Motive für die Überwachung

Im Rah­men des Zah­lungs­ver­kehrs und der Wert­pa­pier­ab­wick­lung hat die Bun­des­bank neben ihren Funk­tio­nen als Be­trei­ber von Zah­lungs­sys­te­men und als Ka­ta­ly­sa­tor für ge­wünsch­te Ver­än­de­run­gen am Markt auch die Auf­ga­be der Über­wa­chung des Zah­lungs­ver­kehrs und der Finanzmarktinfrastrukturen.

Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren wie Zah­lungs­ver­kehrs­sys­te­me, Zen­tral­ver­wah­rer (engl.: cen­tral se­cu­ri­ties de­po­si­to­ry) und zen­tra­le Gegenparteien (engl.: cen­tral coun­ter­par­ty) sind we­sent­li­che Be­stand­tei­le eines funk­tio­nie­ren­den Fi­nanz­mark­tes. Sie un­ter­stüt­zen die Re­al­wirt­schaft, bei­spiels­wei­se durch die si­che­re und schnel­le Be­glei­chung von Zah­lungs­be­trä­gen, und kön­nen geld­po­li­ti­sche Im­pul­se über­tra­gen – etwa durch die Ge­währ­leis­tung eines ver­läss­li­chen In­ter­ban­ken-Zah­lungs­ver­kehrs. Wenn sie nicht in an­ge­mes­se­ner Weise be­trie­ben wer­den, kön­nen aus ihnen Ri­si­ken für das ge­sam­te Fi­nanz­sys­tem ent­ste­hen. Au­ßer­dem kön­nen Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren im Kri­sen­fall einen An­ste­ckungs­ka­nal für an­de­re Fi­nanz­marktak­teu­re bil­den. Die Si­cher­heit und Ef­fi­zi­enz die­ser In­fra­struk­tu­ren liegt daher im In­ter­es­se von Zen­tral­ban­ken. Ihre Über­wa­chung hat sich in den bei­den letz­ten Jahr­zehn­ten als neue­re Zen­tral­bank­funk­ti­on eta­bliert.

Auch Zah­lungs­in­stru­men­te – wie zum Bei­spiel Zah­lungs­kar­ten, Über­wei­sun­gen, Last­schrif­ten oder elek­tro­ni­sches Geld – spie­len eine wich­ti­ge Rolle im Zahlungsverkehr. Ihre Si­cher­heit ist daher es­sen­zi­ell für das Ver­trau­en der Öf­fent­lich­keit in die Wäh­rung. Aufgrund dieser Bedeutung und im Einklang mit ihrem gesetzlichen Mandat nimmt die Bun­des­bank auch die Über­wa­chung der Zah­lungs­in­stru­men­te wahr.. Die Bundesbank be­tei­ligt sich auch an der Über­wa­chung des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­dienst­leis­ters SWIFT (kurz für So­cie­ty for World­wi­de In­ter­bank Fi­nan­ci­al Te­l­ecom­mu­ni­ca­ti­on).

Durch die kon­se­quen­te Ver­fol­gung der Ziele Si­cher­heit und Ef­fi­zi­enz leis­tet die Über­wa­chung einen Bei­trag zur Fi­nanz­sta­bi­li­tät, zur Durch­set­zung der Geld­po­li­tik und zur Auf­recht­erhal­tung des Ver­trau­ens der Öf­fent­lich­keit in die Wäh­rung. Die pri­mä­re Ver­ant­wort­lich­keit für die Si­cher­heit und Ef­fi­zi­enz ver­bleibt dabei beim je­wei­li­gen Be­trei­ber bzw. Dienst­leis­ter und wird durch die Bun­des­bank le­dig­lich kon­trol­liert. Die Ver­hin­de­rung von Geld­wä­sche und Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rung sowie der Daten- und Ver­brau­cher­schutz sind da­ge­gen kein Teil der Über­wa­chungs­funk­ti­on und wer­den von an­de­ren öf­fent­li­chen Stel­len in der Bun­des­re­pu­blik wahr­ge­nom­men.

