Deutschlands Direktinvestitionsbeziehungen in den Jahren 2022 / 2023
Zum Jahresende 2022 sind die unmittelbaren deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland gegenüber Ende 2021 im Saldo um knapp 3 % auf 1.634 Mrd € gestiegen. Neben den Kapitalströmen spielten hierbei auch positive Bewertungseffekte durch die Abwertung des Euro eine Rolle. Gut ein Drittel der Bestandserhöhung deutscher Direktinvestitionen im Ausland war auf diese Wechselkurseffekte zurückzuführen. Auch die ausländischen Direktinvestitionen im Inland stiegen gegenüber dem Stand Ende 2021 an, und zwar um 6,5 % auf einen Bestand von 956 Mrd €.
Grundsätzlich folgen Direktinvestitionen strategischen Überlegungen und haben deshalb lange Planungs- und Umsetzungsphasen. Dennoch sind sie nicht völlig unabhängig von kurzfristigen Entwicklungen in den Zielregionen oder in einzelnen Wirtschaftszweigen. Insbesondere wenn Direktinvestitionsbeziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe Finanzierungsfunktionen erfüllen, kann es über konzerninterne Kreditvergaben oder -rückzahlungen auch auf Jahresfrist zu größeren Schwankungen in den Bestandsgrößen kommen.
Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland – Krieg und Energieversorgung im Fokus
Die größte Position der unmittelbaren deutschen Direktinvestitionen im Ausland entfiel 2022 auf das Beteiligungskapital mit 1.808 Mrd €. Gegenüber dem Vorjahr betrug der Zuwachs knapp 2 %. Mit 15 % stiegen die Kreditforderungen deutlich stärker. Die unmittelbaren deutschen Direktinvestitionen insgesamt beliefen sich Ende 2022 per Saldo auf 1.634 Mrd €. Den Gesamtforderungen in Höhe von 2.243 Mrd € standen gering gestiegene Verbindlichkeiten in Höhe von 609 Mrd € gegenüber.
Der Großteil der unmittelbaren Direktinvestitionen entfiel wie üblich auf Beteiligungsgesellschaften. Diese dienen oft der Steuergestaltung oder Kapitalbündelung und -weiterleitung. Sie stellen daher nicht das Endanlageinteresse dar, sondern fungieren als Durchleitstellen für Direktinvestitionskapital. Um das finale regionale oder sektorale Anlageinteresse zu erkennen, muss durch die Beteiligungsgesellschaften „hindurch“ gesehen werden. Dies leisten die konsolidierten Daten der unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen, zum Jahresende 2022 betrugen sie 1.546 Mrd €. Hiervon entfielen rund 50 % oder 755 Mrd € auf die Zielregion Europa, gefolgt von Amerika mit 512 Mrd € und Asien mit 243 Mrd €.
Bei Betrachtung der Einzelländer zeigte sich, dass innerhalb Europas Luxemburg weiterhin das primäre Zielland deutscher Anlagen war (119 Mrd €), vornehmlich im Wirtschaftszweig Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (104 Mrd €). Ähnliches galt in sektoraler Hinsicht für die USA, in Amerika traditionell bedeutendstes Anlageland deutscher Direktinvestitionen. Bei einem Anlagebestand von insgesamt 424 Mrd € konzentrierte sich hier ebenfalls mit 126 Mrd € das Investitionsinteresse auf den Wirtschaftszweig Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Lediglich in China, Hauptzielland in Asien, war mit 86 Mrd € das verarbeitende Gewerbe bei einem Gesamtbestand von 122 Mrd € der dominierende Wirtschaftszweig.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sind mit der aktuellen Auswertung erstmals Folgen auf die deutschen Direktinvestitionsbestände gegenüber Russland und der Ukraine aber auch auf die Direktinvestitionsbestände inländischer und ausländischer Energieversorger insgesamt sichtbar. Es zeigte sich, dass trotz der Verwerfungen in den bilateralen Beziehungen und der Sanktionen die deutschen Direktinvestitionsbestände gegenüber Russland als Zielland in der unmittelbaren und mittelbaren Betrachtungsweise im Saldo statistisch nur geringfügig um rund 1 Mrd € auf 22 Mrd € sanken.
Ein Blick auf die Kenngrößen verbundener Unternehmen in Russland zeigte jedoch markante Veränderungen. Nicht nur ging die Anzahl dieser Unternehmen um 41 auf 692 zurück. Damit zusammenhängend reduzierte sich auch die Zahl der Beschäftigten um 75 Tsd auf 182 Tsd und der Jahresumsatz der verbundenen Unternehmen in Russland um 18 Mrd € auf rund 57 Mrd €. Die Folgen des Krieges scheinen sich hier klarer abzubilden als in der Veränderung der Direktinvestitionsbestände.
