Den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten endgültig durchbrechen Gemeinsamer Gastbeitrag von Joachim Nagel und Nicolas Véron, erschienen bei Politico

Nach zwölf Jahren ist es an der Zeit, die Bankenunion zu vollenden

In den frühen Morgenstunden des 29. Juni 2012 fanden Kühnheit und Klarheit zusammen. Nach einer langen Verhandlungsnacht legten die europäischen Staats- und Regierungschefs das Fundament für die Bankenunion. Dabei stellten sie unmissverständlich das Ziel des Projekts fest, nämlich den Teufelskreis zwischen Banken und Staatsanleihen zu durchbrechen.

Getroffen wurde diese Entscheidung im Gefolge der Staatsschulden- und Bankenkrise, die als Zwillingskrise den Euroraum erschütterte. Die engen Verflechtungen zwischen Staaten und Banken hatten zu einem Teufelskreis geführt: Staaten retteten strauchelnde Banken, was die öffentlichen Finanzen belastete, und steigende Staatsanleiherenditen übten Druck auf die Portfolios der Banken aus, in denen sich überproportional viele heimische Papiere befanden. Dieser Teufelskreis erwies sich als eine besondere Schwachstelle des Euroraums mit seinem speziellen institutionellen Aufbau als Währungsunion ansonsten souveräner Staaten. Er erhöhte den Druck auf das Eurosystem, als Retter einzuspringen. Und so wurde die Bankenunion konzipiert: als Schwert zum Durchbrechen des Teufelskreises.

Die heutige Bankenunion ist hauptsächlich das Ergebnis intensiver gesetzgeberischer Bemühungen zwischen 2012 und 2014. Es entstand ein vollständiger Rahmen für die europäische Bankenaufsicht und ein unvollständiger Rahmen für die Bewältigung von Bankenkrisen. Vor allem durch den inzwischen bewährten Einheitlichen Aufsichtsmechanismus aus Europäischer Zentralbank und den nationalen Aufsichtsbehörden konnte der Teufelskreis abgeschwächt werden – durchbrochen ist er aber noch nicht.

Bevor die Lehren aus 2012 in Vergessenheit geraten, sollten wir die neue EU-Legislaturperiode nutzen, um diese Aufgabe abzuschließen. Dazu sind Maßnahmen in zwei Richtungen erforderlich. Zum einen muss der direkte Ansteckungskanal von Banken zu Staaten unterbrochen werden. Steuerzahler sollten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn Banken in Schwierigkeiten geraten. Zum anderen muss der Ansteckungskanal von Staaten zu Banken geschlossen werden. In einer Währungsunion fiskalisch souveräner Staaten kann und sollte man nicht ausschließen, dass es zu staatlichen Ausfällen kommen kann. Gleichzeitig darf nicht zugelassen werden, dass Banken dann mitgerissen werden und damit die Finanzstabilität zusätzlich gefährden.

Das erste Ziel erfordert eine Stärkung des Kriseninterventionsrahmens. Hier wurden mit der Einrichtung des Einheitlichen Abwicklungsausschusses und des Einheitlichen Abwicklungsfonds bereits wertvolle Fortschritte erzielt. Der Fonds erreichte nach einem Jahrzehnt des Aufbaus seine Zielausstattung von derzeit 78 Mrd. €. Notwendig ist aber ein strafferer und besser vorhersehbarer Rahmen. Konkret sollte die Abwicklung nach EU-Recht eine glaubwürdige und praktikable Option sein für mehr, wenn nicht sogar alle ausfallenden Banken. Derzeit lässt ein unübersichtlicher Mix aus europäischen und nationalen Verfahren zu viel Spielraum für Staatshilfen und Moral Hazard.

Die Reform des Krisenmanagementrahmens hängt eng mit der Einlagensicherung zusammen. Eine gemeinsame europäische Einlagensicherung würde das Vertrauen in den Einlegerschutz stärken und das Risiko von Bank Runs mindern. Sie soll den Nexus zwischen den Banken und den jeweiligen Staaten schwächen und so dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit des Euroraums insgesamt zu erhöhen. Wir vertreten unterschiedliche Auffassungen, wie die Einlagensicherung strukturiert sein sollte, ob man sie vollständig zentralisiert oder hybrid unter Einbeziehung nationaler Stellen gestaltet. Wir teilen jedoch die feste Überzeugung, dass sie eine Verankerung auf europäischer Ebene benötigt. Alle Banken im Euroraum sollten daran teilnehmen. Ihre Finanzierung kann und sollte risikobasiert sein, wobei Regelungen wie Institutssicherungssysteme zu berücksichtigen sind, die in Deutschland und Österreicheine wichtige Rolle spielen.

Im Rahmen dieses Mechanismus würden bestimmte Risiken innerhalb der EU gemeinsam getragen werden. Umgekehrt müssen Risiken, die in die nationale Zuständigkeit fallen, angemessen begrenzt werden. Mit Blick auf das zweite Ziel – die Verringerung der Ansteckungseffekte von Staaten auf Banken – ist es entscheidend, große, nicht diversifizierte Engagements in den Bankbilanzen gegenüber einem einzelnen Staat zu verhindern. Konzentrationslimits und Kapitalzuschläge können hier als wirksame Instrumente dienen. Mit einer angemessenen Kalibrierung und einer Übergangsphase können diese Instrumente Anreize für die Banken setzen, ihre Länderrisiken zu diversifizieren und so den Home Bias allmählich zu überwinden.

Wie sich zeigt, sind die Themen Krisenmanagement, Einlagensicherung und Engagement der Banken in Staatsschuldtiteln miteinander verknüpft. Bisherige Ansätze haben nicht zum Erfolg geführt, auch weil sie nicht umfassend genug waren. Dass der 2015 vorgelegte Gesetzesvorschlag der Kommission zur Einlagensicherung auf Eis gelegt wurde, lag unter anderem daran, dass man nicht gleichzeitig die hohen Länderrisiken in den Bankbilanzen in Angriff nahm. Offenbar sind die Mitgliedstaaten nicht zu Zugeständnissen bereit, wenn dabei nichts Halbes und nichts Ganzes herauskommt. Zu erwägen wäre ein umfassender Ansatz, der diese verflochtenen Themen ganzheitlich angeht. Er könnte das Werk vollenden, das vor zwölf Jahren mit einem Versprechen begann: den Teufelskreis zwischen Banken und Staaten zu durchbrechen.