Zum 85. Geburtstag von Hans Tietmeyer

"Entscheidend ist, den Mut zu haben etwas durchzuhalten, auch wenn es nicht immer nur Zustimmung findet", sagt Hans Tietmeyer im Gespräch mit dem britischen Publizisten David Marsh. Ein Leitsatz, der den Verhandlungs- und Führungsstil des früheren Bundesbankpräsidenten prägte, der die Stabilität der deutschen Währung stets verteidigte. In diesem Sinne traf er Entscheidungen und verfocht Positionen, die nicht jedem gefielen. So lehnte der Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank unter Tietmeyers Führung beispielsweise im Mai 1997 den Wunsch des damaligen Finanzministers Theo Waigel ab, Gewinne aus einer Neubewertung der Goldreserven vorzeitig an den Bundeshaushalt abzuführen.

Tietmeyer über das Verhältnis von Politik und unabhängiger Notenbank

Auch in internationalen Verhandlungen folgte seine Argumentation stets einer klaren Linie. Doch gab der Westfale dabei Acht, die Empathie und das Verständnis für die Positionen seiner Gesprächspartner nicht zu verlieren. "Man kann und darf nicht sagen, dass in einem Land die Wahrheit vorhanden ist und in einem anderen Land nicht", beschreibt er im Rückblick die Grundhaltung, die notwendig sei, damit auch kontroverse Verhandlungen zu Ergebnissen führten. 

Tietmeyer über unterschiedliche Auffassungen von Geldpolitik in Frankreich und Deutschland

Der damals 59‑Jährige kam 1990 zur Bundesbank und war dort zunächst Mitglied des Direktoriums. Vier Monate später betraute ihn der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl mit einer wichtigen Aufgabe: Als Sonderbeauftragter leitete er drei Monate lang die Verhandlungen über die deutsch-deutsche Währungsunion mit den Vertretern der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Sein Mandat im Direktorium der Bundesbank ruhte in dieser Zeit. 

Turbulente Zeiten

Von Juli 1991 an wurde Tietmeyer für zwei Jahre zum Vizepräsidenten der Bundesbank berufen, bevor er ab 1. Oktober 1993 als Bundesbankpräsident auf Helmut Schlesinger folgte. Er übernahm das Amt des Bundesbankpräsidenten somit in einer schwierigen Episode auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion. So kam es in den Jahren 1992 und 1993 wiederholt zu Spannungen im Europäischen Währungssystem.

Stringente Ansichten

Tietmeyer bezog im Hinblick auf die Europäische Währungsunion klare Positionen und betonte im Laufe der 1990er‑Jahre immer wieder die Notwendigkeit einer nachhaltigen Erfüllung der sogenannten Konvergenzkriterien.

Tietmeyer über die Möglichkeit einer politischen Union in Europa

Zudem wies er bereits damals darauf hin, dass der politische Wille aller EU-Mitgliedstaaten ein zentrales Fundament für eine dauerhaft stabile gemeinsame Währung sei. Eine Position, die er bis heute fest vertritt. "Ein Miteinander der Politiken ist notwendig, um eine Währungsunion tragfähig zu machen. Und dieses ist leider in Europa nicht in dem Maße geschehen, wie es eigentlich hätte geschehen müssen", sagt er im Interview und warnt davor, die Europäische Währungsunion zu einer Transferunion umzugestalten.

Tietmeyer über die Stabilität des Euro und die Gefahren einer Transferunion

Vor seiner Zeit bei der Bundesbank war der Volkswirt bereits an den frühen Bemühungen um eine Europäische Währungsunion beteiligt gewesen, und zwar als Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums in der sogenannten Werner-Gruppe, die 1970 einen Stufenplan zur Einführung einer gemeinsamen Währungsunion vorlegte. 1973 übernahm Tietmeyer die Leitung der Abteilung "Wirtschaftspolitik I" im Bundeswirtschaftsministerium, in dem er seit 1962 tätig gewesen war. 1982 wurde er zum Staatssekretär im Bundesfinanzministerium ernannt und verhandelte in dieser Funktion über internationale Währungsfragen und weltweite Finanzbeziehungen. 

Im Jahr 1999 wurde der Euro, zunächst als Buchgeld, eingeführt. Wenige Monate später schied Tietmeyer aus seinem Amt aus. Er sei "der letzte Hüter der D-Mark", gewesen schrieben Zeitungen im In- und Ausland.

Tietmeyer über das besondere Verhältnis der Deutschen zur Bundesbank