Das deutsche Auslandsvermögen Ende 2022
Das deutsche Netto-Auslandsvermögen belief sich Ende Dezember 2022 auf 2.721 Mrd €. Das entsprach rund 70 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Sowohl die Aktiva als auch die Passiva Deutschlands gegenüber dem Ausland stiegen 2022 weiter an. So nahmen die grenzüberschreitenden Unternehmensverflechtungen durch Direktinvestitionen mit deutscher Beteiligung im vergangenen Jahr weiter zu. Die Forderungen und die Verbindlichkeiten aus den übrigen Kapitalanlagen, die unter anderem Finanz- und Handelskredite sowie Bargeld und Einlagen umfassen, stiegen ebenfalls an. Jedoch sanken verglichen mit dem Vorjahr sowohl die Bestände inländischer Anleger an ausländischen Wertpapieren als auch die Bestände ausländischer Anleger an in Deutschland emittierten Wertpapieren. Hierfür waren insbesondere negative Bewertungseffekte im Zusammenhang mit den Entwicklungen an den internationalen Kapitalmärkten verantwortlich. Im Ergebnis war das deutsche Netto-Auslandsvermögen Ende 2022 um 260 Mrd € höher als ein Jahr zuvor. Dahinter stand vor allem eine deutliche Zunahme der Aktivpositionen durch grenzüberschreitende Transaktionen.
Erneut Zunahme des Netto-Auslandsvermögens gegenüber dem Vorjahr
Das deutsche Netto-Auslandsvermögen belief sich Ende 2022 auf 2.721 Mrd €. Das entsprach rund 70 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts. Im Vergleich zum Vorjahr erhöhte sich die deutsche Netto-Vermögensposition gegenüber dem Ausland um rund 260 Mrd €. Im Einklang mit dem geringeren Leistungsbilanzsaldo fiel die Zunahme niedriger aus als noch im Vorjahr. Die Forderungen gegenüber dem Ausland legten im Vorjahresvergleich um 637 Mrd € oder 5,6 % auf 12.042 Mrd € zu; die Verbindlichkeiten stiegen um 378 Mrd € oder 4,2 % auf 9.322 Mrd €. Bei den Forderungen schlugen sich sowohl transaktionsbedingte Veränderungen, also der Erwerb von Vermögenswerten, als auch positive Bewertungseffekte und andere nicht transaktionsbedingte Anpassungen nieder.[1] Für den Anstieg der Verbindlichkeiten waren hingegen vor allem Bewertungseffekte und andere nicht transaktionsbedingte Anpassungen verantwortlich. Die Bewertungseffekte umfassen Wechselkurs- und Marktpreiseffekte. Die Wechselkursentwicklung wurde unter anderem durch die unterschiedlichen geldpolitischen Ausrichtungen bedeutender Zentralbanken sowie die Erwartungen hinsichtlich zukünftiger Inflations- und Zinsentwicklungen geprägt. Die gestiegenen Zinsen in bedeutenden Währungsräumen setzten die Marktpreise von Vermögenswerten teils erheblich unter Druck.
Die in der Kapitalbilanz erfassten grenzüberschreitenden Transaktionen führten im letzten Jahr zu Netto-Kapitalexporten von 228 Mrd €, die das Netto-Auslandsvermögen für sich genommen entsprechend erhöhten. Nicht transaktionsbedingte Veränderungen ließen das Netto-Auslandsvermögen zusätzlich steigen, und zwar um 32 Mrd €. Dazu trugen im Ergebnis positive Wechselkurseffekte, aber auch andere Anpassungen bei. Demgegenüber wirkte sich die Entwicklung der Marktpreise für ausländische und inländische Vermögenswerte negativ auf die deutsche Auslandsposition aus.
