Geglückter Start in EU-finanziertes Projekt für den Westbalkan Interview mit Martin Dinkelborg
Im März startete das EU-finanzierte Projekt für Zentralbanken und Bankenaufsichtsinstitute in den sechs Westbalkan-Staaten. Die EU-Kommission stellt 2 Millionen Euro für das Projekt zur Verfügung, das über 24 Monate läuft. Neben der Bundesbank beteiligen sich 19 Notenbanken aus dem ESZB und die EZB. Martin Dinkelborg, Sie sind der verantwortliche Projektmanager. Wie kam es dazu, dass die Bundesbank die führende Rolle in diesem Projekt übernommen hat?
2016 hat die Bundesbank den Vorsitz und das Sekretariat der Task Force on Central Bank Cooperation von der EZB übernommen. Damit verbunden war auch die Frage, wer die Nachfolgeprojekte für die großen ESZB-Projekte aus den Anfangsjahren des Jahrtausends übernehmen sollte. Auch dazu hat sich die Bundesbank gerne bereit erklärt und zusätzlich den Vorsitz im Programme Steering Committee übernommen, das für die Vorbereitung des Westbalkanprojekts zuständig war. An diesem beteiligten sich neben der Bundesbank die Notenbanken aus Frankreich, Italien, Polen und Österreich sowie - als Beobachter - die EZB. In den statutengemäß vorgesehenen Planungstreffen, die in den jeweiligen Hauptstädten stattfanden, haben wir dann gemeinsam das Projekt erarbeitet.
Wie lange hat der Planungsprozess gedauert?
Die Planung begann 2016 mit der Übernahme des Task Force Vorsitzes und dauerte bis zum Projektbeginn Ende März 2019 in Wien. Somit hat die Vorbereitung insgesamt nicht ganz drei Jahre in Anspruch genommen. Das klingt auf den ersten Blick viel, bewegt sich aber vor allem angesichts sich überlappender Planungsprozesse insbesondere auf EU- und ESZB-Ebene eher noch am unteren Ende des Üblichen. Da es für uns das erste Projekt dieser Art war, haben wir auch auf eine sorgfältige Vorbereitung großen Wert gelegt.
Wie groß war die Bereitschaft der Zentralbanken aus dem ESZB, bei dem Projekt mitzumachen?
Die Bereitschaft ist während der Projektplanung immer stärker gewachsen. Am Anfang waren es naturgemäß insbesondere die Mitglieder des Steering Committees, die sich bereiterklärt hatten, an dem Projekt teilzunehmen. Mit dem Planungsfortschritt erweiterte sich der Kreis der beteiligten Zentralbanken sehr schnell. Zum Schluss kamen sogar noch zwei „Nachzügler“ dazu. So sind wir jetzt 20 Zentralbanken aus dem ESZB, die das Projekt zusammen stemmen.
Wie viele Institute aus dem Westbalkan gehören zu den Begünstigten?
Es gibt acht begünstigte Institutionen, dies sind die sechs Zentralbanken der Westbalkanstaaten sowie die beiden Bankaufsichtsbehörden in Bosnien und Herzegowina. In diesem Land sind die staatlichen Strukturen infolge des Dayton-Abkommens komplett anders als in den anderen Ländern dieser Region, so dass es bei funktionaler Betrachtung Sinn macht, diese Institute mit zu berücksichtigen.
Was sind genau die Ziele des Programms?
Der Titel des Programms klingt etwas sperrig „Strengthening the Central Bank Capacities in the Western Balkans with a View to the Integration to the European System of Central Banks“. Letztlich geht es darum, die Zentralbanken möglichst ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend auf den jeweils aktuellen Stand zu bringen. Das Themenfeld ist sehr breit und reicht von Bankenaufsicht über Zahlungsverkehrsfragen bis hin zur Fragen einer möglichen EU-Integration.
Wie sieht die konkrete Unterstützung aus?
Das Projekt hat vier große Elemente, der erste Teil besteht in gemeinsamen Trainings für alle sechs Westbalkanstaaten in verschiedenen Hauptstädten Westeuropas. Die zweite Stufe sind bilaterale Maßnahmen vor Ort, die sich aus diesen Trainingsevents ergeben. Außerdem sind zwei High-level-policy workshops und Praktikumsaufenthalte vorgesehen.
Was waren die größten Hürden, bis das Projekt starten konnte?
Das Projekt aufzusetzen war insgesamt durchaus anspruchsvoll. Die größten Hürden waren der Aufbau administrativer Strukturen und die Erarbeitung eines sicheren rechtlichen Fundaments. Überraschend unproblematisch war die Zusammenarbeit mit so vielen Notenbanken des ESZB. Die inhaltlichen Fragen waren schnell geklärt und die Bereitschaft, sich zu beteiligen, war – wie gesagt – sehr groß. Auf viele Elemente der Projektentwicklung hatten wir allerdings keinen Einfluss, weil sie in der Hand der Europäischen Kommission lagen, die eigene Planungsprozesse und Planungszeiträume hat, auf die wir warten mussten.
War die Zusammenarbeit mit der EU-Kommission ansonsten reibungslos?
Reibungslos ist sogar noch untertrieben. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der EU-Kommission war von Anfang an hervorragend. Wir waren immer bemüht, Probleme zu lösen statt neue zu schaffen. Wenn Europa überall so funktionieren würde wie in diesem Projekt, dann müssten wir uns über Europa keine Sorgen machen.
Welche Herausforderungen stehen noch an?
Die größte Herausforderung ist, das Projekt vertragsgemäß und den Vorstellungen der Nehmerinstitutionen entsprechend zu Ende zu bringen. Das Problem, was ich sehe und was bei der letzten Steering Committee Sitzung leise anklang war, dass das Projekt vielleicht „zu gut“ funktioniert. Die EU-Kommission kam nämlich schon auf uns zu und hat gefragt, ob wir auch an einem weiteren Projekt für einen anderen Kreis von Zentralbanken interessiert wären. Das wäre allerdings eher eine mittelfristige Angelegenheit. Aber man sieht schon an der Anfrage, dass auch die Reaktion der EU-Kommission auf das Projekt sehr positiv ist.
Die Fragen stellte Silke Schrupp