Wie die Banken trotz Niedrigzinsen überleben können Gastbeitrag in der Wirtschaftswoche

Die niedrigen Zinsen setzen Banken und Sparkassen unter Druck. Damit steigt die Gefahr, dass sie einen Ausweg in risikoreichen Krediten suchen.

Gerne wird die Lage der Banken und Sparkassen im aktuellen Niedrigzinsumfeld mit der eines Limbo-Tänzers verglichen, dem die Limbo-Stange so niedrig aufgelegt wird, dass er selbst kriechend nicht drunter durch kommen könnte.

Das mag etwas überspitzt sein, aber das niedrige Zinsniveau führt tatsächlich zu deutlich sinkender Ertragskraft – und dadurch auch zu einer geringeren Widerstandsfähigkeit der Institute. Dabei gilt: Je länger die Niedrigzinsphase anhält, desto stärker geht es an die Substanz.

Rentabilität sinkt

Wie können Banken da noch drunter durch tanzen? Aus Sicht der Bankenaufsicht ist dies eine äußerst wichtige Frage – denn reißen mehrere Institute die Stange, entstehen erhebliche Gefahren für die Finanzstabilität. Wie groß diese potenziellen Gefahren sind, haben die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht in einer aktuellen Niedrigzinsumfrage unter die Lupe genommen.

Dabei offenbaren die Planungsrechnungen von mehr als 1.500 kleinen und mittelgroßen deutschen Kreditinstituten ein beunruhigendes Bild: Bis 2021 rechnen Banken und Sparkassen mit einem Schrumpfen ihrer Gesamtkapitalrentabilität vor Steuern um 16 Prozent.

Die entscheidende Frage ist aber: Wie entwickeln sich die Ergebnisse, wenn die Zinsen lange auf dem aktuellen Niveau bleiben, gar sinken? Unsere Analysen dieser Szenarien zeigen: Bei unverändertem Zinsniveau oder gar einem weiteren Rückgang würde die Gesamtkapitalrentabilität vor Steuern bis 2021 sogar um mehr als 40 Prozent einbrechen.

Müssen die Institute da einpacken? Nein, sie müssen anpacken. Und glücklicherweise gibt es erste Anzeichen hierfür: Während Banken und Sparkassen zwar mit einem weiteren Schrumpfen des Zinsergebnisses rechnen, steuern sie aktiv dagegen, zum Beispiel durch höhere Gebühren oder die Suche nach ertragreicheren Geschäftsfeldern. Immerhin jedes vierte Institut plant zudem, negative Zinsen künftig auf Kundeneinlagen weiterzugeben, allerdings nur jedes zwölfte Institut im Privatkundenbereich. Sänke das Zinsniveau dagegen weiter ab, wäre bereits jedes zweite Institut zu einer Weitergabe negativer Zinsen gegenüber Privatkunden bereit.

Doch diese Maßnahmen reichen bei Weitem nicht aus; die Kehrtwende wird so nicht erreicht. Da kein baldiges Ende der niedrigen Zinsen in Sicht ist, ist Aussitzen keine Option. Aber, was dann?

Vielleicht die Flucht ins Risiko? Unter Ergebnisdruck könnten Banken und Sparkassen dazu neigen, höhere Risiken einzugehen, die mit höheren Renditen belohnt werden. Im schlechten Fall jedoch stellen sich diese Risiken als nicht tragbar heraus, was zur Schieflage von Instituten führen kann.

Gibt es hierfür Anzeichen? Unsere Analysen zeigen, dass ein Drittel der kleinen und mittelgroßen deutschen Kreditinstitute plant, Geschäftsvolumen und Risiken auszuweiten (zum Beispiel bei Immobilienkrediten). Dabei wollen sie aber nicht in gleichem Maße Eigenkapital nachlegen – das würde mittelfristig zu einem Rückgang der Widerstandsfähigkeit führen.

Gegen eine kalkulierte und ausreichend abgesicherte Erhöhung der Risiken ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Unsere Stresstests zeigen, dass bei 95 Prozent der Banken die Risiken auch in Krisenszenarien keine existenzbedrohenden Schäden hervorriefen.

Doch die Frühwarnsignale für eine erhöhte Risikobereitschaft im Bankensektor verlangen Wachsamkeit. Banken und Sparkassen können also weder das Ergebnistief aussitzen, noch können sie Risiken ungebremst ausweiten. Vielleicht liegt die Lösung dann in einer Fusion mit anderen Instituten?

Seit Jahren treibt harter Wettbewerb die Konsolidierung im deutschen Bankensektor voran, Fusionen gehören dazu. Unsere Umfrage zeigt, dass die Banken sogar eine weitere Verschärfung des Wettbewerbs erwarten – und das nicht nur durch FinTechs, sondern auch durch andere Banken in ihrer Region.

Mehr Fusionen

Das scheint den Druck zu erhöhen, sich mit anderen Instituten zusammenzuschließen: Rund jedes zehnte Institut befindet sich bereits in einem Fusionsprozess oder hat eine konkrete Fusionsabsicht. Mehr noch: Rund die Hälfte aller Banken kann sich eine Fusion in den nächsten fünf Jahren vorstellen.

Zusammen kann man zuweilen mehr erreichen. Aber nicht alle Fusionen sind nachhaltig. Ein umfassender Vorsorgecheck muss die betriebswirtschaftliche Sinnhaftigkeit prüfen. Ist diese gegeben, sind Fusionen sicherlich ein Mittel der Wahl – auch über nationale Grenzen hinweg.

Niemand weiß, wie es mit den Zinsen weiter geht. Aber dass die Zinsen plötzlich steigen, ist doch sehr unwahrscheinlich. Daher hilft es nicht, über niedrige Zinsen zu lamentieren – gefragt sind vielmehr erhöhte Effizienz, an neue Realitäten angepasste Geschäftsmodelle und der Wille zur Anpassung an Kundenbedürfnisse – und das alles, ohne die Geschäftsrisiken unvernünftig auszuweiten.