Unabhängiger Wächter Gastbeitrag im Handelsblatt

Die Finanz- und die sich daran anschließende Staatsschuldenkrise haben die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzstabilität in vielen Ländern erschüttert. Zentralbanken weltweit haben - auch mit unkonventionellen Maßnahmen - ihren Beitrag dazu geleistet, Schlimmeres zu verhindern. Inzwischen wird diskutiert, ob die Währungshüter dauerhaft mehr tun sollten, als die mittelfristige Geldwertstabilität zu sichern. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) setzt sich für eine durchaus weitreichende Ausweitung des Aufgabenfeldes von Zentralbanken ein.

So zeigt er offen Sympathien für eine stärkere Rolle Verantwortung der Zentralbanken für Konjunktur und Beschäftigung und fordert, dass die Geldpolitik vor allem in den entwickelten Volkswirtschaften eine aktivere Steuerung der konjunkturellen Entwicklung übernehmen sollte.

Bei der Sicherung der Finanzstabilität bildet sich inzwischen ein breiter Konsens heraus: Die sogenannte makroprudenzielle Politik entsteht. Sie kümmert sich um die Stabilität des Finanzsystems insgesamt, während die traditionelle Bankenaufsicht die Solvenz der einzelnen Institute zu sichern hat. Damit wird eine zentrale Lehre aus der Finanzkrise gezogen. Hierzu erhält die makroprudenzielle Politik neue Instrumente aus dem Bereich von Regulierung und Aufsicht, etwa den antizyklischen Kapitalpuffer für Banken oder die Einführung von Beleihungsgrenzen. Die Notenbanken sollen dabei eine hervorgehobene Rolle spielen.

Für die institutionelle Umsetzung in den einzelnen Ländern gibt es jedoch zwei Modelle. Träger der makroprudenziellen Politik wird entweder eine einzelne Behörde, die dann weitreichende Eingriffsbefugnisse besitzt. Oder es wird ein übergreifendes Gremium gebildet, dem maßgebliche Einzelinstitutionen angehören und das mittelbare Instrumente wie die Warnung und die Empfehlung erhält.

Der IWF sieht Vorteile darin, die makroprudenzielle Politik direkt in den Notenbanken anzusiedeln. Er weist allerdings auch darauf hin, dass es dann Sicherungen geben muss, um die beiden Verantwortlichkeiten für die Geldpolitik und für die makroprudenzielle Politik zu trennen.

Deutschland hat mit seinem Finanzstabilitätsgesetz die zweite Lösung gewählt, um diese Trennung klar zu wahren. Der Ausschuss für Finanzstabilität wurde errichtet. Ihm gehören je drei Vertreter des Bundesministeriums der Finanzen, der Finanzaufsicht BaFin und der Bundesbank sowie ein nicht-stimmberechtigter Vertreter der Finanzmarktstabilisierungsanstalt an. Die Bundesbank hat die wichtigen Aufgaben, insbesondere Risiken zu identifizieren und dem Ausschuss für Finanzstabilität Vorschläge für Warnungen vor Stabilitätsgefahren sowie Empfehlungen zu deren Bekämpfung zu unterbreiten.

Dies ist für Deutschland nach meinem Dafürhalten ein überzeugender Ansatz. Auf das Ziel der Sicherung der Finanzstabilität können viele Politikbereiche einwirken, insbesondere die Bankenaufsicht oder etwa auch die Steuerpolitik. Ohnehin können nur demokratisch legitimierte Instanzen, falls nötig, neue Regulierungen einführen, etwa zum Schattenbankensystem. Insgesamt ist das Finanzstabilitätsziel damit weniger geeignet, es allein der unabhängigen Zentralbank zuzuweisen.

Prüfstein für alle Forderungen nach einer veränderten Rolle der Zentralbanken ist letztlich, dass die politische Unabhängigkeit und die darin begründete Glaubwürdigkeit weiterhin gewahrt werden. Ein solcher Anspruch wird im Kern auch vom Internationalen Währungsfonds erhoben.

Dieser Anspruch setzt allerdings auch Grenzen. So zeigen jüngste Äußerungen des IWF-Chefökonomen Olivier Blanchard, dass auch in seiner Institution Bedenken aufkommen, in welchem Maße manche der neu diskutierten Aufgaben durch die Übertragung auf unabhängige Zentralbanken einer parlamentarischen Kontrolle entzogen werden dürfen. Wird ein Legitimationsdefizit gesehen, so ist die richtige Antwort nicht die politische Kontrolle der Zentralbanken, sondern der Verzicht auf eine Übertragung solcher Aufgaben an die Notenbanker.

Mit der Glaubwürdigkeit von Notenbanken spielt man nicht. Daher werden in Deutschland im Rahmen des Finanzstabilitätsgesetzes auch keine Aufgaben von uns in der Bundesbank übernommen, die nicht unabhängig ausgeführt werden können.