Zum 85. Geburtstag von Otmar Issing

Von 1990 bis 1998 war Otmar Issing Chefvolkswirt der Bundesbank. Als Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB) verantwortete er die Entwicklung der geldpolitischen Strategie des EZB-Rates. Issing habe die geldpolitische Landschaft geprägt wie kaum ein anderer in Europa, sagte Bundesbankpräsident Jens Weidmann bei einem akademischen Kolloquium anlässlich des 85. Geburtstags von Issing. „Bis heute profitieren die Bundesbank und die EZB von dem, was Du geschaffen hast“, so Weidmann an Issing gerichtet.

Als größten Meilenstein der Karriere Issings bezeichnete es Weidmann, dass Issing die damals neu gegründete EZB als Chefvolkswirt erfolgreich durch die ersten Jahre geführt habe. „Du hast wesentlich dazu beigetragen, die EZB als eine glaubwürdige und hoch angesehene Institution aufzubauen, deren vorrangiges Ziel die Gewährleistung von Preisstabilität ist.“

Meisterstück EZB-Strategie

Als Direktoriumsmitglied der EZB war Issing für die Bereiche Volkswirtschaft und Forschung zuständig. Gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelte er die „Zwei-Säulen-Strategie", die dem EZB-Rat bis heute als Grundlage seiner geldpolitischen Entscheidungen dient. Wie Weidmann in seinem Grußwort erläuterte, enthielt diese Strategie drei wichtige Elemente: eine quantitative Definition von Preisstabilität mit mittelfristiger Ausrichtung, eine herausragende Rolle der Geldmenge und eine breit angelegte Analyse der Aussichten für die Preisentwicklung.

Die Formulierung einer stabilitätsorientierten geldpolitischen Strategie der EZB bezeichnete Weidmann als Issings „Meisterstück“. Er habe sie im Jahr 1998 von Grund auf erarbeitet und sei an der Überarbeitung 2003 ebenfalls maßgeblich beteiligt gewesen. „Ich denke, Du wirst mir zustimmen, wenn ich sage, dass keine geldpolitische Strategie in Stein gemeißelt sein sollte. Vielmehr sollte sie sich mit den Gegebenheiten verändern – und dass sich die Gegebenheiten in den vergangenen 18 Jahren verändert haben, ist gewiss“, sagte der Bundesbankpräsident. Die aktuelle Überprüfung solle daher darauf abzielen, die Strategie an die aktuellen Herausforderungen anzupassen.

Besonderer Beitrag zum Vertrauen in den Euro

Den besonderen Beitrag, den Issing zur Entwicklung der EZB-Strategie geleistet hat, hob auch der ehemalige EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in seiner Rede bei dem virtuellen Kolloquium hervor. Trichet und Issing hatten bei der EZB viele Jahre zusammengearbeitet. Trichet bezeichnete es als großen Erfolg Issings, dass die Zustimmung zum Euro sowie das Vertrauen in die Währung bis heute hoch seien – insbesondere auch in Deutschland.

Im Jahr 2006 schied Issing im Alter von 70 Jahren nach achtjähriger Amtszeit als Chefvolkswirt aus dem EZB-Direktorium aus. Er ist heute Präsident des Center for Financial Studies in Frankfurt am Main. Im März 2021 feierte Otmar Issing seinen 85. Geburtstag.