Deutschlands Direktinvestitionsbeziehungen in den Jahren 2021/2022
Zum Jahresende 2021 sind die unmittelbaren deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland gegenüber dem Stand zum Ende des Vorjahres um knapp 8 % auf 1.506 Mrd € gestiegen. Neben den Kapitalströmen spielten hierbei positive Wechselkurseffekte eine Rolle, die zu einer höheren Bewertung der Bestände führten. Die ausländischen Direktinvestitionen in Deutschland boten ein anderes Bild. Zum Jahresende 2021 gingen die Bestände erstmals seit langem zurück, und zwar um 2 % auf 852 Mrd €.
Grundsätzlich folgen Direktinvestitionen strategischen Überlegungen und haben deshalb lange Planungs- und Abwicklungsphasen. Dennoch sind sie nicht völlig unabhängig von kurzfristigen Entwicklungen in den Zielregionen oder in einzelnen Wirtschaftszweigen. Insbesondere wenn Direktinvestitionsbeziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe Finanzierungsfunktionen erfüllen, kann es über konzerninterne Kreditvergaben oder -rückzahlungen auch auf Jahresfrist zu größeren Schwankungen kommen. Die Corona-Pandemie und der Angriff Russlands auf die Ukraine beeinflussen die Direktinvestitionsentscheidungen über die Neubewertung weltweit vernetzter Produktionsketten sowie der Rohstoffversorgung. Die vollständigen Auswirkungen solcher Ereignisse schlagen sich erst nach und nach in den Bestandszahlen zu den Direktinvestitionen nieder.
Bestand deutscher Direktinvestitionen im Ausland
Von dem Bestand deutscher Direktinvestitionen entfielen zum Jahresende 2021 rund 82 % auf Beteiligungskapital. Kredite als weitere Form der Mittelbereitstellung zwischen Investoren und Investitionsobjekten spielten hingegen eine untergeordnete Rolle. Der Großteil der deutschen unmittelbaren Direktinvestitionen war zum Jahresende 2021 mit 1.005 Mrd € oder 67 % in ausländische Beteiligungsgesellschaften investiert. Diese Firmen sind oft zur Steuergestaltung oder zur Kapitalbündelung und -weiterleitung zwischengeschaltet – teilweise über mehrere Stufen in verschiedenen Ländern. In aller Regel befinden sich die eigentlichen Direktinvestitionsobjekte am Ende solcher Ketten in Form von Produktions- oder Dienstleistungsunternehmen. Um also das finale regionale oder sektorale Anlageinteresse zu erkennen, muss durch die Beteiligungsgesellschaften „hindurch“ gesehen werden. Dies leisten die konsolidierten Daten der unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionen. Sie hatten zum Jahresende 2021 einen Bestand von 1.426 Mrd €.
In konsolidierter Sichtweise belegten die USA mit einem Anteil von 29 % im Länderranking weiterhin den ersten Platz. Dabei galt das Interesse vor allem US-Unternehmen, die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen erbringen. Luxemburg folgte mit einem deutlichen niedrigeren Anteil von 8 %. Erstmals an dritter Stelle – und damit noch vor dem Vereinigten Königreich – stand China. Das Hauptinteresse der deutschen Investoren in China galt dem Verarbeitenden Gewerbe, auf das mehr als zwei Drittel der Direktinvestitionen in Höhe von 103 Mrd € entfielen. In Russland addierten sich die deutschen Direktinvestitionen auf 22 Mrd €. Das entsprach 1,5 % des Gesamtvolumens. Hier gab es über 700 Investitionsobjekte, in denen 262.000 Menschen beschäftigt waren. Die deutschen Direktinvestitionen in der Ukraine beliefen sich auf 4 Mrd € in 148 Unternehmen mit insgesamt 73.000 Beschäftigten.
Nach Wirtschaftszweigen betrachtet, waren deutsche Unternehmen Ende 2021 mit 491 Mrd € oder gut einem Drittel der Gesamtsumme im Verarbeitenden Gewerbe investiert. Von den 8 Millionen Arbeitsplätzen, die deutsche Niederlassungen im Ausland bereitstellten, entfielen knapp die Hälfte auf Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Die Finanz- und Versicherungsdienstleister steuerten mit 349 Mrd € immerhin noch rund 24 % der Investitionsbestände bei, aber stellten nur 4 % der Arbeitskräfte. Dies liegt an der hohen Anzahl der Beteiligungsgesellschaften ohne Managementfunktion, die nur wenig oder kein Personal beschäftigen. Der Handel sowie die Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen war der dritte große Wirtschaftszweig mit einem Investitionsbestand von 236 Mrd € oder 17 % der Gesamtsumme. Insgesamt stieg zum Jahresende 2021 die Zahl ausländischer Investitionsobjektive erneut auf 42.000 Unternehmen.
Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Deutschland
Das ausländische Beteiligungskapital in Deutschland verbuchte einen weiteren Zuwachs. Noch stärker legte allerdings die Kreditgewährung hier ansässiger Direktinvestitionsunternehmen an ihre ausländischen Investoren zu. Insgesamt ergab sich deshalb beim Bestand ausländischer Investitionen in Deutschland zum Jahresende 2021 ein Minus.
