Taler, Taler, du musst wandern Gastbeitrag in der Leipziger Volkszeitung

Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann schreibt für die Leipziger Volkszeitung-Wirtschaftszeitung: Der runde Geburtstag des Talers ist Anlass für ihn, auf 500 Jahre Währungsgeschichte zurückzublicken und nach vorne zu schauen.

Eine stabile Währung von internationalem Rang entsteht nicht über Nacht. Der Euro in seiner heutigen Form ist das Ergebnis eines langwierigen europäischen Integrationsprozesses. Und es hat einige Zeit gedauert, bis vor 500 Jahren die erste Währung von globaler Bedeutung, gewissermaßen der Vorläufer des Euros, aus der Taufe gehoben wurde: der Taler, dessen Namensgeber übrigens die böhmische Stadt Joachimsthal war, das heutige Jáchymov in Tschechien.

Die Geburt des Talers

Es beginnt im Jahr 1486 mit der Idee des Erzherzogs Sigismund von Tirol, die damals weit verbreiteten Goldgulden in Silber zu prägen. Silber war im Gegensatz zu den knappen Goldvorkommen im Reichsgebiet gegen Ende des 15. Jahrhunderts reichlich vorhanden, und so konnten große Silbermünzen im Wert eines Goldguldens leicht hergestellt werden. Die neuen Münzen waren hochwertig und in der Bevölkerung beliebt. Das brachte Sigismund rasch den Beinamen „der Münzreiche“ ein, denn mit der Prägung der sogenannten Guldengroschen war viel Prestige verbunden.

Auch im Erzgebirge mit seinen reichen Bodenschätzen standen die Chancen gut, Guldengroschen herzustellen. Sachsen profitierte früh vom einsetzenden Aufschwung des Bergbaus im 15. Jahrhundert. Mit der Entdeckung weiterer Silbervorkommen in den Joachimsthaler Gruben wanderten qualifizierte und erfahrene Bergfachleute zur Südseite des Erzgebirges. Aus heutiger Sicht ein Transfer an Erfahrung und Wissen von Sachsen nach Böhmen, der sich fortsetzte bis zur eigentlichen Prägetätigkeit. Denn auch der erste in Joachimsthal tätige Münzmeister war ein sächsischer Untertan.

Die Silberbergwerke bei Joachimsthal gehörten den Grafen Schlick, und ihnen gelang es schließlich ab 1520, den Guldengroschen zum internationalen Erfolg zu verhelfen. Als ihnen nämlich der Böhmische Landtag zu Beginn des Jahres die Prägung der neuen Münzsorte in Joachimsthal genehmigte, setzten sich die Schlicks auch für die Anerkennung der Münzen in Sachsen ein. Schlicksche Taler, Halbtaler und Vierteltaler durften in Sachsen jedoch nur dann in den Umlauf gelangen, wenn deren Gewicht und Feinge­halt den sächsischen Guldengroschen in nichts nachstand. Unter diesen Bedingungen genehmigte Kurfürst Friedrich der Weise von Sachsen schließlich im Juli 1520 die Einführung der Joachimsthaler Guldengroschen. So entstand vor mehr als 500 Jahren ein böhmisch-sächsischer Währungsraum.

Die Münzprägung förderte den wirtschaftlichen Wohlstand in der Region erheblich. Schätzungen zufolge dürfte die Gesamtproduktion an Joachimsthalern über 2 Millionen Stück betragen haben – eine enorme Menge, wenn wir die damalige Bevölkerungsdichte bedenken. Die Massenproduktion in Joachimsthal stellte die früheren Prägungen in Tirol in den Schatten. Zeitweise waren vier Münzmeister gleichzeitig mit der Prägung beschäftigt.

Das bedeutete den Durchbruch für die Münzen aus Joachimsthal, die bald nur noch unter dem verkürzten Namen des Produktionsorts als „Taler“ bezeichnet wurden.

Eine Währung von globaler Bedeutung – ausgehend von Leipzig

Der Taler hat in seinen über 500 Jahren eine beachtliche Reise zurückgelegt. Begünstigt wurde die Verbreitung der Taler durch nahegelegene Handelsstädte wie Leipzig oder Prag.

Der Taler damals, wie der US-Dollar oder der Euro heute, war eine wichtige Handelsmünze. Er wurde zum Symbol wirtschaftlicher Einheit und war im europäischen Raum als Zahlungsmittel akzeptiert – weit über Böhmen und Sachsen hinaus.

Bis ins späte 19. Jahrhundert war dieser Taler eine gebräuchliche Währung und gilt als Namenspate für viele weitere Währungen der Welt: Die Bezeichnung Dollar wird beispielsweise von dem Wort Taler abgeleitet. Auch der Daaler im Niederländischen oder Tallero im Italienischen ist vom selben sprachlichen Ursprung. Der Yuan im Chinesischen oder der Yen im Japanischen beschreiben ursprünglich eine „runde Silbermünze“, den Dollar nämlich, den holländische Kaufleute für Geschäfte in Asien nutzten.

