„Ich plädiere für eine gemeinsame europäische Lösung im Zahlungsverkehr“ Interview mit dem "Rundblick – Politikjournal für Niedersachsen"
Warum pochen die Deutschen so sehr auf ihr Bargeld, das doch immer unattraktiver wird? Gibt es bald eine gemeinsame europäische Lösung im Zahlungsverkehr? Und wie steht es um die Einführung der digitalen Währung? Das Vorstandsmitglied der Bundesbank Burkhard Balz, der im Landkreis Schaumburg wohnt, äußert sich dazu beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.
Alle Menschen regen sich derzeit über die Inflation auf. Droht eine Rezession?
Die Anzeichen deuten ziemlich klar in Richtung einer Rezession im kommenden Winterhalbjahr. Wir wissen aber nicht, wie tief und wie langanhaltend sie sein wird. Der Haupttreiber für diese Entwicklung ist die verschlechterte Energieversorgung. Damit einher gehen außergewöhnlich hohe Energiekosten, die zu Inflationsraten beigetragen haben, die wir in Deutschland seit 70 Jahren nicht mehr gesehen haben. Die Politik arbeitet an Entlastungspaketen, damit die besonders Bedürftigen unterstützt werden. Wie stark, das werden wir erst sehen, wenn die Details bekannt sind. Klar ist aber: Die hohe Inflation muss zurückgeführt werden. Das ist die Aufgabe der Geldpolitik, dafür setzt sich die Bundesbank mit aller Kraft ein.
Bei der Bundesbank sind Sie vor allem für den Zahlungsverkehr zuständig. Wie lange wird es das Bargeld noch geben?
Das bestimmen wir nicht als Bundesbank, und wir verfolgen auch bestimmt nicht das Ziel, das Bargeld zu verdrängen. Tatsache ist aber, dass die Nutzung von Bargeld als Zahlungsmittel zurückgeht – wohl auch eine Folge der Pandemie. Vor einigen Monaten hatten wir unsere Zahlungsverhaltensstudie für 2021 vorgelegt – und verglichen mit der vorangegangenen von 2017 sank der Anteil der Transaktionen, die mit Bargeld abgewickelt wurden, von 74 auf 58 Prozent. Das hat auch mit der zunehmenden Verbreitung von Zahlungsterminals zu tun: Wenn ich inzwischen auch beim Bäcker mit der Girocard oder dem Smartphone bezahlen kann, dann geschieht das eben auch häufiger. Anders als etwa in Schweden oder Norwegen, wo Bargeldgebrauch die Ausnahme ist, nehmen wir das hierzulande als Neuheit war.
Warum sind noch so viele Leute Anhänger des Bargeldes?
Vermutlich hat das oft ganz praktische Gründe – etwa die Sorge, ein Kartenlesegerät funktioniert plötzlich nicht. In solchen Momenten verschafft mir Bargeld Sicherheit. Oder es geht um Privatsphäre, etwa beim Kauf eines Geburtstagsgeschenks für einen engen Verwandten. Wir als Bundesbank werden das Bargeld so lange anbieten, wie die Menschen es möchten.
Was halten Sie von einer gemeinsamen europäischen Lösung im Zahlungsverkehr neben Mastercard und Visa?
Ich plädiere sehr entschieden für den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Lösung im Zahlungsverkehr. Der EU-Binnenmarkt mit seinen 450 Millionen Menschen sollte das leisten. Zahlungsverkehr lässt sich mit den Blutbahnen der Wirtschaft vergleichen. Es geht darum, hier auch ein Stück Unabhängigkeit und Selbstständigkeit zu zeigen. Ich hoffe, dass die Vorbereitungen für die Einführung einer solchen gemeinsamen europäischen Lösung bis Jahresende in trockenen Tüchern sein werden. In der deutschen Kreditwirtschaft positionieren sich die Sparkassenfinanzgruppe und die Deutsche Bank klar dafür. Einige Institute meinen aber, sie hätten kaum Vorteile einer solchen europäischen Gemeinschaftslösung, denn mit der Girocard würden sie ausreichend verdienen. Ich verweise dann gern darauf, dass ein Blick in das Jetzt oder die nahe Zukunft nicht reicht.
Warum werben Sie für eine eigene europäische Lösung?
Ich sehe nicht ohne Besorgnis, dass neben den großen Internetgiganten auch die beiden großen chinesischen Plattformen Alibaba und WeChat längst auf den deutschen Markt zielen. Deutschland als leistungsfähigste europäische Volkswirtschaft in der Mitte der EU ist attraktiv. In Frankfurt am Main und in Heidelberg, wo sich viele chinesische Touristen aufhalten, sind sie bereits aktiv. Dabei beschränken sich die beiden großen Plattformen längst nicht nur auf den Zahlungsverkehr. Fast sämtliche Dienstleistungen können über diese Plattformen abgewickelt werden – vom Bankgeschäft bis zur Terminbuchung beim Zahnarzt.
Wenn wir über Zukunftsprojekte reden, schließt sich die Frage nach dem digitalen Euro an. Wann wird der aus Ihrer Sicht eingeführt werden?
Die Vorbereitungen laufen, und ich denke, dass wir im September 2023 unsere Untersuchungsphase abgeschlossen haben werden. Meine Erwartung ist, dass dem Rat der Europäischen Zentralbank der Vorschlag unterbreitet werden wird, einen digitalen Euro einzuführen. Auch die Ampelkoalition hat dieses Anliegen in ihrem Koalitionsvertrag unterstützt. Sobald die Entscheidung getroffen wurde, dauert es vermutlich drei Jahre mit der Umsetzung. Banken und Sparkassen sind dabei als unsere Partner ebenfalls sehr gefordert. In der zweiten Jahreshälfte 2026 könnte dann die offizielle Einführung sein. Unter 81 von der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) befragten Zentralbanken, geben mehr als zwei Drittel an, wahrscheinlich eine digitale Währung herausgeben zu wollen. Mit unseren Planungen liegen wir im Eurosystem dabei im Vergleich recht weit vorn.
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