Persönlich haftende Gesellschafter sind enger mit "ihrer" Bank verbunden Gastbeitrag zum 425-jährigen Jubiläum der Berenberg-Bank in der Börsen-Zeitung

Für ein stabiles Finanzsystem müssen Haftung und Kontrolle im Gleichgewicht sein

Als älteste Privatbank Deutschlands feiert die Berenberg-Bank in diesem Jahr ihr 425-jähriges Jubiläum. Dazu gratuliere ich im Namen der Bundesbank ganz herzlich. Im Jahr 1590 von niederländischen Protestanten in Hamburg gegründet, war die Firma Berenberg vor allem im Tuchhandel sowie im Im- und Export tätig. Da seinerzeit noch kein funktionierendes Bankwesen existierte, übernahmen die Kaufleute Berenberg zunehmend die Finanzierung ihrer Warengeschäfte und stiegen somit in das Kredit- und Wechselgeschäft ein. Seit ihrer Gründung sind die Privatbankiers eine feste Größe in der deutschen Bankenlandschaft.

Mein Blick auf Banken ist natürlich vor allem durch die Rolle eines Zentralbankers geprägt; und hier denke ich zuallererst an Aufsicht und Regulierung. In dieser Hinsicht kann die Aufsicht die Historie der Berenberg-Bank noch übertrumpfen, denn noch älter als die Berenberg-Bank sind Regelungen zur Kontrolle des Bankwesens.

Besonders strenge Regelungen herrschten etwa in Katalonien um 1300[1]: Dort mussten sich zahlungsunfähige Bankiers so lange von Wasser und Brot ernähren, bis sie die Gelder ihrer Einleger vollständig zurückgezahlt hatten. Da dies als Abschreckung offenbar nicht reichte, wurden 1321 die Regelungen verschärft und insolvente Bankiers mussten nun damit rechnen, vor den Toren ihrer Bank enthauptet zu werden.

Seitdem ist in der Bankenregulierung viel passiert – in jedem Fall ist sie deutlich humaner geworden. Ein zentrales Element der frühen Regelungen ist aber auch heute noch entscheidend: das Prinzip der Haftung. Und hier nehmen Banken mit persönlich haftenden Gesellschaftern eine besondere Rolle ein. Bei Berenberg handelt es sich um so eine Bank, die seit ihrer Gründung von persönlich haftenden Gesellschaftern geleitet wird. Hinter dieser Gesellschaftsform steht der Gedanke, dass persönlich Haftende viel enger mit "ihrer" Bank verbunden sind und sich daher weniger vom kurzfristigen Erwirtschaften von Renditen leiten lassen als vielmehr von der langfristigen Stabilität ihres Unternehmens – eine Haltung ganz im Sinne der Bankenaufsicht. Und so sind auch die privaten Banken, in denen die Gesellschafter persönlich haften, meist deutlich besser durch die Finanzkrise gekommen – die eine deutsche Ausnahme der jüngeren Vergangenheit bestätigt diese Regel.

Das Haftungsmodell von Berenberg entspricht so auch dem Idealbild von Walter Eucken, einem wichtigen Vordenker moderner Ordnungstheorie. Für ihn war das Konzept der Haftung elementar für eine Marktwirtschaft: "Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen", lautet eines seiner bekanntesten Zitate. Euckens Gedanke dahinter: Investitionen werden umso sorgfältiger getätigt, je mehr der Verantwortliche für diese Investitionen auch haftet und damit handelt wie der ehrbare Hamburger Kaufmann.[2]

Seitdem Eucken in der Nachkriegszeit seine Ordnungstheorie entworfen hatte, haben sich die gesellschaftsrechtlichen Formen von Unternehmen weiterentwickelt, und die Haftung der Gesellschafter wurde immer weiter begrenzt; so auch in Banken – eine Entwicklung, die Eucken als ordnungspolitisch desaströs ansah. Er nahm eine radikale Position ein und forderte, dass die Haftungsbeschränkung der Kapitalgesellschaft durch eine Haftung der Mehrheitsaktionäre oder des Vorstands kompensiert werden müsse.

Entgegen dem ordnungstheoretischen Idealmodell Euckens können Haftungsbeschränkungen gleichwohl angemessen sein.[3] Nicht zuletzt kann eine Haftungsbeschränkung Eigentümer und die Geschäftsleitung darin bestärken, mutiger zu investieren und damit Innovationen zu fördern. Natürlich muss bei jeglicher Form der Haftungsbeschränkung sichergestellt sein, dass keine übermäßigen Risiken eingegangen werden. Denn auch wenn die Haftung für Gesellschafter beschränkt ist, steht eines fest: Irgendwer muss am Ende haften.

