Geld braucht Vertrauen Gastbeitrag in WiSt - Wirtschaftswissenschaftliches Studium

1. Was ist Geld?

Es gibt zahllose Studien über das Wesen des Geldes von Philosophen, Kulturwissenschaftlern, Historikern oder Soziologen. Nach Niklas Luhmann etwa sollte Geld im Kontext einer Theorie sozialer Systeme „zunächst und vor allem als Medium der Kommunikation behandelt werden“ (Luhmann, 1988, S. 230). Wesentlich pragmatischer sind dagegen die Ökonomen. Sie blicken allein auf das wirtschaftliche Handeln und geben verkürzt die Antwort: Geld ist, was als Geld gilt. Geld ist für sie ein Medium, das drei Funktionen erfüllt. Es dient als Tauschmittel, als Recheneinheit und als Mittel zur Wertaufbewahrung (Deutsche Bundesbank, Frühjahr 2019, S. 10).

Wer Geld als Tauschmittel akzeptiert, muss darauf vertrauen, dass er es an anderer Stelle auch wieder nutzen kann, denn pointiert formuliert: Geld kann man nicht essen. Es ist nur ein Zwischenspeicher für benötigte und gewünschte Waren oder Dienstleistungen. Je mehr Menschen es akzeptieren, umso eher sind wir geneigt, das jeweilige Geld zu verwenden. Je besser das Geld teilbar ist, umso leichter kann es als Recheneinheit genutzt werden, um den Wert unterschiedlichster Waren und Dienstleistungen miteinander zu vergleichen. Bei 100 Gütern gibt es schon 4.950 Tauschrelationen. Mit Geld als Recheneinheit sind dagegen nur 100 Preise erforderlich, um so unterschiedliche Dinge wie das Einkommen einer Professorin, ein Kilo Bananen oder einen Kinobesuch miteinander zu vergleichen.

Über die Nutzung und den Einsatz von Geld entscheidet vor allem aber, wie gut das Geld zur Wertaufbewahrung geeignet ist. In der Geschichte des Geldes kam es dafür zunächst auf die Beständigkeit des Materials an. Lebensmittel, die verschimmeln und Münzen, die verrosten, waren schlecht geeignet. Während noch bis weit ins 20. Jahrhundert Währungen zumindest teilweise durch Gold gedeckt waren, sind die Währungen der meisten Volkswirtschaften heute sogenannte Fiat-Währungen ohne Edelmetalldeckung. Die Bezeichnung „fiat“ (lateinisch für „es werde“) deutet darauf hin, dass „Fiatgeld“ allein durch Beschluss der gesetzgebenden Organe eines Staates entsteht, der dieses Geld als gesetzliches Zahlungsmittel bestimmt (Deutsche Bundesbank, Frühjahr 2019, S. 15). Offensichtlich wird dies in Zeiten des Buchgeldes. Hier spielt die Materialität überhaupt keine Rolle mehr. Kontoguthaben existieren nur noch als Bits und Bytes auf den Servern der Banken. Zentral für die Wertaufbewahrung ist daher allein, dass der Wert des Geldes erhalten bleibt. Niemand wird Geld akzeptieren, wenn er weiß, dass er sich für den erhaltenen Geldbetrag morgen nur noch halb so viel leisten kann wie heute. Wenn das Preisniveau zu stark steigt, das Geld also seine Kaufkraft einbüßt, verliert das Geld seine Funktionen. Geld ist damit im Kern ein Versprechen in die Zukunft. Das ganze Geldsystem hängt am Vertrauen. Es kann ohne Vertrauen nicht funktionieren (Borio, 2019, S. 292).

2. Vertrauen sichern

Das Vertrauen ins Geld wird am deutlichsten geprägt durch individuelle Erfahrungen. Wenn Geld im täglichen Wirtschaftsleben reibungslos als Tauschmittel funktioniert, werden die Wirtschaftssubjekte es auch morgen verwenden. Doch für die Wertaufbewahrung reichen tägliche Erfahrungen nicht. Hinzukommen muss ein generelles Vertrauen in das Geldsystem an sich, in den institutionellen Rahmen, das geltende Recht und in die verantwortlichen Institutionen.