Rechts­grund­la­ge

Die Rechts­grund­la­ge der Über­wa­chung lei­tet sich aus dem Ar­ti­kel 127(2) des Ver­trags über die Ar­beits­wei­se der Eu­ro­päi­schen Union sowie Ar­ti­kel 3.1 des Pro­to­kolls über die Sat­zung des Eu­ro­päi­schen Sys­tems der Zen­tral­ban­ken und der Eu­ro­päi­schen Zen­tral­bank („ESZB-Sat­zung“) ab. Hier ist als eine der Auf­ga­ben des ESZB de­fi­niert, das rei­bungs­lo­se Funk­tio­nie­ren der Zah­lungs­sys­te­me zu för­dern.

Eine wei­te­re Rechts­grund­la­ge ist Ar­ti­kel 22 ESZB-Sat­zung. Dem­nach kön­nen EZB und na­tio­na­le Zen­tral­ban­ken Ein­rich­tun­gen zur Ver­fü­gung stel­len und die EZB Ver­ord­nun­gen er­las­sen, um ef­fi­zi­en­te und zu­ver­läs­si­ge Ver­rech­nungs- und Zah­lungs­sys­te­me in­ner­halb der Union und im Ver­kehr mit drit­ten Län­dern zu ge­währ­leis­ten. Diese Auf­ga­be spie­gelt sich auch in §3 des Ge­set­zes über die Deut­sche Bun­des­bank wider: Die Bun­des­bank sorgt für die bank­mä­ßi­ge Ab­wick­lung des Zah­lungs­ver­kehrs im In­land und mit dem Aus­land und trägt zur Sta­bi­li­tät der Zah­lungs- und Ver­rech­nungs­sys­te­me bei.

Über­wa­chungs­stan­dards

Um das Er­rei­chen der Ziele der Über­wa­chung über­prü­fen und si­cher­stel­len zu kön­nen, wur­den Stan­dards für die Über­wa­chung der ein­zel­nen In­fra­struk­tu­ren und Zah­lungs­in­stru­men­te ent­wi­ckelt, die im Rahmen von Be­ur­tei­lun­gen der je­wei­li­gen Sys­te­me und Be­trei­ber ihre An­wen­dung fin­den.

Die Basis für die Über­wa­chung der Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren bil­den seit April 2012 die „Prin­zi­pi­en für Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren“ (PFMI). Diese wur­den vom Baseler Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (Committee on Payments and Market Infrastructures, CPMI) und der In­ter­na­tio­na­len Ver­ei­ni­gung der Wert­pa­pier­auf­sichts­be­hör­den (In­ter­na­tio­nal Or­ga­ni­za­ti­on of Se­cu­ri­ties Com­mis­si­ons, IOSCO) er­ar­bei­tet. Ziel ist es, die Sta­bi­li­tät und die Wi­der­stands­fä­hig­keit von Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren zu er­hö­hen. Die 24 Prin­zi­pi­en der PFMIs ver­ein­heit­li­chen, ver­schär­fen und er­wei­tern die bis­her für Fi­nanz­markt­in­fra­struk­tu­ren gel­ten­den in­ter­na­tio­na­len Empfehlungen um neue As­pek­te, und bil­den nun die Grund­la­ge für ver­schie­de­ne eu­ro­päi­sche Re­gu­lie­rungs­an­sät­ze. So hat die EZB die PFMI für systemisch relevante Zahlungssysteme (systemically important payment systems, SIPS) in Form einer EU-Verordnung (SIPS-Regulierung) verbindlich im Euroraum umgesetzt.

