Der lange Weg zum Euro Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Dieser Tage jährt sich zum fünfhundertsten Mal das Ende des Reichstags zu Worms, der vom 27. Januar bis zum 26. Mai 1521 stattfand. Bekannt ist dieser Reichstag heute vor allem dadurch, dass Martin Luther sich dort zu seiner Glaubenslehre bekannte und in der Folge mit dem Wormser Edikt über ihn die Reichsacht verhängt wurde.
Aus zeitgenössischer Perspektive war das jedoch nur eines von mehreren dringenden Themen, die man auf dem Reichstag behandelte – darunter eine Reform des Geldwesens. Selbst von Historikern wird die weichenstellende Bedeutung, die der Reichstag für das deutsche Geldwesen in den kommenden Jahrhunderten hatte, zumeist nicht ausreichend beachtet.
Kaiser Karl V. hatte bereits anlässlich seiner Wahl im Jahr 1519 versprechen müssen, gemeinsam mit den Kurfürsten, Fürsten und Ständen des Reichs „Fleiß“ auf die Behebung der „beschwerung und mengel der munz“ zu verwenden. Diese Schwierigkeiten und Mängel im Münzwesen bezogen sich unter anderem auf einen allgemeinen Wertverlust des Geldes, auf geringwertige oder nicht verfügbare Kleinmünzen und auf eine geradezu babylonische Währungsverwirrung. Selbst kleinste Herrschaften im Reich gaben ihre eigenen Münzen aus. Eine dauerhafte Festsetzung des konstant schwankenden Wertverhältnisses zwischen Gold- und Silbermünzen war ein lang gehegter Wunsch.
Wie beharrlich sich die Frage der Geldordnung einer Lösung entzogen hatte, wird daran deutlich, dass 1521 im Verlauf des Wormser Reichstags lediglich die Forderungen wieder aufgegriffen wurden, die man bereits auf einem Reichstag in Augsburg im Jahr 1500 aufgestellt hatte. Auch dort hatte man im Übrigen bereits beklagt, dass die zwei Jahre zuvor bei einem Reichstag in Freiburg beschlossenen „etlichen Artikel“ zum Münzwesen „nicht vollzogen seien“. Die unterschiedlichen geldpolitischen Interessen der vielen im Reich zusammengeschlossenen Territorialherren hatten also während mehr als 20 Jahren einen Fortschritt in der Geldpolitik verhindert.
Einen neuen Ansatz ermöglichte nun das Reichsregiment, das auf dem Wormser Reichstag eingerichtet wurde. Es bestand aus Erzherzog Ferdinand als dem Statthalter des Kaisers und 22 weiteren Personen, die vom Kaiser und den Ständen ernannt wurden. Das Reichsregiment verkörperte die Regierung des Reichs in Abwesenheit des Kaisers und erlangte in der Folge besondere Bedeutung, weil Karl V. nach dem Wormser Reichstag 1521 für fast ein Jahrzehnt nicht mehr im deutschsprachigen Raum weilte. Erst 1530 kehrte er nach seiner Kaiserkrönung in Bologna zurück und hielt im Juni Einzug in Augsburg, um den dortigen Reichstag zu eröffnen.
Dem Reichsregiment sollte laut dem Abschied des Wormser Reichstags vom 26. Mai 1521 unter anderem die Neuordnung des Münzwesens wie auch der Maße und Gewichte sowie der Monopole zufallen. Damit ging die Gestaltungsmacht im Bereich des Münzwesens formal vom Kaiser auf das Reichsregiment über, das im April 1522 Sachverständige einlud, damit „untreglicher nachteil“ künftig verhütet werden möge. Bereits im April 1522 legte der vom Reichsregiment eingesetzte Münzausschuss in Nürnberg ein entsprechendes Gutachten vor, mit dem die Vielfalt der Münzen im Reich eingedämmt und das Wertverhältnis von Gold- und Silbermünzen festgesetzt werden sollte. Aufgrund der unterschiedlichen Währungskulturen im Reichsgebiet beschloss man eine Aufteilung in Münzbezirke. Außerdem wurde die deutliche Kennzeichnung der neuen Münzen mit Jahresangaben verordnet, um sie von den alten Geprägen unterscheiden zu können.
Auch die Aufteilung des Reichsgebiets in unterschiedliche Münzbezirke sollte eine langfristige Wirkung entfalten, die in den folgenden Jahren über die Reichsmünzordnungen von Esslingen (1524) und Augsburg (1551 und 1559) übernommen, weiter ausdifferenziert und verbessert wurde.
Auf dem Reichstag zu Worms entstanden 1521 somit Kernelemente der künftigen deutschen Geldpolitik. Wegweisend war die Entscheidung, die komplexen Sachfragen von höchster politischer Ebene an ein Gremium aus Münzmeistern und anderen Sachverständigen zu delegieren, die zügig Lösungsansätze entwickeln konnten. Von wesentlicher Bedeutung war ebenfalls die Aufteilung des Reiches in einzelne, miteinander verbundene Währungsräume, innerhalb derer die gemeinsame Geldpolitik des Reichs um- und durchgesetzt werden sollte.
Nicht zuletzt verdanken wir den Entscheidungen des Reichstags zu Worms die Jahreszahlen, die bis heute auf unseren Münzen aufgeprägt sind. Vor allem aber zeigen die Ereignisse im Jahr 1521, wie groß das Interesse an einer einheitlichen, stabilen Währung war. Diesem Ziel ordnete man andere politische Belange unter.