Für den Euro, die gemeinsame europäische Währung, wurde die Grundlage für das Vertrauen mit der politischen Entscheidung gelegt, der Geldwertstabilität im Kontext konkurrierender Ziele einer Gesellschaft einen hohen Stellenwert einzuräumen. Mit dem im Jahre 1992 in Maastricht verabschiedeten Vertrag über die Europäische Union wurde Preisstabilität als gemeinsames vorrangiges Ziel der Geldpolitik in der Wirtschafts- und Währungsunion verankert. Dafür haben die EU-Staaten ein politisch unabhängiges Zentralbanksystem eingerichtet. Es besteht aus der Europäischen Zentralbank (EZB) und den nationalen Zentralbanken des Euroraums. Den Wert des Geldes zu sichern und seine Funktionen zu gewährleisten, ist also Mandat und damit Aufgabe und Anspruch des Eurosystems.

Um die Gefahr der politischen Einflussnahme auf die Geldpolitik zu begrenzen, haben die Gründerväter der Europäischen Währungsunion auch der Haushaltsdisziplin der einzelnen Mitgliedstaaten ein besonderes Gewicht gegeben. Denn während die 19 Mitgliedsstaaten ihre geldpolitische Souveränität auf die europäische Ebene übertragen haben, liegt die Fiskalpolitik weiterhin in nationaler Verantwortung. In einer Währungsunion aus souveränen Staaten ist jedoch der Anreiz eines Mitgliedsstaates, auf solide Staatsfinanzen zu achten, kleiner. Denn wenn sich ein Mitglied übermäßig verschuldet, fällt die zu erwartende Zinserhöhung für die Verschuldung in der gemeinsamen Währung geringer aus als im Falle einer nationalen Währung. Gleichzeitig sind jedoch alle Mitgliedsländer von der Zinserhöhung betroffen, völlig unabhängig von ihrer eigenen Fiskalpolitik. Deshalb sind im Maastricht Vertrag Obergrenzen für den nationalen Schuldenstand und die jährliche Neuverschuldung der einzelnen Mitgliedstaaten vorgesehen. Konkretisiert werden diese Vorgaben im Stabilitäts- und Wachstumspakt.

Ein weiterer Anreiz für eine solide Haushaltspolitik in den Mitgliedsstaaten ist die Vorschrift, dass laut EU-Vertrag kein Euro-Land für die Schulden eines anderen Euro-Landes haften darf (§ 125, Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union (AEUV)). Diverse Rettungsmaßnahmen in der Finanz- und Staatsschuldenkrise zur gemeinsamen Unterstützung einzelner Mitgliedsländer der Währungsunion hatten dieses Prinzip aufgeweicht, um akute Gefahren für die Finanzstabilität abzuwenden. Um die fiskalische Eigenverantwortung der Länder zu stärken und die nationale Verschuldung wirksamer zu begrenzen, haben die europäischen Regierungen mittlerweile den Stabilitäts- und Wachstumspakt angepasst, ein Verfahren für gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte eingerichtet und einen Fiskalpakt beschlossen.

Verantwortung für die Geldwertstabilität trägt insbesondere die Geldpolitik. Sie muss mit ihren Maßnahmen unzweifelhaft deutlich machen, dass sie die Preisstabilität sichern kann und wird. In der Regel alle sechs Wochen überprüft der EZB-Rat auf Grundlage seiner wirtschaftlichen und monetären Analyse, ob die geldpolitischen Maßnahmen für den Euroraum angemessen sind. Im Rahmen seiner Definition von Preisstabilität strebt der EZB-Rat auf mittlere Sicht eine jährliche Teuerung im Eurogebiet an, die unter, aber nahe zwei Prozent liegt (Europäische Zentralbank, 2019). Dadurch sollen nicht nur zu hohe, sondern auch zu niedrige Inflationsraten vermieden werden.

Mit diesen Regelungen ist ein angemessener institutioneller Rahmen für das Vertrauen in den Euro gegeben. Bewähren aber muss sich der Euro eben auch im täglichen Gebrauch. Das Eurosystem stellt darum sicher, dass Euro-Banknoten und -Münzen von Portugal bis Finnland gleichermaßen eingesetzt werden können und jederzeit ausreichend Bargeld dort verfügbar ist, wo es nachgefragt wird. In Deutschland bringt die Deutsche Bundesbank über ihre Filialen das Bargeld in Umlauf und sortiert regelmäßig nicht mehr umlaufsfähige Banknoten und Münzen aus.