Positiver Saldo bei den Wertpapieranlagen niedriger als im Vorjahr
Im Bereich der Wertpapieranlagen lag der Saldo mit 665 Mrd € 2022 um rund 20 Mrd € unter dem Vorjahreswert. Die Wertpapierforderungen gegenüber dem Ausland gingen etwas stärker zurück als die entsprechenden Verbindlichkeiten.[2]
Anleger im Inland hielten Ende 2022 mit 3.506 Mrd € einen um 543 Mrd € (13,4 %) niedrigeren Bestand an ausländischen Wertpapieren als ein Jahr zuvor. Hinter dem Rückgang standen vor allem deutlich negative Marktpreiseffekte bei den Schuldverschreibungen. Positive Bewertungseffekte – wenngleich in deutlich geringerem Umfang – ergaben sich demgegenüber bei allen Anlageklassen durch die Abwertung des Euro gegenüber wichtigen Währungen. Die Bestände stiegen zudem durch Transaktionen der Kapitalbilanz. Hiesige Investoren kauften ausländische Investmentfondsanteile und kurzfristige Schuldverschreibungen, trennten sich jedoch von Aktien und langfristigen Schuldverschreibungen. Insgesamt hielten Anleger in Deutschland Ende 2022 einen um 144 Mrd € niedrigeren Bestand an ausländischen Aktien als ein Jahr zuvor. Ausländische Investmentfondsanteile in inländischen Portfolios verzeichneten ein Minus von 71 Mrd €. Zudem verringerte sich der Bestand an ausländischen Anleihen in hiesigen Portfolios um 345 Mrd € bei langfristigen Titeln. Hingegen stieg der Bestand bei Kurzläufern um 16 Mrd € an.
Anleger im Ausland hatten Ende 2022 mit 2.841 Mrd € dem Betrag nach für 524 Mrd € (15,6 %) weniger deutsche Wertpapiere in ihren Portfolios als Ende 2021. Dies lag daran, dass über alle Anlageklassen hinweg negative Marktpreisentwicklungen den Wert der Bestände ausländischer Investoren reduzierten. Die in der Kapitalbilanz erfassten Transaktionen trugen ebenfalls zum Rückgang der Bestände bei, wenn auch in geringem Umfang. Gebietsfremde trennten sich vor allem von kurzfristigen Schuldverschreibungen, Aktien und Investmentfondsanteilen. Demgegenüber nahmen sie langfristige Schuldverschreibungen in ihre Portfolios auf. Lediglich die Wechselkursentwicklung führte für sich genommen zu einem leichten Anstieg der deutschen Portfolioverbindlichkeiten gegenüber dem Ausland. Im Ergebnis lag der von ausländischen Anlegern gehaltene Bestand an in Deutschland begebenen Aktien 274 Mrd € unter dem Vorjahresstand. Langfristige inländische Schuldverschreibungen in den Portfolios gebietsfremder Anleger verzeichneten einen Rückgang um 205 Mrd €, kurzfristige Schuldverschreibungen einen Rückgang von 25 Mrd €. Zudem lag der Bestand an deutschen Investmentfondsanteilen in den Händen ausländischer Anleger rund 20 Mrd € unter dem Vorjahresniveau.
Umschwung bei den Finanzderivaten
Die Bestände von Finanzderivaten und Mitarbeiteroptionen wiesen Ende 2022 mit 51 Mrd € einen positiven Saldo aus. Im Jahr zuvor war die Netto-Auslandsposition dieser Anlageklasse leicht negativ gewesen. Bei dem Umschwung spielte der Terminhandel mit Strom und Gas eine Rolle. Vor dem Hintergrund der durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ausgelösten Turbulenzen auf den Energiemärkten kam es hier 2022 zu Netto-Kapitalexporten.
Direktinvestitionsengagement weiter gestiegen
Die grenzüberschreitenden Unternehmensverflechtungen mit deutscher Beteiligung nahmen im vergangenen Jahr weiter zu. Die deutschen Direktinvestitionen im Ausland stiegen gegenüber dem Vorjahr insgesamt um 205 Mrd € (7,8 %) auf 2.842 Mrd €. Die Zunahme war überwiegend auf Transaktionen zurückzuführen. Deutsche Investoren erhöhten insbesondere ihr Beteiligungskapital an Unternehmen im Ausland, vergaben aber auch zusätzliche Direktinvestitionskredite an verbundene Konzerneinheiten. Darüber hinaus bewirkten Wechselkurseffekte und in geringem Umfang auch Marktpreiseffekte höhere Wertansätze bei den deutschen Direktinvestitionen im Ausland.
Gebietsfremde Unternehmen erhöhten ihr Direktinvestitionsengagement in Deutschland 2022 um 49 Mrd € (2,7 %) auf 1 893 Mrd €; auch hier dominierten Transaktionen die Entwicklung. Ausländische Investoren stockten ihr Beteiligungskapital an hiesigen Unternehmen auf, weiteten aber insbesondere die konzerninterne Kreditgewährung an inländische Gesellschaften aus. Im Ergebnis betrug der Saldo Deutschlands aus den Direktinvestitionen Ende 2022 rund 949 Mrd €; er lag damit um 156 Mrd € höher als ein Jahr zuvor.
