dennoch weist das deutsche Bankensystem zur Jahresmitte 2012 nach wie vor erhebliche finanzielle Forderungen gegenüber Italien und Spanien auf, davon knapp 59 Mrd. Euro gegenüber den öffentlichen Haushalten beider Länder. „Sollte sich die Staatsschuldenkrise erheblich verschärfen, würde das natürlich auch das deutsche Finanzsystem in Mitleidenschaft ziehen“, warnte Lautenschläger. Zudem gibt es nach Auffassung der Bundesbank noch weitere strukturelle Entwicklungen, welche die Ertragslage der Banken mittelfristig belasten. „Dazu gehören die Kosten der Regulierung ebenso wie der sich abzeichnende schärfere Wettbewerb um Kundeneinlagen und um das Kreditgeschäft“, so die Vizepräsidentin. „Kreditinstitute sollten daher ihre Geschäftsmodelle fortlaufend auf den Prüfstand stellen und sich zügig dem stärker werdenden Wettbewerb anpassen; auch Konsolidierung sollte kein Tabu sein“, sagte Lautenschläger.
Die Bundesbank sieht zudem durch das Niedrigzinsumfeld negative Auswirkungen auf die Versicherer. „Um künftig Zinsgarantien bedienen zu können, müssen die Lebensversicherer weiterhin Vorsorge treffen“, sagte Bundesbankvorstand Dombret. Angesichts der niedrigen Zinsen hat die Bundesbank ihren Fokus auch auf die Entwicklung der deutschen Immobilienmärkte gerichtet. In Ballungsgebieten verzeichnen die Immobilienpreise einen beschleunigten Anstieg, Preisübertreibungen in einzelnen regionalen Teilmärkten können nicht ausgeschlossen werden. Ein rascher Aufbau von Risiken für die Finanzstabilität in Deutschland sei deshalb zwar noch nicht zu erkennen, sagte Dombret. Er warnte jedoch: „Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass es gerade in einem Umfeld niedriger Zinsen und hoher Liquidität zu Übertreibungen an den Immobilienmärkten kommen kann. Dies kann auch in deutschen Ballungszentren zum Tragen kommen und die Finanzstabilität hierzulande erheblich gefährden“, betonte Dombret.
Wie schon vor Ausbruch der Finanzkrise spielt das globale Schattenbankensystem weiterhin eine große Rolle. Zwar ist das deutsche Schattenbankensystem vergleichsweise klein; es verwaltet ein Nettovermögen von rund 1.300 Mrd. Euro, was etwa 15 % der Bilanzsumme des regulären Bankensystems entspricht. Risiken aus dem globalen Schattenbankensystem können sich jedoch rasch auf das deutsche Finanzsystem übertragen. „Wir leben nicht auf einer Insel. Das Schattenbankensystem ist streng zu überwachen und international konsistent zu regulieren. Nur ein globaler Ansatz hilft wirklich weiter, um Ansteckungseffekte auch auf deutsche Banken und Versicherer einzudämmen“, sagte Dombret.