Stabile Banken gibt es nicht zum Nulltarif Gastbeitrag im FOCUS
Die Zinsen in Deutschland sind weiter auf Talfahrt. Der Leitzins für Einlagen bei der Bundesbank ist schon vor fünf Jahren in den negativen Bereich gerutscht. Banken könnten diese Minuszinsen bald an noch mehr Kunden weitergeben.
Die Politik denkt jedoch darüber nach, das zu verbieten. Zugleich werden die Institute scharf für jede Erhöhung von Gebühren kritisiert. Doch wie sollen sie in Zukunft Geld verdienen? Und wie sollen die Institute Kapital bilden, um stabil zu bleiben?
Die Bankenaufsicht ist alarmiert: Traditionell haben Kreditinstitute in Deutschland den Löwenanteil ihres Ertrages aus dem Zinsgeschäft gezogen. Das heißt, sie vergaben Darlehen zu einem höheren Zins als sie den Kunden für ihr Erspartes gewährten. Mit der Marge finanzierten die Institute ihren Geschäftsbetrieb. Dieses Modell wirft bei immer niedriger werdenden Zinssätzen kaum noch etwas ab – weil die Margen immer kleiner werden. Verdienten Deutschlands Kreditinstitute 1990 mit 100 Euro verliehenem Sparguthaben noch 1,72 Euro, ist es heute weniger als ein Euro – und der Abwärtstrend droht sich fortzusetzen. Die Banken müssen handeln, wenn sie keine Verluste machen und überleben wollen.
Und doch wird jede Reaktion, ob Preiserhöhung oder Filialschließung, als ungerechtfertigt gescholten. Das ist aus Sicht des Kunden zwar verständlich. Faktisch haben die Kunden aber den bisher kostenlosen Service mit den Einlagen „bezahlt“, die weiterverliehen wurden. Diese Zeiten sind vorbei: Wegen der niedrigen Zinsen sind die Guthaben viel weniger wert. Ja sie kosten die Banken sogar etwas, wenn sie die Gelder zu Negativzinsen bei der Notenbank anlegen oder in Zukunft gegebenenfalls sogar als Darlehen mit Minuszins an Kunden vergeben.
Es führt kein Weg an der Erkenntnis vorbei: Girokonten kosten Geld wie jede andere Dienstleistung auch. Selbst Parken in Innenstädten für einige Stunden ist oft teurer als die monatliche Girokontogebühr. Dass Banken höhere Gebühren verlangen und über Negativzinsen nachdenken, verwundert also nicht. Es kann betriebswirtschaftlich und aus der Sicht der Bankenaufsicht sogar notwendig sein. Vor Auswüchsen schützt das Verbraucherrecht.
Doch das ist noch nicht die ganze Geschichte. Denn Deutschlands Banken haben auch ein Effizienzproblem, und bei der digitalen Revolution hinken viele hinterher. Zum einen belegt der hiesige Bankensektor im internationalen Vergleich der Kostenquote, also dem Verhältnis der Verwaltungsaufwendungen zu den Erträgen, einen der hinteren Plätze. Zu viele Filialen, zeitaufwendige Prozesse, üppige Belegschaften und veraltete IT verbrauchen die Budgets. Allein mit höheren Gebühren ist es also nicht getan.
Zum anderen verlangen die digitale Revolution und die Generation Smartphone noch mehr, als klassisches Banking etwas effizienter zu machen. Kundenbedürfnisse und Geschäftsprozesse müssen ganz neu gedacht werden. Neue Konkurrenten wie FinTechs und BigTechs schicken sich an, die Finanzwelt umzukrempeln. Facebook will gar ein eigenes Zahlungsmittel herausgeben. Banken müssen daher ein Stück weit zu Tech-Unternehmen werden. Die Bankenaufsicht darf der Innovation nicht im Wege stehen, muss aber alte und neue Risiken im Griff haben.
Dabei verlangen die Aufseher von den Instituten weiterhin, dass diese mehr Kapital bilden und ihre Risiken besser managen. Die Umsetzung vieler neuer Regeln verursacht erhebliche Kosten. Die neuen Anforderungen sind aber sinnvoll, denn sie machen den Bankensektor widerstandfähiger.
Die Banken sind also dabei, sich neu zu erfinden. Gleichzeitig fordert die Bankenaufsicht von den Instituten Stabilität, Widerstandskraft und Rentabilität. Deshalb müssen Bankvorstände den Raum haben, Kosten und Erträge in ein solides Verhältnis zu bringen. Das Geschäftsmodell einer Bank muss selbst in einer Phase niedriger Zinsen, digitaler Transformation und regulatorischen Drucks funktionieren.
Das erwartet zu Recht auch der Bankkunde. Das Institut soll seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt stellen, aber zugleich sicher sein und auskömmlich wirtschaften. Dafür sollte der Kunde auch bereit sein, einen angemessenen Preis zu bezahlen: Denn stabile Banken gibt es nicht zum Nulltarif.