Nachfrage steigt jeden Monat: Bargeld ist der Gewinner der Corona-Krise Gastbeitrag auf Focus Online
In der Pandemie ist die Bargeldnutzung in Deutschland teilweise erheblich zurückgegangen. Doch das „analoge Bezahlen“ mit Banknoten und Münzen bietet klare Alleinstellungsmerkmale gegenüber anderen Bezahlformen und behält auch in einer Welt nach Corona seinen festen Platz.
In der Pandemie gibt es keine Normalität. Für gewöhnlich verzeichnen Läden und Geschäfte in den Fußgängerzonen sowie Einkaufszentren vor und nach Weihnachten besonders hohe Umsätze. Auch die Bargeldverwendung steigt im Dezember kräftig: für Holzkunst und Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt, beim Bummel durch die Innenstadt oder für Geldgeschenke – allesamt typische Einsatzgebiete von Bargeld. Vieles davon findet im vergangenen Jahr nicht wie gewohnt statt.
Deutsche meiden Bargeld wegen Corona – aber kein höheres Infektionsrisiko
Viele Verbraucherinnen und Verbraucher haben ihr Bezahl- und Konsumverhalten an die neue Situation angepasst. Teilweise ist dies auch aus Sorge vor möglichen Infektionen geschehen. Die damit begründete Aufforderung, im Einzelhandel möglichst kontaktlos zu bezahlen, ist nach wie vor an vielen Orten präsent.
Ein wissenschaftlicher Beleg für ein höheres Übertragungsrisiko von Coronaviren über Banknoten liegt indes nicht vor – darauf hat die Bundesbank bereits frühzeitig hingewiesen. Denn anders als glatte Oberflächen, wie der Griff am Einkaufswagen oder die in Folie verpackten Waren, weisen Banknoten eine poröse Struktur auf, auf der Coronaviren – sofern sie überhaupt darauf gelangen sollten – rasch eintrocknen.
Kunden wandern von Innenstädten ins Internet
Zugleich haben sich bestimmte Konsummuster aus der „analogen Welt“ eher ins Internet verschoben. So hat nach Angaben des Statistischen Bundesamts der Internet- und Versandhandel im vergangenen Jahr bislang erheblich stärker zugelegt als der Einzelhandelsumsatz insgesamt.
Zu Beginn des ersten bundesweiten Lockdowns im März 2020 sind Online-Transaktionen, die etwa zur Freischaltung von Streaming-Diensten entstehen, um rund 60 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. In großen deutschen Innenstädten waren hingegen selbst in den Sommermonaten etwa ein Viertel weniger Kunden unterwegs als im Vorjahr.
Auswirkungen der Corona-Krise beim Bezahlen noch nicht absehbar
Mehr Internet-Shopping, Essenslieferungen nach Hause und Streaming von Unterhaltung statt Fußgängerzone, Restaurant oder Kino – aus heutiger Sicht lässt sich jedoch nicht abschließend sagen, wie nachhaltig diese Entwicklungen sind. Bestimmte Waren wie Haushaltszubehör, Bekleidung oder Unterhaltungselektronik bezog die Mehrheit der Leute ohnehin bereits vor der Pandemie online, andere Produkte wie Lebensmittel oder Möbel wurden in der Pandemie hingegen online nicht stärker nachgefragt, wie die Haushaltsbefragungen im Rahmen des regelmäßig durchgeführten Bundesbank-Online-Panels zeigen. Knapp die Hälfte der Befragten hat vielmehr die Konsumausgaben aufgrund der Einschränkungen in der Pandemie, etwa wegen geschlossener Geschäfte oder eingeschränkter Reiseziele, verringert. Ein Teil der Konsumzurückhaltung war entsprechend unfreiwillig.
Nicht zuletzt deshalb ist die Bargeldverwendung im vergangenen Jahr geringer ausgefallen als in den Jahren zuvor. Im Jahresverlauf 2020 standen viele klassische Einsatzmöglichkeiten von Banknoten und Münzen im Einzelhandel, in Restaurants, auf Volksfesten oder Messen nur stark eingeschränkt oder gar nicht zur Verfügung.
Bargeld hat sich in Krise bewährt: Nachfrage steigt Monat für Monat
Doch Bargeld ist mehr als ein bloßes Zahlungsmittel. Es ist auch Mittel zur Wertaufbewahrung und dient so Privathaushalten und Unternehmen als Ruhekissen in unsicheren Zeiten. Insgesamt legt die Nachfrage nach Bargeld im Euroraum Monat um Monat zu.
Denn gerade in der Krise vertrauen die Verbraucherinnen und Verbraucher auf eine sichere und zuverlässige Geldform. Produktion und Bargeldlogistik haben auch in der Pandemie funktioniert. Banknoten waren stets in ausreichender Menge und Qualität verfügbar. Es gab keine Ausfälle oder Störungen.
Zahlungsverkehr im digitalen Wandel
Die Pandemie hat ohne Zweifel zu einer zunehmenden Digitalisierung des Alltags geführt. In diesem Zusammenhang ist immer wieder von einer Weiterentwicklung des elektronischen Zahlungsverkehrs die Rede. Neben zahlreichen privatwirtschaftlichen Akteuren digitaler Bezahlverfahren laufen gegenwärtig im Euroraum öffentliche Konsultationen zu einem möglichen digitalen Zentralbankgeld.
Es ist wichtig zu verstehen, welche Vorstellungen und Erwartungen die potenziellen Nutzerinnen und Nutzer an ein digitales Zentralbankgeld knüpfen. Bislang bleiben zahlreiche Fragen bei der genauen Ausgestaltung offen: Soll ein digitaler Euro bestehende elektronische Zahlungsverkehrssysteme ergänzen? Soll er neben Geschäftsbanken auch der breiten Öffentlichkeit offenstehen – und wenn ja, in welcher Form sollten Bürgerinnen und Bürger Zugang zum digitalen Euro erhalten?
Bargeld ist ausfallsicher und wahrt die persönliche Privatsphäre
Bargeld ist gegenwärtig das einzige Zahlungsmittel, das Zentralbankgeld ist. Das heißt, Banknoten stellen eine direkte Verbindung zwischen Privathaushalt und Notenbank her. Das stiftet Vertrauen, denn die Notenbanken im Euroraum stehen für eine stabile Währung ein. Ein digitaler Euro für die Allgemeinheit würde ebenfalls diese Brücke errichten – nur auf elektronischem Weg.
Banknoten und Münzen im Geldbeutel aber können nicht gehackt werden und lassen sich unabhängig von technischen Geräten wie Kartenleser oder Smartphone nutzen. Die Barzahlung ist aus Sicht des Verbrauchers kostengünstig und erfordert keinen Zugang zum Internet. Bargeld steht so jederzeit und jedem zur Verfügung. Analoges Bargeld bietet klare Alleinstellungsmerkmale gegenüber bislang bekannten digitalen Bezahlverfahren: Es ist absolut ausfallsicher und wahrt die persönliche Privatsphäre.
Nach Corona werden Deutsche wieder mehr mit Bargeld zahlen
Im Jahr 2019, vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, wurden im Euroraum knapp drei Viertel aller Transaktionen an der Ladenkasse mit Bargeld beglichen, wie die jüngste Zahlungsverhaltensstudie der EZB zeigt. In dem Maße, in dem sich im Verlauf dieses Jahres das Infektionsgeschehen unter Kontrolle bringen lässt und der Raum für öffentliche Treffen und Veranstaltungen sich wieder vergrößert, dürften Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wieder vermehrt zu Banknoten und Münzen greifen.
Zumal sie ihre Einstellung zu den verschiedenen Bezahlverfahren nicht grundlegend geändert haben: Die Mehrzahl wünscht sich gemäß der EZB-Erhebung auch in Zukunft eine Wahlfreiheit zwischen Bargeld und digitalen Bezahlverfahren.