„Bitcoin sind digitale Tulpen“ Interview mit PLATOW Brief
Das Gespräch mit Joachim Nagel führten Jan Mallien und Jan Schrader.
Herr Nagel, vor gut einem Jahr haben Sie sich in Davos für eine europäische Einlagensicherung ausgesprochen. Später haben Sie von einem „Shitstorm“ gesprochen, der danach über Sie hereingebrochen sei….
Es gab durchaus kräftigen Gegenwind. In jedem Fall steht das Thema europäische Einlagensicherung jetzt auf der Agenda. Das ist mir wichtig, denn am Ende geht es darum, Europas Resilienz zu erhöhen.
Sie plädieren für eine europäische Lösung, obwohl es in Deutschland gewachsene Systeme gibt.
Mir schwebt ein hybrides Modell vor, bei dem die nationalen Einlagensicherungen auf europäischer Ebene ergänzt würden. Dieser europäische Teil könnte dann unterstützen, wenn nationale Mittel aufgebraucht sind. Die nationalen Einlagensicherungssysteme wären also weiterhin zuerst in der Verantwortung. Ein solches System würde auch deutsche Besonderheiten berücksichtigen.
Dabei kämen neue Kosten und Risiken auf die deutsche Kreditwirtschaft zu.
Die Beiträge könnten sich am Risiko der Banken bemessen. Und natürlich geht es darum, insgesamt die Risiken im Bankensystem zu senken. Eine bestehende Einlagen- und Institutssicherung wie in Deutschland würde positiv berücksichtigt werden.
Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind strikt dagegen. Wie wollen Sie die davon überzeugen?
Die Bankenunion ist ein europäisches Projekt. Für Deutschland waren die großen europäischen Einigungsschritte immer positiv, denken Sie an die Römischen Verträge oder den Euro. Eine vollendete Banken- und Kapitalmarktunion kann viel Kapital mobilisieren und Europa für die internationalen Kapitalmärkte interessanter machen. Die Resilienz des Bankensektors und die Finanzstabilität würde ebenfalls gestärkt. Davon profitiert auch die deutsche Kreditwirtschaft.
Europa streitet seit über einem Jahrzehnt über die Einlagensicherung. Wie lange noch?
Ich habe die starke Hoffnung, dass es gelingen wird, das Thema in dieser Legislaturperiode in Europa umzusetzen – möglichst in der ersten Hälfte.
Also bis Ende 2026?
Genau.
Notenbanken warnen seit Jahren vor Bitcoin & Co. Trotzdem wollen etwa die Genossenschaftsbanken Krypto-Handel anbieten, auch die Sparkassen diskutieren das. Werden ihre Warnungen ignoriert?
Ich wünsche mir eine kritischere Auseinandersetzung mit dem Thema. Aus meiner Sicht ist der Vergleich von ungedeckten Krypto-Assets wie dem Bitcoin mit der Tulpenmanie im 17. Jahrhundert passend. Damals gab es in den Niederlanden einen spektakulären Boom, innerhalb weniger Wochen stiegen die Preise auf das Zehnfache. Dann platzte die Tulpenblase – und löste die erste Finanzkrise in der neueren Geschichte aus. Jeder Hype ist irgendwann zu Ende. Krypto-Assets wie der Bitcoin sind digitale Tulpen.
Die FDP hat Bitcoin als Währungsreserve ins Spiel gebracht.
Mir bereitet das Sorgen, weil der Eindruck entsteht, dass man einem Asset eine Art staatliches Gütesiegel gibt. Eine Währungsreserve muss sicher, liquide und transparent sein. All das trifft auf den Bitcoin nicht zu.
Die Macht der Krypto-Branche steigt, bei den US-Wahlen gehörte sie zu den größten Spendern. Besteht nicht die Gefahr, dass sich die Entwicklung kaum stoppen lässt?
Wir haben in Europa mit der MiCA-Verordnung vorgebaut. Damit schaffen wir mehr Sicherheit, indem wir etwa den Emittenten von Stablecoins klare Anforderungen an die zu hinterlegende Reserve auferlegen. Aber es ist mir wichtig, darauf hinzuweisen, was es heißt, wenn man hochspekulative Krypto-Assets kauft. Ich will mir nicht nachsagen lassen, nicht gewarnt zu haben.
Stichwort Regulierung: Viele erwarten, dass der neue US-Präsident Trump die Regeln für US-Banken lockert. Manche sagen aber auch, dass sie aktuell strengeren Regeln unterliegen als in Europa. Wie sehen Sie das?
Das stimmt so pauschal nicht. Die Kapitalanforderungen sind in den USA im Rahmen der ersten Säule von Basel III für sehr große Banken zwar zum Teil etwas strenger. Wenn man aber auf die individuellen Anforderungen im Rahmen der zweiten Säule schaut, sieht das Bild schon wieder anders aus. Da müssen europäische Banken schärfere Vorgaben erfüllen.
Und wenn die USA auf die strengeren Kapitalvorschriften für Banken nach Basel III verzichten?
Ich gehe davon aus, dass Basel III auf beiden Seiten des Atlantiks finalisiert wird. Dabei ist es wichtig, dass wir in Europa mit einer Stimme sprechen. Das gilt nicht nur für das Bankenthema.
Der EZB-Rat hat die Entscheidung für eine Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte im Dezember einstimmig getroffen. 0,5 Prozentpunkte standen auch zur Debatte. Sind so große Schritte nur in extremen Situationen denkbar?
Die 0,25 Prozentpunkte waren angemessen, das haben die Inflationszahlen für Deutschland vom Dezember gezeigt, die wieder etwas höher ausgefallen sind als vom Markt erwartet. Ich finde es aber nicht schlimm, dass man auch über 0,5 Prozentpunkte diskutiert. Das gehört dazu.
Ist die EZB bei den Zinssenkungen nicht bisher zu zaghaft vorgegangen?
Ich finde den vorsichtigen Ansatz angesichts der hohen Unsicherheit richtig. Aktuell ist die Inflation immer noch erhöht. Insbesondere die Dienstleistungspreise steigen weiter dynamisch. Wir sollten deshalb auf dem Weg der geldpolitischen Normalisierung nichts überstürzen.
© PLATOW. Alle Rechte vorbehalten.