Bundesbank-Vorstand erwartet 2025 "härtere Zeiten" für Banken Interview mit dem Handelsblatt
Das Gespräch führten Yasmin Osman und Andreas Kröner.
Herr Theurer, bei der Bundesbank sind Sie zuständig für Bankenaufsicht und Finanzstabilität. Sie sind noch neu dabei und haben einen frischen Blick auf den Zustand der deutschen Banken. Wo sehen Sie die Schwerpunkte für ihre Arbeit?
Wir müssen die klassische Bankenaufsicht noch stärker mit der Überwachung der Stabilität des Finanzsystems als Ganzes verzahnen. Denn viele Herausforderungen, vor denen Banken stehen, sind systemischer Natur. Dazu zähle ich geopolitische Unsicherheiten, politische Spannungen und die Auswirkungen der doppelten Zinswende.
Hinzu kommt die Stagnation der deutschen Wirtschaft. Welche Folgen hat das für die deutsche Finanzbranche?
Banken sind ein Spiegelbild einer Volkswirtschaft. Deshalb muss sich die Branche 2025 auf mehr Kreditausfälle und härtere Zeiten einstellen. Auch dank der seit dem Jahr 2022 gestiegenen Zinsen haben die Banken 2023 hervorragend und im laufenden Jahr immer noch sehr gut verdient. Das gibt Spielraum, um Vorsorge für schlechtere Zeiten im Kreditgeschäft zu treffen. Darauf achten wir bei unseren Bankprüfungen genau.
Die positiven Effekte der Zinswende für viele deutsche Banken nehmen mittlerweile ab. Werden die Gewinne der Banken 2025 sinken?
Für die Banken ziehen einige dunkle Wolken auf. Wir befinden uns in turbulenten Zeiten. Zudem hat die Wachstumsschwäche in Deutschland nicht nur konjunkturelle Ursachen, sondern ist auch auf strukturelle Probleme zurückzuführen. Die lassen sich nicht von heute auf morgen lösen.
Was können die Banken zur Lösung der Probleme beitragen?
Stabile, robuste und wettbewerbsfähige Banken können einen wichtigen Beitrag leisten, aber die Probleme sicher nicht alleine lösen. Die verantwortlichen Akteure in Politik und Wirtschaft müssen dafür sorgen, den Strukturwandel erfolgreich zu bewältigen und die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu führen.
Bis eine neue Bundesregierung Zeit für neue Wachstumsinitiativen hat, könnten noch Monate vergehen. Wie gut sind die deutschen Banken für einen heftigeren Wirtschaftseinbruch gerüstet?
Das Umfeld ist anspruchsvoll, da sich die Wirtschaftsflaute mittlerweile auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Aber das Gros der kleinen und mittelgroßen Institute, für die wir vorrangig zuständig sind, kann selbst einen massiven Wirtschaftseinbruch verkraften. Das hat eben erst unser LSI-Stresstest bestätigt. Die Institute sind gut kapitalisiert. Die EZB hat außerdem auch den europäischen Großbanken eine gute Resilienz bescheinigt.
Im Durchschnitt mögen Banken gut gerüstet sein. Im Einzelfall mehren sich mittlerweile die Problemfälle bei kleineren Instituten. Die Volksbank Dortmund hat sich mit Immobilien verspekuliert. Die Volksbank Düsseldorf Neuss kämpft mit einem riesigen Betrugsfall. Die Geschäftspolitik der Volksbank Schmalkalden interessiert selbst Staatsanwälte. Worauf führen Sie diese Anhäufung von Problemfällen zurück?
Zu einzelnen Instituten äußern wir uns grundsätzlich nicht. Mein Eindruck ist, dass es sich um Einzelfälle handelt, die zum Teil sehr unterschiedlich gelagert sind. Die Finanzaufsicht schaut sich alle Fälle sehr genau an und zieht ihre Schlüsse daraus. In einigen Fällen haben Institute Klumpenrisiken am Gewerbeimmobilienmarkt aufgebaut. Dass die Risiken dort hoch sind, hat die Finanzaufsicht schon mehrfach betont. Zudem wird immer deutlicher, dass eine gute Governance wesentlich für den wirtschaftlich nachhaltigen Erfolg eines Instituts ist.