Für die Ukraine machten sich die Auswirkungen des Krieges auch in den Beständen stärker bemerkbar. Die deutschen Direktinvestitionen halbierten sich auf 2 Mrd €. Ebenso wie die Bestände halbierten sich auch die Umsätze der Unternehmen in der Ukraine von knapp 9 Mrd € auf rund 5 Mrd € in 2022 bei nahezu unveränderter Anzahl (minus 7 auf 143).
Im Zuge des Krieges stand kein Wirtschaftszweig stärker im Fokus als die Energieversorgung: Inländische Energieversorgungsunternehmen erhöhten 2022 ihre ausländischen Direktinvestitionsbestände in der unmittelbaren und mittelbaren Betrachtung von rund 10 Mrd € auf 11 Mrd € bei nahezu konstanter Anzahl inländischer Investoren (plus 1 auf 79). Aufschlussreicher ist aber der Blick auf die ausländischen Tochterunternehmen im Wirtschaftszweig Energieversorgung. Hier stiegen die unmittelbaren und mittelbaren Bestände aller inländischen Direktinvestoren um über 13 Mrd € auf knapp 50 Mrd € an. Die Umsätze ihrer Töchter wuchsen im Betrachtungszeitraum sogar um mehr als 80 % von 136 Mrd € auf 248 Mrd €. Dieser ungewöhnlich hohe Sprung dürfte in den Umsatzzahlen auch durch die kriegsbedingten Preissteigerungen für Energie getrieben sein.
Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland – Luxemburg, Niederlande und USA weiterhin führend
Die Bestände unmittelbarer ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland stiegen gegenüber dem Vorjahreswert um 61 Mrd € an. Haupttreiber war das Beteiligungskapital mit einem Plus von rund 47 Mrd € auf einen Gesamtbestand von 749 Mrd €. Damit machten die Eigenkapitalverbindlichkeiten deutscher Tochterunternehmen 60 % der Gesamtverbindlichkeiten von 1.240 Mrd € aus. Die saldierten ausländischen Direktinvestitionen, also die Verbindlichkeiten abzüglich der Forderungen gegenüber ausländischen Kapitalgebern, erreichten 2022 damit einen Bestand von 956 Mrd €.
Mit knapp 420 Mrd € war die Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen der bedeutendste Wirtschaftszweig. Davon entfielen rund 296 Mrd € auf inländische Beteiligungsgesellschaften ohne Managementfunktion.
Auch in dieser Richtung der Direktinvestitionsbeziehungen ist es möglich, durch inländische Beteiligungsgesellschaften (mit und ohne Managementfunktion) hindurchzuschauen und die Wirtschaftszweige der Anlageobjekte zu betrachten. Bei dieser Sichtweise entfiel weiterhin der größte Anteil der Bestände auf Investitionsobjekte auf den Bereich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Der Direktinvestitionsbestand dieser Objekte hat sich im Vergleich zum Vorjahr um rund 27 Mrd € auf knapp 240 Mrd € erhöht. Dies bedeutete ein Plus von 13 %.
Die bedeutendsten Kapitalgeber unmittelbarer und mittelbarer ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland waren weiterhin Luxemburg (131 Mrd €) und die Niederlande (131 Mrd €), gefolgt von den USA (73 Mrd €).
Moderate Direktinvestitionsflüsse von und nach Deutschland im Jahr 2023
Während die aus den Unternehmensbilanzen ermittelten Direktinvestitionsbestände mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 16 Monaten vorliegen, liefern die Meldungen zur Zahlungsbilanz bereits Transaktionsdaten für das Jahr 2023. Diese erfassen ausschließlich die unmittelbaren Direktinvestitionsbeziehungen. Die deutschen Direktinvestitionen ins Ausland zeigten zwar eine deutlich schwächere Investitionstätigkeit als im Vorjahr, verzeichneten für das Jahr 2023 aber insgesamt ein Plus in Höhe von 75 Mrd € (2022: 170 Mrd €). Die aus dem Ausland nach Deutschland geflossenen Direktinvestitionsströme reduzierten sich auf 15 Mrd € und damit auf etwa ein Viertel des Vorjahreswertes. Im Ergebnis beliefen sich die deutschen Netto-Direktinvestitionen mit dem Ausland auf rund 60 Mrd €. Das entsprach der Hälfte des Vorjahreswertes.