Das meiste Geld existiert mittlerweile aber nur noch auf den Konten der Banken. Dieses Buchgeld wird nicht von den Zentralbanken ausgegeben. Es sind die Banken selbst, die Buchgeld über die Vergabe von Krediten schaffen können (Deutsche Bundesbank, 2017, S. 17). Um das Vertrauen ins Buchgeld zu sichern, braucht es ein stabiles und sicheres Bankensystem. Deshalb werden Banken vom Eurosystem beaufsichtigt und ihre Geschäfte reguliert. Banken müssen u.a. ausreichend Eigenkapital vorhalten und Regeln bei der Kreditvergabe einhalten. Eine Einlagensicherung schützt darüber hinaus die Kontoguthaben der Verbraucher im Euroraum.

Notwendig für die Nutzung von Buchgeld ist zudem ein funktionierender, sicherer und verlässlicher Zahlungsverkehr. Wer mit Buchgeld zahlt, muss sich darauf verlassen können, dass der richtige Geldbetrag vom eigenen Konto abgebucht und in der vereinbarten Zeit auf das Konto des Zahlungsempfängers übertragen wird. Es sind die nationalen Zentralbanken, die mit ihrem Großbetragszahlungssystem TARGET2 (Trans-European Automated Real-time Gross Settlement Express Transfer System) alle Banken im Euroraum miteinander verbinden und damit ein zentrales, ausfallsicheres Rückgrat für unbare Zahlungen stellen. Über gesetzliche Regelungen und Mindestanforderungen an den Betrieb von Zahlungsdiensten sichern sie den Umgang mit Buchgeld, so dass sich im täglichen Geschäftsverkehr das nötige Vertrauen herausbilden kann.

3. Aktuelle Herausforderungen

In den letzten Jahren hat sich die Art und Weise, wie Privatpersonen und Unternehmen Waren und Dienstleistungen bezahlen, erheblich verändert. Das kontaktlose Bezahlen mit Karte und Smartphone ist mittlerweile stark verbreitet. Neue Bezahlverfahren für den Einkauf im Internet sowie auch für den Einsatz an der Ladenkasse haben sich entwickelt. Neben den klassischen Finanzinstituten treten immer häufiger auch junge, innovative Anbieter, so genannte Fin-Tech Unternehmen, aber auch große Internetkonzerne als Anbieter neuer Zahlungsdienste auf. (vgl. Deutsche Bundesbank, Juni 2019, S. 51 ff.).

Aber nicht nur bei den Bezahlverfahren, sondern auch mit Blick auf die Zahlungsmittel hat die Digitalisierung Innovationen hervorgebracht.  Die Ausgabe privater Krypto-Token, mit denen unter Nutzung der Blockchain-Technologie Zahlungen weltweit anonym ohne Zwischenschaltung von Banken oder staatlichen Stellen direkt von einer Person zur anderen übertragen werden können, hat in den letzten Jahren zugenommen.

Die Zentralbanken achten darauf, dass diese Innovationen die Sicherheit und Effizienz des Zahlungsverkehrs nicht beeinträchtigen und dass die weiteren gesetzlichen Ziele, vorrangig die Geldwertstabilität sowie die Finanzstabilität, nicht kompromittiert werden (vgl. Deutsche Bundesbank, Juli 2019, S. 39 ff.). Denn Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich auch in einer digitalisierten Welt jederzeit auf das staatlich geregelte offizielle Geld, den Euro, verlassen können.

Literatur:

  • Borio, C., On money, debt, trust and central banking, in: The Cato Journal, 39 (2019), S. 267-302.
  • Luhmann, N., Die Wirtschaft der Gesellschaft, 1. Aufl., Frankfurt am Main, 1988.
  • Deutsche Bundesbank, Geld und Geldpolitik, Frühjahr 2019.
  • Deutsche Bundesbank, Die Rolle von Banken, Nichtbanken und Zentralbank im Geldschöpfungsprozess, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, April 2017, S. 15-36.
  • Deutsche Bundesbank, Zahlungsdienste im Umbruch; Instant Payments, PSD2 und neue Wettbewerber, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juni 2019, S. 51-65.
  • Deutsche Bundesbank, Krypto-Token im Zahlungsverkehr und der Wertpapierabwicklung, in: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juli 2019, S. 39-60.
  • Europäische Zentralbank (2019), Online im Internet: URL: https://www.ecb.europa.eu/ecb/tasks/monpol/html/index.de.html (Abrufdatum 25.11.2019).