Auffällig ist, dass in deren Aufsichtsräten vieler Problembanken kaum ausgewiesene Finanzexperten sitzen. Beunruhigt Sie das?
Die Qualifikation von Aufsichtsräten ist ein sehr wichtiges Thema für die Bankenaufsicht. Welche Qualifikationen im Einzelnen notwendig sind, richtet sich nach dem Risikogehalt des Bankgeschäfts. Aber klar ist: Sowohl der Vorstand als auch der Aufsichtsrat müssen das Geschäft verstehen, das die von ihnen geführte oder beaufsichtigte Bank tätigt. Die Institute sind verantwortlich dafür sicherzustellen, dass geeignete Personen für den Aufsichtsrat gefunden werden. Sollte es bei der Qualifikation Lücken geben, müssen diese durch Schulungen und etwaige weitere Maßnahmen geschlossen werden.
Ist das auch gelebte Praxis?
Ich habe eine klare Ansage gemacht, dass sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken stärker um dieses Thema kümmern müssen. Bei ihren Branchenverbänden DSGV und BVR habe ich damit offene Türen eingerannt. Beide haben das Thema schon länger auf dem Schirm und sollten die aktuellen Fälle zum Anlass nehmen, Verbesserungen voranzutreiben. Ich weiß allerdings auch, dass es nicht immer leicht ist, Mitglieder für Aufsichtsräte kleinerer Banken zu finden, zumal diese Posten nur gering vergütet werden. Die Institute müssen auch gesellschaftsrechtliche Vorgaben erfüllen, wenn sie Aufsichtsratspositionen besetzen.
Bei der Volksbank Düsseldorf Neuss haben wir niemanden im Aufsichtsrat entdecken können, der über ausgewiesene Bankexpertise verfügt.
Es ist klar, dass bei den bekannt gewordenen Problemen in jedem Einzelfall eine gründliche Fehleranalyse notwendig ist. Dass es Versäumnisse gibt, wenn es zu Geldwäscheproblemen und großen Betrugsfällen kommt, ist ja augenfällig. Da fragt man sich als Bankenaufseher natürlich, wie so etwas passieren kann.
Die Genossenschaftsbanken verfügen wie die Sparkassen über ein eigenes Sicherungssystem, das strauchelnde Institute im Zweifel auffängt. Wegen der jüngsten Problemfälle gibt es nun Forderungen nach strengeren Regeln, um allzu abenteuerlustige Vorstandschefs zu bremsen. Hielten Sie das für angebracht?
Wir halten es für sehr sinnvoll, die aktuelle Lage zu nutzen, um diese Regelungen kritisch zu überprüfen. Wobei sich die Frage stellt, ob wirklich das Regelwerk das Problem ist oder die Art, wie es umgesetzt wird. Einiges spricht dafür, dass vor allem die Umsetzung das Problem ist. Letztlich müssen die Systeme handlungsfähig sein, darauf baut der aufsichtliche Ansatz bei den Verbünden.
Der Einstieg von Unicredit bei der Commerzbank hat eine Debatte darüber ausgelöst, ob das Nebeneinander von drei Banken-Typen – Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Privatbanken – für die Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes gut oder schlecht ist. Wie sehen Sie das?
Das Drei-Säulen-Modell hat sich in Deutschland bewährt, auch wenn es in Europa eine Besonderheit ist. Wettbewerbsfähigkeit bei Banken muss sich aus meiner Sicht im Marktprozess ergeben. Und Größe ist keine Garantie für Stärke.
Einige Unternehmen haben mit Blick auf eine mögliche Übernahme der Commerzbank durch Unicredit die Sorge geäußert, in einer Finanzkrise könnte eine aus Italien gesteuerte Commerzbank weniger bereitwillig Kredite an deutsche Unternehmen geben. Wie sehen Sie das?
Ich sehe diese Gefahr nicht. Und ich finde es falsch, eine solche Debatte entlang nationaler Kategorien zu führen. Im Euroraum gibt es schließlich seit 2014 eine einheitliche Bankenaufsicht und gemeinsame Vorschriften. Das soll einen fairen Wettbewerb zu gleichen Bedingungen schaffen, an dem in Deutschland auch ausländische Institute teilnehmen.
Den Bedarf für nationale Champions sehen Sie also nicht?