Deutsche Direktinvestitionen im Ausland: Europa als wichtigste Zielregion
Deutsche Unternehmen investierten im Jahr 2023 weltweit rund 75 Mrd €. Der Großteil floss in Beteiligungskapital (63 Mrd €), während die Gewährung konzerninterner Kredite lediglich 12 Mrd € betrug. Europa war erneut die beliebteste Zielregion deutscher Direktinvestitionen: 76 Mrd € wurden in europäischen Ländern investiert, darunter mehr als die Hälfte im Euroraum.
Auf den anderen Kontinenten waren Rückflüsse von rund 18 Mrd € aus Nordamerika zu beobachten, während Zentral- (minus 4 Mrd €) und Südamerika (plus 3 Mrd €) nur gering zur Veränderung beitrugen. Mit knapp 16 Mrd € wurden zudem größere Beträge in Asien investiert.
Die Einzellandbetrachtung zeigte in Europa die größten Investitionen in Beteiligungskapital in Luxemburg (15 Mrd €), den Niederlanden (6 Mrd €), Frankreich (5 Mrd €) und Spanien (4 Mrd €). Außerhalb der EU und des Euroraums war Großbritannien mit 19 Mrd € das wichtigste Zielland deutscher Direktinvestitionen; hauptsächlich in Form von Direktinvestitionskrediten (15 Mrd €).
Gegenüber dem Vorjahr wurden 2023 statistisch zusätzlich Forderungen in Höhe von 3 Mrd € aufgebaut, im Wesentlichen durch unterstellte Reinvestitionen von Unternehmensgewinnen russischer Firmen. Da es sich bei der Angabe der reinvestierten Gewinne um eine vorläufige Schätzgröße handelt, die rein rechnerisch auf Grundlage der Bestandsgrößen ermittelt wurde, kann der tatsächliche Einfluss der Reinvestitionen erst mit Vorliegen der Bestandsdaten des Jahres 2023 verlässlich beziffert werden.
Der große Mittelrückfluss aus Amerika ging mit 19 Mrd € fast vollständig auf die USA zurück. Hauptursache hierfür waren Reduzierungen von Kreditbeziehungen. Die Mittelflüsse nach Asien wurden stark durch die Erhöhung von Beteiligungskapital in China in Höhe von 7 Mrd € getrieben, gefolgt von Israel (über 3 Mrd €) und Indien (rund 2 Mrd €).
Direktinvestitionszuflüsse aus Europa bleiben weiterhin dominant
Das Neuengagement ausländischer Investoren in deutschen Unternehmen war 2023 mit 15 Mrd € erneut geringer als im Vorjahr. Ursächlich für den Rückgang um drei Viertel war ein deutlicher Abbau von Direktinvestitionskrediten in Höhe von 10 Mrd € (2022: Aufbau von 36 Mrd €). 2023 wurden 25 Mrd € in Beteiligungskapital investiert, Neuanlagen von 45 Mrd € standen dabei Liquidationen von 24 Mrd € gegenüber.
In Europa kam es zu größeren, teils gegenläufigen Bewegungen. Innerhalb des Euroraums waren es insbesondere die Niederlande (30 Mrd €) und Irland (10 Mrd €), von denen Mittel aus Deutschland abgezogen wurden. Dabei handelte es sich jeweils hauptsächlich um den Abbau von Direktinvestitionskrediten.
Aus anderen Teilen Europas wurden insgesamt 43 Mrd € an Verbindlichkeiten aufgebaut. Markante Mittelzuflüsse gab es aus dem Vereinigten Königreich. Getrieben von Direktinvestitionskrediten (35 Mrd €) erhöhten sich die deutschen Verbindlichkeiten um 38 Mrd €.
Amerika zeigte einen ähnlichen Trend wie der Euroraum. Deutsche Verbindlichkeiten sanken um über 11 Mrd €. Der größte Rückgang war bei den konzerninternen Krediten aus den USA zu beobachten (mehr als 13 Mrd €). Alleine durch den Zuwachs von Beteiligungskapital (6 Mrd €) blieb der Rückgang der Verbindlichkeiten im einstelligen Milliardenbereich.
Unternehmen aus Asien wiederum erhöhten ihr Engagement in Deutschland weiter, in 2023 gegenüber dem Vorjahr vergleichsweise moderat um etwas mehr als 2 Mrd € (2022: über 9 Mrd €).