Bundesbank: Finanzsystem hat Zinsänderungen seit 2022 gut verkraftet und zeigt sich stabil Finanzstabilitätsbericht 2024 sieht aber weiterhin erhöhte Risiken bei Gewerbeimmobilien sowie aufgrund des Struktur- und Klimawandels

Das deutsche Finanzsystem hat die Phase außergewöhnlich stark steigender Zinsen insgesamt gut verkraftet und sich auch in den vergangenen zwölf Monaten als stabil erwiesen. Die Zinsen sind mittlerweile wieder gesunken. Zwar sind die stillen Lasten zurückgegangen, die sich während des Zinsanstiegs in den Bilanzen der Finanzintermediäre wie Versicherern, Fonds und Pensionseinrichtungen gebildet hatten. Allerdings rücken nun Kreditrisiken verstärkt ins Blickfeld. Das Finanzsystem steht vor akuten Herausforderungen aufgrund geopolitischer Spannungen und einer schwachen Wirtschaft. Die Wirtschaft befindet sich außerdem im Wandel. In der Aufsicht sorgt dies vor allem mit Blick auf den Gewerbeimmobiliensektor für erhöhte Aufmerksamkeit, sagte Michael Theurer, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts 2024. Unsere oberste Priorität muss ein widerstandsfähiges Finanzsystem sein, so Theurer weiter.

Makrofinanzielles Umfeld bleibt herausfordernd

Das makrofinanzielle Umfeld hat sich im Jahresverlauf 2023 schrittweise verbessert, bleibt jedoch herausfordernd angesichts fortgesetzter geopolitischer Spannungen. Insgesamt zeichnet sich in der deutschen Wirtschaft eine Rückkehr zur Preisstabilität ohne größere Verwerfungen ab. Erhöhte Risiken bestehen nach wie vor bei Gewerbeimmobilien, deren Preisrückgang sich im Jahr 2024 fortsetzte. Risiken gehen von weltweit hohen öffentlichen und privaten Schuldenständen aus. Zusätzliche Unsicherheiten für die deutsche Wirtschaft bestehen nach dem Ausgang der Wahlen in den USA im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik.

Stabile Banken und Finanzintermediäre

Die Ertragslage der Banken entwickelt sich weiterhin positiv. Grund dafür sind die niedrigen Zinsen im Einlagegeschäft und die entsprechend niedrigen Refinanzierungskosten. Die hohen Verwundbarkeiten aus der Niedrigzinsphase bauen sich allmählich ab, insbesondere bei Wohnimmobilienkrediten. Die Eigenkapitalausstattung der Banken hat sich in den vergangenen Jahren stetig verbessert, so Theurer.

Die deutschen Nichtbank-Finanzintermediäre haben den Zinsanstieg bislang ebenso gut bewältigt wie die Banken, doch bestehen bei ihnen weiterhin Liquiditätsrisiken. Die Verluste aus Gewerbeimmobilienkrediten sind deutlich gestiegen. Jedoch konzentrieren sich diese Entwicklungen auf einige wenige Banken und Versicherer. Daher bleiben die Risiken in der Gesamtbetrachtung für das Finanzsystem verkraftbar. Die Liquiditätsrisiken bei offenen Immobilienfonds könnten die genannten Entwicklungen am Gewerbeimmobilienmarkt verstärken. Die Kündigungs- und Mindesthaltefristen sowie Liquiditätsanforderungen begrenzen aber die Geschwindigkeit, mit der die Liquiditätsrisiken bei offenen Publikumsfonds für Immobilien eintreten können.

Gesamtrisikolage erfordert ausreichende Resilienz

Angesichts der Gesamtrisikolage bleibt eine ausreichende Resilienz des deutschen Finanzsystems weiterhin wichtig. Zu diesem Zweck ist das makroprudenzielle Maßnahmenpaket vom Januar 2022 weiterhin angemessen. Es umfasst den antizyklischen Kapitalpuffer, mit dem Banken zusätzliches Kapital aufgebaut haben, um in Krisenzeiten besser gewappnet zu sein. Außerdem beinhaltet es den sektoralen Systemrisikopuffer. Dieser Puffer legt zusätzliche Kapitalanforderungen speziell für Kredite fest, die mit Wohnimmobilien unterlegt sind, um systemische Risiken zu mindern. Am Wohnimmobilienmarkt deutet die günstige Entwicklung auf eine langsame Entspannung bei den bis zum Jahr 2022 vergebenen Wohnimmobilienkrediten hin. Dennoch bestehen Unsicherheiten fort. Insgesamt ist ein geordneter Abbau der Verwundbarkeiten am Wohnimmobilienmarkt wahrscheinlicher geworden. Die makroprudenzielle Aufsicht wird die weiteren Entwicklungen in diesem Bereich beobachten.

Strukturwandel und Klimarisiken

Das Finanzsystem befindet sich angesichts der strukturellen Veränderungen durch den Klimawandel weiterhin in einer Übergangsphase. In einem Sonderkapitel zeigt der Finanzstabilitätsbericht, dass ein unerwarteter CO2-Preisanstieg das deutsche Finanzsystem belasten könnte. Ein weiterer Treiber des Strukturwandels ist die Digitalisierung. Der diesjährige Finanzstabilitätsbericht untersucht daher auch die kurzfristigen und langfristigen Auswirkungen der Einführung eines digitalen Euro auf die Liquidität und die Finanzierungskosten für Banken.

Makroprudenzielle Aufsicht stärken

Seit der globalen Finanzkrise ist der Sektor der Nichtbank-Finanzintermediäre in Europa und in Deutschland gewachsen. Zudem sind deutsche Banken und Fonds eng mit globalen Nichtbank-Finanzintermediären verflochten. Daher sollte die bislang vorrangig mikroprudenziell ausgerichtete Regulierung von Nichtbank-Finanzintermediären um eine makroprudenzielle Perspektive ergänzt werden. Bisher bestehen für diese makroprudenzielle Sicht noch Datenlücken. Diese Datenlücken zu schließen ist wichtig, um Risiken wie Liquiditätsengpässe und Ansteckungseffekte besser einschätzen und rechtzeitig Maßnahmen wie Kapitalanforderungen oder Liquiditätsvorgaben ergreifen zu können. Es sollte eine Grundlage für den europäischen und internationalen Datenaustausch bei Nichtbank-Finanzintermediären geschaffen werden, so Theurer.