Beteiligungsgesellschaften prägten maßgeblich das ausländische Engagement in Deutschland. Auf sie entfielen zwei Drittel der insgesamt 852 Mrd € für unmittelbare Direktinvestitionsbestände. Auch hier lohnt der Blick durch die abhängigen Holdinggesellschaften hindurch auf die eigentlichen Investitionsziele. Die „Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen“ war mit einem Drittel für ausländische Investoren der wichtigste Wirtschaftszweig. An zweiter Stelle stand das Verarbeitende Gewerbe, auf das knapp ein Viertel der Bestände entfiel. Mit größerem Abstand folgten die Wirtschaftszweige „Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen“ (10 %) und der Informations- und Kommunikationssektor. Letzterer zeigte – getrieben von dem Bereich Telekommunikation – mit einem Plus von 22 % eine besonders dynamische Entwicklung. Insgesamt waren ausländische Direktinvestoren an 17.000 deutschen Unternehmen beteiligt, die über 3 Millionen Arbeitsplätze bereitstellten.
Direktinvestitionsströme 2022 blieben trotz Russlands Angriffskrieg robust
Während die aus den Unternehmensbilanzen ermittelten Direktinvestitionsbestände mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa 16 Monaten vorliegen, liefern die Meldungen zur Zahlungsbilanz bereits Transaktionsdaten für das Jahr 2022; diese erfassen ausschließlich die unmittelbaren Direktinvestitionsbeziehungen. Die deutschen Direktinvestitionsströme ins Ausland zeigten mit 169 Mrd € eine robuste Entwicklung, auch wenn sie gegenüber dem außergewöhnlich hohen Vorjahreswert leicht zurückgingen. Die aus dem Ausland nach Deutschland fließenden Direktinvestitionsströme haben sich mit 44 Mrd € hingegen fast halbiert. Netto betrachtet sind damit Mittel in Höhe von 125 Mrd € ins Ausland geflossen – so viel wie nie zuvor.
Deutsche Unternehmen verringerten ihre Direktinvestitionskredite in Russland
Deutsche Unternehmen investierten im Jahr 2022 erneut überwiegend in Beteiligungskapital (114 Mrd €), während der konzerninterne Kreditverkehr nur 55 Mrd € betrug. Europa war erneut die beliebteste Zielregion deutscher Direktinvestitionen; auf europäische Länder entfielen 70 % der gesamten Mittel, darunter allein 60 %-Punkte auf den Euroraum. Mittelrückflüsse in Höhe von 3 Mrd € waren aus Russland zu beobachten, weil hier Direktinvestitionskredite an russische Unternehmen reduziert wurden. Bei der Interpretation der Zahlen zum Beteiligungskapital in Russland ist zu bedenken, dass sich der Rückzug der deutschen Direktinvestoren größtenteils in niedrigeren Wertansätzen durch Abschreibungen oder russische Enteignungen ausdrückt, also Vorgängen, die sich nicht in den gemeldeten Transaktionsdaten niederschlagen, sondern erst in den Bestandsdaten für 2022 sichtbar werden dürften.
Auf Europa folgten gleichauf Asien und der amerikanische Kontinent mit einem Anteil an deutschen Direktinvestitionen von jeweils 14 %, das entsprach je 24 Mrd €. Innerhalb Asiens verzeichnete vor allem China ein Plus von 12 Mrd €, das rein rechnerisch allerdings vollständig auf reinvestierten Gewinnen basierte. Der Saldo zwischen Neuanlagen und Liquidationen war hingegen – wie schon im Vorjahr – negativ. Japan und Singapur erhielten von deutschen Investoren jeweils rund 3 Mrd €. Jenseits des Atlantiks dominierten mit einem Kapitalzufluss von 19 Mrd € die USA das Geschehen. Den zweiten Platz auf dem amerikanischen Kontinent belegten die Bermudas mit 2 Mrd € und lagen damit noch vor Kanada.
Direktinvestitionszuflüsse aus Europa gingen zurück
Das Neuengagement ausländischer Investoren in deutsche Unternehmen war im Jahr 2022 erneut rückläufig und betrug 44 Mrd €. Dies war vor allem dem geringeren Zufluss in Beteiligungskapital geschuldet, der von 41 Mrd € auf 15 Mrd € einbrach. Zwar investierten Ausländer vermehrt in Neuanlagen, dem standen allerdings fast gleichhohe Liquidationen gegenüber. Die Mittelbereitstellung über den konzerninternen Kreditverkehr lag um rund 10 Mrd € unter dem Vorjahreswert.
Nach Regionen betrachtet hatte der amerikanische Kontinent das größte Interesse am Investitionsstandort Deutschland. Von hier kamen Direktinvestitionsmittel in Höhe von 21 Mrd € deutschen Unternehmen zugute, und zwar insbesondere in Form von konzerninternen Krediten (18 Mrd €). Einmal mehr entfiel dabei der Großteil auf die USA. Vergleichsweise geringe Investitionen kamen hingegen aus dem europäische Ausland. Hier brach der Zufluss von 79 Mrd € im Vorjahr auf 13 Mrd € ein. Aus der asiatischen Region wurden Mittel in Höhe von 8 Mrd € bereitgestellt. Mit 4 Mrd € investierten chinesische Unternehmen mehr als japanische Unternehmen (3 Mrd €).
Zwischen den europäischen Ländern waren markante Verschiebungen zu beobachten. So standen dem Mittelabzug des klassischen Holding-Standorts Luxemburg in Höhe von 25 Mrd € Zuflüsse aus Irland (14 Mrd €), Frankreich (11 Mrd €) und den Niederlanden (7 Mrd €) gegenüber. Einen Umschwung im Investitionsverhalten hat Großbritannien vollzogen. Während es in den vorangegangenen Jahren – getrieben von konzerninternen Krediten – außergewöhnlich hohe Zuflüsse nach Deutschland gab, waren im Berichtsjahr Mittelrückflüsse in Höhe von 4 Mrd € zu verbuchen.