Banken punkten in Krise – für erfolgreiche Zukunft müssen sie noch alte Probleme lösen Gastbeitrag auf Focus online
Diesmal sind nicht die Banken Krisen-Auslöser. Diesmal werden sie vielmehr gebraucht, um die durch COVID-19 ausgelöste Wirtschaftskrise zu bewältigen. Banken und Sparkassen sind aktuell als Kreditgeber gefragt wie selten zuvor. Damit Banken zukunftsfähig bleiben, müssen sie jedoch nicht nur das Krisen-Tagesgeschäft im Blick haben, sondern auch an Zukunftsthemen arbeiten.
In den vergangenen Jahren wurde immer wieder grundlegend in Frage gestellt, ob nicht Bigtechs, Fintechs oder andere innovative Unternehmen quasi nebenbei den Banken-Job übernehmen können. Nun zeigt sich: Nein, können sie nicht – die Banken werden gebraucht.
Als „finanzielles Rückgrat“ übernehmen Banken und Sparkassen mit der Kreditversorgung von Realwirtschaft und Privathaushalten entscheidende Aufgaben. Und die Kreditvergabe wächst: Im April wurden im Eurosystem so viele Kredite an Unternehmen vergeben wie seit elf Jahren nicht mehr.
Zu Beginn der Corona-Krise ging es zunächst darum, das operative Bankgeschäft aufrecht zu erhalten: Bargeld zur Verfügung zu stellen, Geldautomaten zu füllen, auch im Falle von Filialschließungen telefonisch und online erreichbar zu sein. Das alles ist geglückt. Und das war eine beachtenswerte Leistung, immerhin war zwischenzeitlich über ein Drittel der Filialen geschlossen. Auch ihre eigenen Markt- und Liquiditätsrisiken hatten Banken weitgehend im Griff. Und auch für mögliche Kreditausfälle, die erst mit zeitlicher Verzögerung eintreten, dürften die Institute nach aktueller Datenlage gerüstet sein. Immer vorausgesetzt, die Corona-Pandemie verschärft sich nicht dramatisch. Was den Banken zugutekommt, ist, dass sie ihre Kapitalpuffer in den vergangenen Jahren nach Maßgaben der Bankenaufsicht deutlich gestärkt haben. Das bedeutet: Bezogen auf das gesamte deutsche Finanzsystem würden selbst Kreditverluste in einer Größenordnung von 100 Mrd. Euro, wie sie in Szenarien für sehr widrige Bedingungen simuliert werden, nur etwa die Hälfte des Puffers aufzehren, den die Kreditinstitute seit der Finanzkrise aufgebaut haben.
Der Bankensektor hat also in der aktuellen Krise gepunktet. Das sind gute Voraussetzungen für die Zukunft – sofern die Banken auch altbekannte Probleme bewältigen.
Schon vor der Krise stand die Frage im Raum: Wie können Banken in Zeiten von niedrigen Zinsen profitabel sein? Die Geschäftsmodelle der Kreditinstitute müssen auch auf längere Sicht mit niedrigen Zinsen gut funktionieren. Aber der Blick in die Bilanzen von 2019 zeigt: Nicht jedes Institut erwirtschaftet solide Erträge. Einige müssen nachbessern und dabei auch Kernbestandteile ihres Geschäftsmodells auf den Prüfstand stellen. Konsolidierungen werden außerdem ein Dauerbrenner bleiben, was aber nicht zwangsläufig bedeutet, Filialen zu schließen und Institute zu fusionieren. Auch einzelne Elemente der Wertschöpfungskette können zentralisiert und so effizienter gestaltet werden.
Effizienz lässt sich vielfach auch durch digitale Lösungen steigern. Damit dies gelingt, muss ambitionierte Technik genutzt werden, die über Videokonferenzen und besseres Onlinebanking hinausgeht: Künstliche Intelligenz, Tokenisierung, Cloud-Lösungen. Da spielt die „digitale Musik“, dort schlummert die Innovation. Die Corona-Krise allein ist kein automatischer „Digitalisierungs-Boost“ – dafür braucht es Eigeninitiative und neue Ideen – jetzt und auch nach der Krise.
Die Bankenaufsicht will diese Innovationen konstruktiv begleiten. So unterstützt sie Kreditinstitute beispielsweise, indem bei Auslagerungen an Cloud-Dienstleister gemeinsame Prüfungen der Institute in sogenannten „Pooled Audits“ möglich sind. Wenn eine deutsche Bank Cloud-Dienstleistungen aus dem Silicon Valley nutzt, muss nicht jedes Institut selbst dorthin fahren und sich das Risikomanagement anschauen, sondern kann dies in Verbünden von erfahrenen Prüfern mehrerer Banken umsetzen und so Kosten sparen.
Und auch das Thema Nachhaltigkeit muss auf der Agenda der Banken bleiben. Selbst wenn COVID-19 den Schwung der Klima-Debatte zunächst gebremst hat, kann sich das jederzeit ändern – sogar schneller als erwartet. Für Banken liegen Chancen in der Finanzierung von „klimafreundlichen“ Innovationen. Es können allerdings auch Risiken entstehen, etwa über vergebene Kredite an nicht-nachhaltige Wirtschaftszweige. Deshalb sollten Banken und Sparkassen Nachhaltigkeitsrisiken als wesentlichen Aspekt in ihre Risikobetrachtung aufnehmen.
Will eine Bank zukunftsfähig sein, muss sie also an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen. Es reicht nicht, nur das Krisen-Tagesgeschäft im Blick zu haben. Alte Herausforderungen rund um Profitabilität und Konsolidierung bleiben bestehen, bekannte wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit ebenso, und neue Themen werden durch eine hoffentlich dynamische Wirtschaftsbelebung nach der Pandemie hinzukommen. Dass Banken diese Zukunftsthemen aktiv mitgestalten, ist entscheidend. Dann haben sie die Chance, ihre Rolle als finanzielles Rückgrat der Unternehmen und Privathaushalte sogar zu stärken. Diese Chance sollten sie nicht ungenutzt lassen.