Zum 80. Geburtstag von Otmar Issing

Vor genau 18 Jahren, in der Nacht vom 26. auf den 27. März 1998, wurde in den Räumen der Deutschen Bundesbank bis weit in die Nacht hinein diskutiert. Die Mitglieder des damaligen Zentralbankrats der Bundesbank erörterten die Konvergenzlage der damaligen EU-Länder. Sie diskutierten die bis dato erreichte Annäherung dieser Länder im Hinblick auf den Start der gemeinsamen Währungsunion zum 1. Januar 1999. "Ich erinnere mich an diese Sitzung sehr genau. Um Mitternacht wurde sie für wenige Minuten unterbrochen, weil ich Geburtstag hatte", sagt Otmar Issing, damals Zentralbankratsmitglied und Chefvolkswirt der Bundesbank, im Gespräch mit dem britischen Journalisten David Marsh. "Wir haben über Mitternacht hinaus miteinander gerungen. Denn es galt selbstverständlich, Einmütigkeit und Einstimmigkeit zu erzielen", so Issing. Die Staatsverschuldung von über 100 Prozent in Belgien und Italien bereitete den Mitgliedern des Zentralbankrats dabei Sorge. Schlussendlich einigte sich der Zentralbankrat der Bundesbank in seiner nächtlichen Sitzung darauf, den Start der Währungsunion als "stabilitätspolitisch vertretbar" zu bezeichnen, betonte in seinem Bericht aber ausdrücklich, dass Konvergenz ein anhaltender Prozess sein müsse.

Otmar Issing über seinen Geburtstag vor 18 Jahren

Entschiedener Einsatz für einen stabilen Euro

Issing war von 1990 bis 1998 Direktoriumsmitglied und Chefvolkswirt der Bundesbank. Er trat stets vehement für einen strikten Stabilitätskurs ein. Stabiles Geld galt Issing immer als eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Soziale Marktwirtschaft und damit für gesellschaftlichen Wohlstand. Kein anderes System erlaube unzähligen Individuen, sich frei zu entfalten und ihr Potenzial auszuschöpfen, war die Überzeugung Issings. Allen anderen Konzeptionen sei es klar überlegen.

Von 1973 bis 1990 lehrte Issing als Professor an der Universität Würzburg, wo er den Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre innehatte. Zudem veröffentlichte er Lehrbücher über Geldtheorie und Geldpolitik, die schnell zu Standardwerke wurden. Von 1988 bis 1990 war Issing Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.

Trotz der anfänglichen Skepsis im Hinblick auf die Einführung der gemeinsamen europäischen Währung gilt sein Beitrag für die erfolgreichen Anfangsjahre des Euro heute als einer der besonderen Verdienste des 1936 geborenen Würzburgers. Denn Issing setzte sich entschieden dafür ein, den Euro zu einer stabilen Währung zu machen. Dazu folgte er im Jahr 1998 dem Ruf in das Direktorium der Europäischen Zentralbank, wo er für die Generaldirektionen Volkswirtschaft und Volkswirtschaftliche Forschung zuständig war. Seiner Meinung nach hätte es damals keinen Sinn gemacht, mit der politischen Entscheidung, den Euro einzuführen, zu hadern. "Dann gehe ich dahin, um zu versuchen dazu beizutragen, dass der Euro ein Erfolg wird", habe er damals gesagt.

Otmar Issing über seinen Ruf in das Direktorium der EZB und den Starttermin der Euro-Einführung

Warnung vor ausufernder Liquidität

Als Chefvolkswirt der EZB entwickelte er die "Zwei-Säulen-Strategie", die dem EZB-Rat bis heute als Grundlage seiner geldpolitischen Entscheidungen dient. Sie umfasst die "wirtschaftliche Analyse" und die "monetäre Analyse". Für die wirtschaftliche Analyse betrachten die Ökonomen kurz- bis mittelfristige realwirtschaftliche Indikatoren. Dazu gehören zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt, die Auslastung der Produktionskapazitäten oder die Lohnentwicklung. Im Rahmen der monetären Analyse beobachten sie längerfristige, monetäre Indikatoren, etwa das Wachstum der Geldmenge oder der Kredite an den privaten Sektor. Zusammengenommen zeigt die Analyse mögliche Risiken für die Preisstabilität und damit gegebenenfalls Handlungsbedarf für den EZB-Rat an. Während seiner achtjährigen Amtszeit bei der EZB war es Issing stets ein Anliegen, vor den grundsätzlichen Gefahren einer zu stark ausufernden Liquidität zu warnen, die seiner Meinung nach inflationäres Potenzial bergen würde.

Im Jahr 2006 schied Issing im Alter von 70 Jahren als Chefvolkswirt aus dem EZB-Direktorium aus. Er ist heute Präsident des Center for Financial Studies in Frankfurt am Main. Seit April 2013 ist Issing auch als Botschafter für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft tätig. Die Geldpolitik des EZB-Rats beobachtet der Jubilar bis heute. Erst vor wenigen Tagen warnte er vor Geldgeschenken der Notenbank in Form von "Helikoptergeld". "Die ganze Idee des des helicopter money halte ich für besorgniserregend, für geradezu verheerend. Denn das ist ja nichts anderes als eine Bankrotterklärung der Geldpolitik", sagte Issing der Deutschen Presse-Agentur und unterstrich, dass eine Notenbank, die Geld verschenke, kaum mehr die Kontrolle über die Notenpresse wiedererlangen könne.

Am 27. März 2016 feiert Otmar Issing seinen 80. Geburtstag, zu dem die Bundesbank herzlich gratuliert. 

Issing über die Zukunft des Euro