Klimaschutz und Zentralbanken Gastbeitrag im Corriere della Sera und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Klimaschutz ist die zentrale Herausforderung dieses Jahrhunderts. Zentralbanken und Finanzaufsicht müssen dabei eine maßgebliche Rolle spielen. Klimabedingte Risiken für die Finanzstabilität zu begrenzen und zu besseren Informationen über Klimarisiken beizutragen sind wichtige Aufgaben von Notenbanken. Dies erleichtert die Mobilisierung privater Mittel für die Finanzierung der Transformation. Notenbanken können klimapolitische Entscheidungen demokratisch gewählter Regierungen hinsichtlich Regulierung, Besteuerung und Subventionen ergänzen, diese aber nicht ersetzen.

Klimapolitik reicht in sämtliche Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft hinein. Sie betrifft das Konsumverhalten Einzelner und den persönlichen Lebensstil. Unternehmen müssen Investitionen und Produktion anpassen. Alle diese Entscheidungen müssen einen sehr langen Zeithorizont im Blick haben. Klimarisiken und ihre Auswirkungen auf die Finanzmärkte erfordern zudem eine enge globale Koordination.

Zentralbanken müssen ihren Beitrag für den Klimaschutz leisten. Preis- und Finanzstabilität zu sichern ist die Kernaufgabe von Notenbanken, die damit Märkten Halt und Orientierung geben. Zentrale klimapolitische Maßnahmen, wie etwa die CO2-Bepreisung, sind bei hoher Inflation weniger wirksam.

Stabile und funktionsfähige Finanzmärkte sind mindestens ebenso wichtig. Der Übergang zur Klimaneutralität erfordert hohe Investitionen, und die Investoren sind zunehmend bereit, Mittel für die ökologische Transformation bereitzustellen. Es ist dabei nicht die Aufgabe der Notenbanken, Mittel zur Finanzierung bestimmter Investitionen zu mobilisieren. Aber sie müssen mit dazu beitragen, dass die privaten Kapitalmärkte reibungslos funktionieren können.

Gleichzeitig wissen wir noch zu wenig über die physischen und transitorischen Risiken, die sich aus dem Klimawandel und aus der Klimapolitik ergeben können. Klimabezogene Risiken in Form von Kredit-, Markt- oder rechtlichen Risiken werden vom bestehenden Regulierungsrahmen abgedeckt. Von daher sollte das Aufsichtsrecht nicht direkt genutzt werden, um klimapolitische Ziele zu erreichen, sondern es muss die relevanten Risiken im Blick haben.

Aber wir müssen gleichzeitig die Analyse klimabedingter Risiken verbessern:

Erstens müssen analytische Instrumente zur Abschätzung von Klimarisiken weiterentwickelt und breiter genutzt werden. In der Regel basieren die Risikomodelle von Banken und Zentralbanken auf historischen Daten. Diese Modelle müssen verbessert werden, um die Wirkung klimapolitischer Maßnahmen auf einzelne Sektoren und über lange Zeithorizonte hinweg zu erfassen. Dabei lässt sich die hohe Unsicherheit über die Auswirkungen des Klimawandels nicht in gängige Risikomodelle fassen und „bepreisen“. Bislang wissen wir zu wenig darüber, wie sich der Klimawandel auf die Wirtschaft auswirkt, wann und wo Systeme kippen und welche nicht linearen Dynamiken sich ergeben können. Klimastresstests unter Annahme verschiedener Szenarien können daher dazu beitragen, die Auswirkungen des Klimawandels auf die Ökonomie und das Finanzsystem besser zu verstehen.

Zweitens müssen klimarelevante Daten und Informationen für Investoren besser und transparenter verfügbar sein. Selbst das beste Modell kann keine guten Ergebnisse liefern, wenn relevante Daten, auf denen es basiert, fehlen. Die aktuelle Situation ist nicht zufriedenstellend. Daher ist es wichtig, globale Standards zur Offenlegung von Klimarisiken zu erreichen.

Drittens brauchen wir eine stärkere Vereinheitlichung von Bilanzierungsstandards. Unternehmen, die ihre CO2-Bilanz offenlegen möchten, sehen sich derzeit mit einer Vielzahl unterschiedlicher und nicht immer vergleichbarer Standards konfrontiert. Gleichzeitig suchen Investoren weltweit „grüne“ Anlagen. Angesichts der enormen Summen, um die es dabei geht, sind möglichst objektive Taxonomien und Offenlegungsstandards unverzichtbar. Diese senken das Risiko eines Greenwashings von Anlagen und von Preisblasen, die aus fehlerhaften grünen Klassifikationen entstehen können.

Zentralbanken kommt bei all diesen Aufgaben eine wichtige Katalysatorfunktion zu. Das Network for Greening the Financial System (NGFS), an dem zahlreiche Notenbanken weltweit beteiligt sind, setzt sich für eine Verbesserung von Daten, Offenlegungsstandards und die Entwicklung von Szenarien ein. Im Finance Track der G20 wurde eine Arbeitsgruppe zur nachhaltigen Finanzierung eingerichtet, an der alle großen Notenbanken mitwirken.

Und wir müssen selbst mit gutem Beispiel vorangehen. Die Banca d’Italia und die Bundesbank setzen daher alles daran, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern und Umweltkriterien bei der Verwaltung ihrer Portfolios zu berücksichtigen.

Innerhalb unserer Aufgaben können wir somit sehr viel tun. Dies verringert jedoch nicht die Notwendigkeit klimapolitischer Entscheidungen. Preise für CO2-Emissionen quantifizieren die Auswirkungen individueller Entscheidungen auf die Umwelt und setzen so Anreize für Haushalte und Unternehmen, Verhalten anzupassen. Wie stark diese Preissignale ausfallen und welche weiteren klimapolitischen Maßnahmen erforderlich sind, muss im Rahmen eines breiten gesellschaftlichen Dialogs abgestimmt werden. Hierüber ist politisch zu entscheiden, denn Notenbanken fehlt die für diese Entscheidungen nötige demokratische Legitimation.

Um die Herausforderungen des Klimawandels zu bewältigen, müssen sich politisches und privates Handeln ergänzen. Viele private Investoren sind bereit, in die Transformation der Wirtschaft zu investieren. Damit die Märkte Klimaaspekte berücksichtigen können, muss die Politik einen glaubwürdigen Pfad für die CO2-Bepreisung und für die künftige Klimapolitik aufzeigen.