Die Frage, wer sich zu einem nationalen oder europäischen Champion entwickelt, muss der Markt beantworten. Aus dem Blickwinkel der Finanzstabilität und der Bankenaufsicht ist es nur wichtig, dass es gemeinsame Regeln gibt und funktionierende Arrangements für den Fall, dass eine Bank abgewickelt werden muss.
In den USA ist mit Donald Trump ein Präsident gewählt worden, der sich für Deregulierung und weniger Bürokratie einsetzen will. Damit ist unklar, ob die USA ebenso wie die Europäische Union die Reformen beschließen, auf die man sich im Nachgang der Finanzkrise international geeinigt hat. Wie soll sich Europa verhalten, falls die USA diese sogenannten Basel-III-Regeln nun doch nicht finalisieren?
Wir müssen alle Anstrengungen darauf richten, um gemeinsame globale Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen und nicht in einen Deregulierungswettbewerb einzutreten, der zu unkalkulierbaren Risiken führt. Die globale Finanzkrise 2008 hat gezeigt, dass Probleme im Bankensektor schwere Wirtschaftskrisen, Massenarbeitslosigkeit und Wohlstandsverluste nach sich ziehen können. Ein stabiles Finanz- und Bankensystem ist auch ein entscheidender Wettbewerbsfaktor für den europäischen Wirtschaftsstandort.
Und wenn sich die nächste US-Regierung nicht davon überzeugen lässt? Sind Ihnen dann gleiche Wettbewerbsbedingungen wichtiger, auch wenn das Deregulierung bedeutet, oder ein Festhalten am vereinbarten Regelwerk?
Zunächst einmal möchte ich festhalten, dass auch wir Europäer dieses Regelwerk nicht eins zu eins umgesetzt haben. Sollten die USA an den etwas abgemilderten Vorschlägen festhalten, die die US-Notenbank im Herbst veröffentlicht hat, wäre das in meinen Augen gleichwertig.
Und was passiert, wenn die USA unter Trump auch die abgemilderten Regeln nicht einführen?
Die Höhe der Kapitalanforderungen für Großbanken ist in der EU und den USA sehr ähnlich. Und das ist unabhängig von der finalen Umsetzung von Basel III in den USA, denn dort gibt es bereits einen Output-Floor.
…vereinfacht gesagt eine Untergrenze für Eigenkapital.
Deshalb will ich einer generellen Deregulierung nicht das Wort reden. Aber der EU-Gesetzgeber sieht in einigen Reformpunkten lange Übergangsfristen vor, etwa bei der Behandlung von Krediten an Unternehmen ohne Rating für Zwecke des Output-Floors. Im Einzelfall kann ich mir vorstellen, dort dann auch Anpassungen zu empfehlen.
Zur europäischen Bankenunion gehört eigentlich auch eine gemeinsame Einlagensicherung. Dagegen gibt es in Deutschland seit Jahren große Bedenken. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Eine gemeinsame Einlagensicherung könnte sich durchaus positiv auf die Stabilität von Banken und das Finanzsystem auswirken. Insofern bin ich für Fortschritte bei der Einlagensicherung. Aber dafür müssen aus meiner Sicht erst bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Welche?
Beim Abbau von notleidenden Krediten in den Bankbilanzen hat es in den vergangenen Jahren große Fortschritte gegeben. Für die Einführung einer europäischen Einlagensicherung bräuchte es aber auch noch eine stärkere Angleichung der Insolvenzregeln und eine adäquate Begrenzung der Risiken aus von Banken gehaltenen Staatsanleihen.
Sprich: Banken sollen anders als bisher solche Engagements mit Eigenkapital unterlegen?
Da gibt es unterschiedliche Ansätze. Entweder werden alle Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegt. Oder man führt eine Obergrenze ein, bis zu der die Geldhäuser Anleihen eines einzelnen Staates ohne Eigenkapitalunterlegung halten dürfen. Bei einer Überschreitung würde dann das Konzentrationsrisiko mit Kapital unterlegt. So würde man Klumpenrisiken in den Bilanzen verhindern. Ich halte eine entsprechende Forderung der Bundesregierung für ökonomisch sinnvoll und ordnungspolitisch gerechtfertigt.
Herr Theurer, vielen Dank für das Interview.
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