Die deutsche Zahlungsbilanz im Juni 2020

Leistungsbilanzüberschuss sehr stark ausgeweitet

Die deutsche Leistungsbilanz verzeichnete im Juni 2020 einen Überschuss von 22,4 Mrd .[1] Das Ergebnis lag damit um 15,4 Mrd  über dem Niveau des Vormonats. Dahinter stand ein kräftiger Anstieg des Saldos im Bereich der „unsichtbaren“ Leistungstransaktionen, der neben Dienstleistungen auch Primär- und Sekundäreinkommen umfasst, sowie im Warenhandel.  

Der Überschuss im Warenhandel weitete sich im Juni gegenüber dem Vormonat um 6,8 Mrd  auf 16,1 Mrd  aus. Nach dem pandemiebedingten Einbruch im April setzte sich im Juni die schrittweise Belebung der Wirtschaftsaktivität in Deutschland und in vielen Partnerländern fort, im Zuge derer sowohl die deutschen Warenexporte als auch die Warenimporte weiter zunahmen. Dabei erhöhten sich die Warenausfuhren deutlich stärker als die Wareneinfuhren.

Der Saldo bei den „unsichtbaren“ Leistungstransaktionen“ stieg im Juni um 8,6 Mrd  auf einen Überschuss in Höhe von 6,3 Mrd . Wesentlich dafür war, dass bei den Primäreinkommen das geringfügige Defizit im Mai von 0,1 Mrd € wieder deutlich in Nettoeinkünfte in Höhe von 6,4 Mrd € umschlug. Dazu trug insbesondere eine Gegenbewegung bei den Dividendenzahlungen für Wertpapierengagements an Gebietsfremde bei, die im Vormonat, wie im Mai üblich, erheblich ausgeweitet worden waren. Die daraus resultierenden verminderten Steuerzahlungen von Gebietsfremden führten zu einer entsprechenden Gegenbewegung bei den Einnahmen des Staates aus laufenden Steuern auf Einkommen und Vermögen und drückten bei den Sekundäreinkommen die Einkünfte. Im Ergebnis halbierte sich hier jedoch das Defizit auf 1,7 Mrd €, da die Ausgaben vor allem aufgrund geringerer staatlicher Zahlungen an den EU-Haushalt, die in Verbindung mit auf das Bruttonationaleinkommen bezogenen Finanzierungsleistungen standen, noch stärker sanken. Zudem vergrößerte sich der Überschuss in der Dienstleistungsbilanz leicht um 0,4 Mrd  auf 1,6 Mrd . Die Aufwendungen stiegen zwar; dabei spielte insbesondere eine Rolle, dass im Zuge der Lockerungen bei den Maßnahmen zur Pandemieeindämmung die Reiseverkehrsausgaben ausgeweitet wurden. Die Einkünfte nahmen jedoch etwas stärker zu, vor allem wegen höherer Einnahmen im Bereich der sonstigen unternehmensbezogenen Dienste und der EDV-Dienstleistungen.

Mittelzuflüsse im Wertpapierverkehr

Im Juni 2020 prägte weiterhin die in vielen Ländern stark steigende Zahl von Covid-19-Infektionen das Geschehen an den internationalen Finanzmärkten. Angesichts der umfangreichen Hilfsmaßnahmen zur Eindämmung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie keimte zugleich aber Hoffnung auf eine konjunkturelle Erholung in der zweiten Jahreshälfte auf. Diese Entwicklungen schlugen sich auch im grenzüberschreitenden Wertpapierverkehr Deutschlands nieder, der im Juni Netto-Mittelzuflüsse von 0,3 Mrd  (Mai: 25,6 Mrd ) verzeichnete. Ausländische Investoren kauften per saldo deutsche Wertpapiere für 28,8 Mrd €. Sie fragten Geldmarktpapiere (16,4 Mrd €) und – insbesondere öffentliche – Anleihen (13,3 Mrd €) nach. In geringem Umfang erwarben sie auch Investmentzertifikate (0,4 Mrd €), trennten sich aber von hiesigen Aktien (1,2 Mrd €). Inländische Anleger kauften im Ergebnis ausländische Wertpapiere für 28,5 Mrd €. Fast die Hälfte davon entfiel auf Anleihen (14,1 Mrd €); vor allem auf Euro lautende Papiere waren gefragt. Daneben erwarben heimische Investoren per saldo Aktien (7,2 Mrd €), Geldmarktpapiere (4,4 Mrd €) und Investmentzertifikate (2,9 Mrd €) im Ausland.

Im Bereich der Finanzderivate ergab sich im Juni ein Netto-Kapitalexport von 12,4 Mrd  (Mai: 5,4 Mrd ).

Bei den Direktinvestitionen floss im Juni Kapital von per saldo 6,1 Mrd  ab (nach Netto-Kapitalimporten von 0,8 Mrd  im Mai). Inländische Unternehmen erhöhten ihre Direktinvestitionen im Ausland um 10,3 Mrd €. Dabei führten sie ausländischen Niederlassungen Beteiligungskapital zu (5,9 Mrd €) und gewährten verbundenen Unternehmen zusätzliche Kredite (4,4 Mrd €). Ausländische Firmen bauten ihre Direktinvestitionsbestände in Deutschland ebenfalls aus (4,2 Mrd €). Sie erhöhten die konzerninterne Kreditvergabe (3,8 Mrd €) und stockten ihr Beteiligungskapital (0,4 Mrd €) auf.

Im übrigen statistisch erfassten Kapitalverkehr, der Finanz- und Handelskredite (soweit diese nicht zu den Direktinvestitionen zählen), Bankguthaben und sonstige Anlagen umfasst, kam es im Juni per saldo zu Mittelabflüssen von 9,0 Mrd  (nach 23,1 Mrd  im Mai). Netto-Kapitalexporte ergaben sich aus den grenzüberschreitenden Transaktionen, die über die Konten der Bundesbank abgewickelt wurden (75,0 Mrd €); ursächlich waren hierbei gestiegene TARGET2-Forderungen. Die monetären Finanzinstitute ohne Bundesbank verzeichneten hingegen Mittelzuflüsse von 43,8 Mrd . Auch Unternehmen und Privatpersonen (21,3 Mrd ) sowie dem Staat (1,0 Mrd €) flossen im übrigen Kapitalverkehr per saldo Mittel aus dem Ausland zu.

Die Währungsreserven der Bundesbank sind im Juni – zu Transaktionswerten gerechnet – leicht gesunken (0,7 Mrd ).


Fußnote

  1. Seit Mitte März 2020 gibt es aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie erhebliche Einschränkungen im öffentlichen Leben. Diese Einschränkungen haben keine erkennbar negative Auswirkung auf den Erstellungsprozess der Zahlungsbilanz und damit auf die allgemeine Qualität der Ergebnisse. Die Datengrundlagen für die Positionen „Reiseverkehr“ und „Einkommen aus Direktinvestitionen“ liegen allerdings nur sehr begrenzt vor bzw. unterliegen einer höheren Unsicherheit als gewöhnlich. Es könnte daher in diesen Bereichen zukünftig zu größeren Revisionen kommen.