Die Stan­dards für die Über­wa­chung von Zah­lungs­in­stru­men­ten wur­den vom Eu­ro­sys­tem zunächst un­ab­hän­gig von den PFMIs ent­wi­ckelt, später aber angelehnt an die PFMI überarbeitet und aktualisiert und im November 2021 als Überwachungsrahmen des Eurosystems für Verfahren und Arrangements zur Übertragung elektronischer Zahlungsverkehrsinstrumente (kurz: PISA Rahmenwerk) veröffentlicht. Sie wer­den von der Bun­des­bank so­wohl bei der ge­mein­schaft­li­chen Über­wa­chung in­ter­na­tio­nal ge­nutz­ter Zah­lungs­in­stru­men­te als auch bei der Über­wa­chung im Rah­men der na­tio­na­len Kom­pe­ten­zen ge­nutzt. 

Ab­gren­zung zur Ban­ken­auf­sicht und zum Sys­tem­be­trieb

Die Zen­tral­bank­funk­ti­on der Über­wa­chung (engl.: Over­sight) ist grund­sätz­lich von der von Eu­ro­päi­scher Zen­tral­bank, Bun­des­bank und Bun­des­an­stalt für Fi­nanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht durch­ge­führ­ten Auf­sicht von Kre­dit­in­sti­tu­ten (engl.: Su­per­vi­si­on) im Sinne des KWG zu un­ter­schei­den. Im Ge­gen­satz zu die­ser Auf­sicht, die sich mit ein­zel­nen Kre­dit­in­sti­tu­ten sowie der Ge­samt­heit der Kre­dit­in­sti­tu­te be­schäf­tigt und de­tail­lier­te Prü­fun­gen von Ein­zel­in­sti­tu­ten durch­führt, rich­tet sich die Ar­beit der Über­wa­chungs­funk­ti­on auf Ab­wick­lungs­sys­te­me in­klu­si­ve der je­wei­li­gen In­stru­men­te und über­prüft deren Aus­ge­stal­tung und Funk­ti­ons­wei­se.

Hin­sicht­lich ihrer Ein­griffs­be­fug­nis­se un­ter­schei­den sich Auf­sicht und Über­wa­chung eben­falls. Die Ban­ken­auf­sicht hat um­fang­rei­che re­gu­la­to­ri­sche Ein­griffs­be­fug­nis­se und -in­stru­men­te, wäh­rend sich die Über­wa­chung in Deutsch­land tra­di­tio­nell auf ar­gu­men­ta­ti­ve Au­to­ri­tät stützt. Hiervon ausgenommen ist lediglich die Überwachung systemisch relevanter Zahlungssysteme nach der SIPS-Regulierung. Zusätzlich kann die Überwachungsfunktion bei den­je­ni­gen Sys­tem­be­trei­bern und Ak­teu­ren, die – wie z. B. deut­sche Zen­tral­ver­wah­rer, deut­sche zen­tra­le Gegenparteien sowie Kor­re­spon­denz­ban­ken – zu­sätz­lich der Ban­ken­auf­sicht un­ter­lie­gen, über deren Auf­sichts­be­hör­den auf eine ge­wünsch­te Ver­hal­tens­än­de­rung hin­wir­ken.

Eine an­de­re wich­ti­ge Auf­ga­be ei­ni­ger Zen­tral­ban­ken ist auch der Be­trieb ei­ge­ner Zah­lungs­ver­kehrs- und Wert­pa­pier­ab­wick­lungs­sys­te­me. Um mög­li­che In­ter­es­sen­kon­flik­te zu ver­mei­den, sind diese Zen­tral­ban­ken an­ge­hal­ten, den Be­trieb ei­ge­ner In­fra­struk­tu­ren und deren Über­wa­chung or­ga­ni­sa­to­risch zu tren­nen. Dieses ist innerhalb der Bundesbank durch die Wahrnehmung der Aufgaben Betrieb und Überwachung durch verschiedene Ab­tei­lun­gen mit ge­trenn­ten Be­richts­we­gen gewährleistet.