Übrige Kapitalanlagen: Nettoforderungen gestiegen
In den übrigen Kapitalanlagen, die unter anderem Finanz- und Handelskredite (soweit diese nicht zu den Direktinvestitionen zählen) sowie Bargeld und Einlagen umfassen, stieg die positive Netto-Vermögensposition Deutschlands gegenüber dem Vorjahr um 55 Mrd € auf 779 Mrd € zum Jahresende 2022. Die Auslandsforderungen der Bundesbank nahmen in diesem Segment um 14 Mrd € zu, wovon etwas mehr als die Hälfte auf einen Anstieg des TARGET-Saldos der Bundesbank gegenüber der EZB zurückzuführen war.[3] Zugleich gingen die Auslandsverbindlichkeiten der Bundesbank bei den übrigen Kapitalanlagen zurück, da insbesondere Geschäftspartner außerhalb des Euro-Währungsgebiets ihre Einlagen reduzierten. Per saldo erhöhte sich die Netto-Auslandsposition der Bundesbank bei den übrigen Kapitalanlagen um 104 Mrd.€. Die monetären Finanzinstitute (ohne Zentralbank) vergaben zusätzliche Kredite für 39 Mrd € an Ausländer. Zudem stiegen ihre Bestände an Bargeld und Einlagen, insbesondere aufgrund positiver Bewertungseffekte durch Wechselkursveränderungen und andere Anpassungen. Allerdings nahmen auch ihre Verbindlichkeiten merklich zu. Ihr Zuwachs übertraf im Ergebnis den Anstieg der Forderungen. Dadurch verringerte sich der Saldo der monetären Finanzinstitute (ohne Zentralbank) in den übrigen Kapitalanlagen 2022 um 73 Mrd €. Der Staat verzeichnete 2022 ebenfalls einen Rückgang seiner Netto-Forderungen um 22 Mrd €. Die übrigen Kapitalanlagen von Unternehmen und Privatpersonen erhöhten sich hingegen per saldo um 46 Mrd €. Über alle Sektoren hinweg stiegen die Forderungen aus den übrigen Kapitalanlagen gegenüber dem Ausland Ende 2022 auf 3 879 Mrd €. Sie waren damit um 135 Mrd € oder 3,6 % höher als Ende 2021. Die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland nahmen ebenfalls zu, jedoch nur um 80 Mrd € (2,6%) auf 3 100 Mrd €.
Währungsreserven gestiegen
Die Währungsreserven der Bundesbank beliefen sich Ende 2022 auf 277 Mrd €; sie lagen damit 15 Mrd € über dem Vorjahreswert. Transaktionsbedingt stiegen sie um 4 Mrd €. Darüber hinaus stieg der Bestand der Währungsreserven durch positive Marktpreiseffekte um 9 Mrd €, unter anderem durch Wertsteigerungen des Goldes. Wechselkurseffekte erhöhten die Währungsreserven um 2 Mrd €.
Fußnoten:
- Zu den nicht transaktionsbedingten Veränderungen zählen Bewertungseffekte und andere Anpassungen. Andere Anpassungen umfassen beispielsweise Abschreibungen auf nicht einholbare Kreditforderungen, Änderungen in der Sektorenzuordnung, Änderungen der Funktionalkategorie eines Finanzierungsinstruments und statistisch bedingte Unterschiede zwischen Auslandsvermögensstatus und Zahlungsbilanz, die sich z.B. durch verschiedene Datenquellen ergeben.
- Zu den Transaktionen im Wertpapierverkehr vgl.: Deutsche Bundesbank, Die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2022, Monatsbericht, März 2023, S. 21-43.
- Die TARGET-Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB stiegen im Jahr 2022 um rund 8½ Mrd € an. Im Vorjahr war der Anstieg mit 125 Mrd € deutlich stärker gewesen. Der deutlich geringere Anstieg war nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass das Eurosystem die Netto-Käufe im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) und des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) zum 1. April 2022 bzw. zum 1. Juli 2022 einstellte. Zur Bedeutung der Wertpapierankäufe für die Entwicklung der TARGET-Salden vgl.: Deutsche Bundesbank, Die deutsche Zahlungsbilanz für das Jahr 2022, Monatsbericht, März 2023, S. 21-43.