Großsilbermünzen wie der Taler haben sich deshalb so stark verbreitet, weil sie einen steigenden Bedarf an Transaktionen befriedigen konnten: ohne Münzen keine Geschäfte, keine Umsätze, kein Wachstum. Münzen aus Gold und Silber standen im damaligen Währungssystem gewissermaßen im Wettbewerb zueinander. Und behauptet haben sich nur die exakt werthaltigen Ausprägungen. Denn immer wieder – etwa zur Kriegsfinanzierung – gerieten Münzmeister oder Händler in Versuchung, das vorhandene Material zu „strecken“. Die Methode war simpel: man verwendete einfach etwas weniger Silber oder beschnitt das „gute Geld“ an den Rändern etwas, wodurch es immer geringwertiger wurde. Um sicher zu gehen, werthaltiges Geld in den Händen zu halten, mussten Händler und Käufer schon zu diesen Zeiten eben alle Münzen „auf die Goldwaage“ legen.

Eine besondere Rolle in der Qualitätssicherung des Talers spielten die Messen in Leipzig. Dort wurden die Großsilbermünzen gemäß der Vereinbarung von 1520 regelmäßig von Leipziger Kaufleuten begutachtet. Nur wenn Feingehalt und Gewicht den Anforderungen entsprachen, durften die Münzen über die zahlreichen anwesenden Händler ihren Weg von Leipzig hinaus in die Welt finden.

Leipzig spielte für die stabile Wertentwicklung des Talers auch in der Folge eine zentrale Rolle. So beschlossen Kursachsen, Kurbrandenburg und Braunschweig-Lüneburg Anfang 1690 in der Pleißestadt den sogenannten Leipziger Münzfuß, der das Grundgewicht der bedeutenden Handelsmünze definierte. Innerhalb kürzester Zeit übernahmen weite Teile des damaligen Reiches diese Regelungen und prägten Münzen gleicher Qualität. So entstand eine weithin akzeptierte, stabile Währung.

Wie geht die Geschichte weiter?

Die vergangenen 500 Jahre Geldgeschichte waren weniger geprägt von Umbrüchen oder Revolutionen, sondern von Kontinuität und langsamer Anpassung. Das steht im Einklang mit den graduellen Veränderungen in der Art, wie Menschen heute Geld verwenden.

Früher hat sich die Werthaltigkeit einer Währung über ihre Masse und das Material definiert. In der modernen Geldwirtschaft vertrauen Haushalte und Unternehmen darauf, dass die Währung auch in Zukunft stabil bleibt und für tägliche Bezahlvorgänge akzeptiert wird. Unabhängige Notenbanken stehen für eine stabile Währung ein. Menschen haben überall auf der Welt Erfahrungen mit international bedeutenden Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro gesammelt.

Wie beim historischen Taler sind die bekanntesten Symbole von Währungen die geprägten Münzen und die gedruckten Banknoten. Banknoten und Münzen vermitteln noch heute einen besonderen Eindruck von einer Währung. Es bleibt etwas haften – sei es eine kulturelle Botschaft oder schlicht das Gefühl, eine stabile Währung für das tägliche Bezahlen in den Händen zu halten.

Wie geht es weiter in der Geschichte des Geldes? Zahlen wir bald nur noch mit der Karte oder mit dem Handy? Ist etwa der Weg zu digitalen Währungen der nächste logische Schritt?

Fest steht: Bargeld ist im Euroraum und vielen anderen Regionen noch immer ein beliebtes Mittel für Transaktionen und zur Wertaufbewahrung. Die Nachfrage nach Bargeld nimmt seit vielen Jahren stetig zu. Das hat sich auch in Zeiten der Corona-Pandemie nicht grundlegend geändert. Die Menschen in Deutschland schätzen Banknoten und Münzen als einfaches und vertrautes Zahlungsmittel, wie wir aus unseren wissenschaftlichen Untersuchungen wissen.

In Fachkreisen wird nicht erst seit dem Corona-Schock viel über digitales Zentralbankgeld diskutiert. Doch die konkrete Ausgestaltung wirft nach wie vor zahlreiche Fragen auf. Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel ist das einzige Zahlungsmittel, welches Bürger und Notenbank auf direktem Wege verbindet – und das ganz ohne technische Hilfsmittel. Der Zugang zu Notenbankgeld steht somit allen Teilen der Gesellschaft offen.

In einer Welt des digitalen Zentralbankgelds könnten neue Beziehungen zwischen Notenbank und Privathaushalt entstehen. Je nach technischer Ausgestaltung der elektronischen Währung könnte dies ausstrahlen auf das Gebaren von Geschäftsbanken, die mit dem Buchgeld in Kontenform einen elementaren Bestandteil des heutigen Finanzsystems abdecken. Die möglichen Auswirkungen müssen wir noch besser verstehen.   

Vom historischen Taler zu den modernen Währungen hat sich vieles verändert. Das Geld von heute hat sich weiterentwickelt, doch die jahrhundertealten Wesenszüge von früher hat es nicht verdrängt. So besteht der Grundgedanke des Talers fort: Geld muss wertstabil, allgemein akzeptiert, weit verbreitet und „lagerfähig“ sein. Geld basiert auf Vertrauen. Dann fördert es den Handel und schafft gesamtwirtschaftlichen Wohlstand.