Während der Finanzkrise mussten die Steuerzahler etlicher Länder leidvoll erfahren, dass der Ordnungsrahmen nicht sicherstellen konnte, dass Banken für ihre Verluste haften müssen. Unter dem Schutzschild der Systemrelevanz und dem Wissen, dass im Ernstfall nicht sie selbst, sondern der Steuerzahler die Verluste tragen würde, sind Banker unverantwortliche Risiken eingegangen. Das Gleichgewicht von Haftung und Kontrolle wurde vollständig ausgehebelt.

Und so ist es im Rückblick auf die Finanzkrise eine zentrale Frage, wie dem Haftungsprinzip in der Finanzwirtschaft wieder mehr Geltung verschafft werden kann. Konkret heißt das: Wenn eine Bank riskante Geschäfte macht, die ihr einen hohen Gewinn versprechen, muss sie auch die Kosten tragen, wenn die Geschäfte schief gehen. Es darf nicht länger der Steuerzahler sein, der am Ende einspringen muss.

Mittlerweile sind viele Maßnahmen ergriffen worden. An vorderster Stelle stehen dabei die erhöhten Eigenkapitalanforderungen, die mit Basel III eingeführt wurden. Große und systemrelevante Banken müssen über diese Anforderungen hinaus künftig zusätzliche Kapitalpuffer aufbauen. Diese Reformen tragen dazu bei, dass Banken mögliche Verluste aus eigener Kraft tragen können und die Lasten von den Steuerzahlern zurück auf die Eigentümer der Banken übertragen werden. Auch die noch laufenden Arbeiten zu einer Abtrennung bestimmter riskanter Bankgeschäfte in eigenständige Handelseinheiten gehen in diese Richtung. Durch die Abschaffung bankinterner Quersubventionierung von riskanten Geschäften, für die derzeit die Einleger beziehungsweise die Einlagensicherung das Risiko tragen, muss nun dort vorgesorgt werden, wo die Risiken entstehen.

Die Reformen seit der Finanzkrise sind weit gediehen und international haben sich die Regulierungsbehörden auf einen Rahmen geeinigt, der das Finanzsystem stabiler machen wird. Damit sind wir, insbesondere was das Prinzip der Haftung angeht, dem ordnungspolitischen Rahmen Euckens, ein Stück weit näher gekommen. Denn all diese Reformen sorgen dafür, dass auch Banken, die nicht dem Eucken’schen Idealmodell einer persönlichen Haftung der Gesellschafter folgen, einen Anreiz für ein nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln haben.

Doch die Haftung – ob nun persönlich oder beschränkt – ist nur die eine Seite, ein stabiles Finanzsystem kann nur bestehen, wenn Haftung und Kontrolle im Gleichgewicht sind. Und so müssen jegliche Haftungsregelungen mit einem funktionierenden und konservativen Risikomanagement einhergehen, das Risiken frühzeitig erkennt und ihnen entgegensteuert. Damit tritt idealerweise der Haftungsfall gar nicht erst ein.

An dieser Stelle sind die einzelnen Banken gefragt, denn das Risikomanagement wird auch von einem Faktor beeinflusst, den weder Aufsicht noch Regulierung beeinflussen können: der Kultur eines Bankhauses. So muss es im Eigeninteresse der Finanzindustrie liegen, zusätzlicher Regulierung durch einen echten Kulturwandel zuvorzukommen. Denn nur so können Banken das Vertrauen der Gesellschaft zurückgewinnen. Viele Institute haben bereits ihre Führungs- und Verhaltensgrundsätze angepasst. Nun müssen die Banken noch dafür sorgen, dass ihr einmal gefundener Wertekanon in Zukunft auch glaubwürdig umgesetzt wird. Bis auf weiteres sollte jedenfalls für alle gelten, was schon Seneca gesagt hat: "Was das Gesetz nicht verbietet, verbietet vielleicht der Anstand." Gemeinsam mit den Regulierungsreformen kann so das Gleichgewicht von Haftung und Kontrolle wieder hergestellt werden – auch ohne dass wir auf die drastischen Methoden des 14. Jahrhunderts zurückgreifen müssen.

Fußnoten:

  1. Vgl. J. Huerta de Soto (2006): Money, Bank Credit and Economic Cycles. Auburn
  2. Vgl. Eucken, Walther (1952, 1990): Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Hrsg. Eucken, Edith und Hensel, K. Paul, 6. Aufl., Tübingen
  3. Vgl. Pies, Ingo / Sass, Peter (2011): Wie sollte die Managementvergütung (nicht) reguliert werden? Ordnungspolitische Überlegungen zur Haftungsbeschränkung von und in Organisationen. Diskussionspapier Nr. 2011-2, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg