Vorstandsmitglied - Dr. Sabine Mauderer ©Tim Wegner

Mauderer: Unternehmen sollten ihre Finanzierung weiter diversifizieren Gastbeitrag im Handelsblatt

Die Covid-19-Pandemie zeigt: Unternehmen brauchen Zugang zu diversen Finanzierungsquellen.Unternehmen, die es versäumt haben, ihre Finanzierung auf breitere Füße zu stellen, haben häufiger Probleme, sich die notwendige Liquidität zu beschaffen. Die Pandemie hat die Wirtschaft in eine historische Rezession gestürzt. Nicht nur hierzulande verzeichnen viele Unternehmen schwindende Liquiditätsreserven. Umsätze brechen ein, während laufende Kosten nicht im gleichen Umfang sinken. Regierungen und Parlamente haben mit umfassenden Hilfsprogrammen reagiert. Es wurde verhindert, dass vorübergehende Liquiditätsengpässe bei soliden Unternehmen binnen kurzer Zeit zu Solvenzproblemen und Entlassungswellen führen.

Zudem stützen die Notenbanken durch vielzählige Sondermaßnahmen die Kreditvergabe an Unternehmen und Haushalte. Durch gezielte längerfristige Liquiditätstender (TLTROs) wurden den Banken im Euro-System allein im Juni netto 564 Milliarden Euro an zusätzlicher Liquidität zugeführt. In Anbetracht der enormen Summen darf man nicht vergessen, dass es sich um reine Notfallprogramme handelt. Daher sollten Unternehmen die Pandemie als Chance sehen, ihre Finanzierung weiter zu diversifizieren und krisenfester zu machen. Innovation und Wachstum brauchen einen gesunden Finanzierungsmix, insbesondere mit Blick auf den Mittelstand.

Ein solides Eigenkapitalpolster ist wichtig, um Schwächephasen durchzustehen. Hier kann das Gros deutscher Unternehmen – dank des konjunkturellen Aufschwungs der vergangenen Jahre – punkten. Es gibt dennoch Ausnahmen. Bei einigen größeren, kapitalmarktaffinen Unternehmen war in den letzten Jahren eine Ratingmigration nach unten zu beobachten. Über die Hälfte der deutschen kapitalmarktaktiven Unternehmen ging mit einer Bonitätseinstufung von BBB oder schwächer in die Krise. Mancherorts dürfte die Erkenntnis reifen, dass Aktienrückkäufe in Schönwetterperioden die eigene Resilienz in Stresssituationen schwächen können. Darüber hinaus werden Investoren künftig ehrgeizigere Sozial- und Umweltstandards verlangen, insbesondere bei Eigenkapitalbeteiligungen.

Das gilt es in der Finanzplanung zu berücksichtigen. In Deutschland spielen Bankkredite bei der Fremdfinanzierung weiterhin die wichtigste Rolle. Nur etwa sechs Prozent der Fremdfinanzierung laufen hierzulande über den Kapitalmarkt, verglichen mit rund 22 Prozent in den USA. Obwohl sich enge Hausbankbeziehungen oft ausgezahlt haben, sind dem Spielraum Grenzen gesetzt.

Banken können nur in dem Umfang Mittel vergeben, wie es die Eigenkapitaldecke, interne Risikoerwägungen sowie regulatorische Vorgaben zulassen. Trotzdem zögern viele Unternehmen, ihre Finanzierung breiter aufzustellen. Und das, obwohl Aufwendungen etwa für ein Rating oder ein Listing durchaus vertretbar sein können, wenn dadurch die Liquiditätsversorgung in Stressphasen erhalten bleibt. Auch für kleinere und mittlere Unternehmen gibt es interessante Alternativen zum klassischen Bankkredit. So erfreut sich etwa das Schuldscheindarlehen hierzulande steigender Beliebtheit. Das ausstehende Volumen von Euro-Schuldscheinen hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt und ist inzwischen auf rund 150 Milliarden Euro gestiegen. Das liegt auch daran, dass die Anforderungen an Publizität und Mindestvolumen geringer ausfallen als bei klassischen Anleihen.

Für größere Unternehmen kann auch die Ausgabe von Commercial Papers (CP) – das sind Geldmarktpapiere mit Laufzeiten von typischerweise unter einem Jahr – von Interesse sein. Denn deren hohe Flexibilität ermöglicht die schnelle Aufnahme von Liquidität. Nachdem deutsche Unternehmen davon in der Vergangenheit nur wenig Gebrauch machten, hat das Interesse an CP im Zuge der Coronakrise zugenommen. So ist das ausstehende Volumen der von deutschen Unternehmen emittierten Commercial Papers von 16,6 Milliarden Euro im ersten Quartal 2020 auf 23,3 Milliarden Euro im laufenden Quartal gestiegen.

Es bleibt festzuhalten: Das bankfinanzierte System ist weiterhin wichtig. Trotzdem braucht die Wirtschaft diverse Finanzierungsquellen, um Stressphasen besser zu überstehen und innovativ zu bleiben. Insbesondere junge Unternehmen, die nicht über genügend Sicherheiten für die klassische Kreditfinanzierung verfügen, brauchen einen guten Zugang zu Risikokapital. Angesichts der wirtschaftlichen Relevanz einer dynamischen Gründerszene besteht hier in Deutschland Luft nach oben.

Auch vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Kapitalmärkte in Europa noch enger zusammenwachsen.

Eine echte Kapitalmarktunion kann ein „Matchmaker“ sein, indem sie Geldgeber und attraktive Anlagemöglichkeiten zusammenführt, Risiken grenzüberschreitend verteilt und die Unternehmensfinanzierung krisenfester macht. Auch wenn die politische Aufmerksamkeit momentan auf der akuten Bewältigung der Covid-19-Pandemie liegt, kommt der Kapitalmarktunion mittelfristig eine Schlüsselfunktion zu: Sie eröffnet neue Finanzierungsquellen und wird damit zu einem Motor für Investitionen und für Wirtschaftswachstum.