Wirtschaftsleistung dürfte Anfang 2023 abermals sinken – Preisdruck bleibt vorerst hoch
„Die deutsche Wirtschaftsleistung war im vierten Quartal 2022 geringer als im Quartal zuvor“
, heißt es im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank. Laut Schnellmeldung des Statistischen Bundesamtes sank das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent. Die hohe Inflation verringerte die Kaufkraft der Verbraucherinnen und Verbraucher hierzulande und die mengenmäßigen Umsätze im Einzelhandel gingen erheblich zurück. Daher dürfte der private Verbrauch spürbar gesunken sein. Hohe Baupreise, die geschmälerte Kaufkraft der privaten Haushalte und gestiegene Finanzierungskosten führten dazu, dass die Nachfrage nach Bauleistungen sank und sich die Baukonjunktur abschwächte. Der Rückgang der Wirtschaftsleistung insgesamt fiele damit jedoch milder aus, als es die Fachleute der Bundesbank in ihren Projektionen vom Dezember erwartet hatten. „Die Lage an den Energiemärkten entspannte sich im Laufe des Quartals merklich
“, schreiben sie hierzu. „Zudem blieb die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe insgesamt widerstandsfähiger als gedacht.“
Wesentliche Verbesserung nicht in Sicht
Im ersten Quartal 2023 dürfte die Wirtschaftsleistung dennoch abermals sinken: Einerseits ist eine Gasmangellage nicht mehr zu erwarten, und die Strom- und Gaspreisbremsen mildern die Energiekosten für private Haushalte und Unternehmen ab. Die Anspannung an den Energiemärkten und die Unsicherheit haben deutlich nachgelassen. Davon dürften vor allem die Unternehmensinvestitionen, aber auch die Industrieproduktion profitieren. Andererseits bleibt die Inflation hoch, und die Industrieproduktion und die Exporte starteten von einem gedrückten Niveau aus in das neue Jahr. „Im weiteren Jahresverlauf könnte es zwar langsam wieder aufwärtsgehen. Eine wesentliche Verbesserung ist aber noch nicht in Sicht“,
so die Einschätzung der Expertinnen und Experten zur wirtschaftlichen Entwicklung. Unter dem Strich dürfte die deutsche Wirtschaftsleistung im Jahresdurchschnitt 2023 aus heutiger Perspektive wohl leicht zurückgehen, heißt es im Bericht. Die Fachleute gehen aber derzeit davon aus, dass sie sich ein wenig besser als noch in der Dezember-Projektion erwartet schlagen wird.
Kaufkraftverluste erschweren Lohnverhandlungen
Mit Blick auf den Arbeitsmarkt wurden die Erwartungen der Fachleute aus den Dezember-Projektionen übertroffen. „Der Arbeitsmarkt verbessert sich im Schlussquartal 2022 wieder“,
heißt es im aktuellen Bericht. Die Erwerbstätigkeit erhöhte sich im Herbst leicht, nachdem die Beschäftigung im Sommer kaum gewachsen war. Die Arbeitslosigkeit blieb weiter stabil auf einem niedrigen Niveau. Auch die Aussichten für den Arbeitsmarkt haben sich laut Monatsbericht in den vergangenen Monaten aufgehellt. Kurzfristig überwiegen die Pläne von Unternehmen, mehr Personal einzustellen. Die Tarifverdienste stiegen im Herbst 2022 zwar weiterhin moderat, da noch ältere Tarifabschlüsse aus der Zeit vor der hohen Inflation dominierten. Die jüngsten Abschlüsse fielen aber deutlich höher aus. Zusätzlich zu dem Anstieg der tabellenwirksamen Leistungen wurden vermehrt Inflationsausgleichsprämien vereinbart. „In den jüngsten Tarifabschlüssen sind die Auswirkungen der hohen Preissteigerungsraten bereits klar erkennbar. Spürbare Zweitrundeneffekte auf die Preise sind absehbar“,
schreiben die Expertinnen und Experten. „Sie tragen für sich genommen dazu bei, den Zeitraum zu verlängern, in dem die Inflationsrate deutlich über dem mittelfristigen Ziel von 2 Prozent für den Euroraum bleiben wird.“
In der diesjährigen Lohnrunde für knapp 11 Millionen Tarifbeschäftigte stehen überwiegend Verhandlungen in den Dienstleistungsbranchen an. Diese werden geprägt sein von der hohen Inflation und dem Personalmangel auf der einen Seite und der gegenwärtig schleppenden Konjunktur sowie Unsicherheiten aufgrund geopolitischer Risiken auf der anderen Seite, heißt es in dem Bericht. Zusätzlich erschwert werden die Verhandlungen dadurch, dass der Lohnverteilungsspielraum durch die massive Verteuerung von Energie eingeengt wird.
Inflationsrate dürfte sich verringern, bleibt aber weiter hoch
Die deutsche Inflationsrate gemessen am Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) erreichte im Oktober zunächst einen neuen Rekordwert von 11,6 Prozent. Bis zum Jahresende sank sie dann vor allem unter dem Einfluss der Übernahme der Abschlagszahlungen auf Gas- und Fernwärme durch den Staat, die sogenannte Soforthilfe Dezember, auf 9,6 Prozent ab. Im Januar kam es laut Schätzung zu einem weiteren Rückgang auf 9,2 Prozent. Dieser Rückgang überraschte laut Bericht, denn die dämpfende Wirkung der Soforthilfe Dezember entfiel. Möglicherweise haben sich die Anteile einzelner Waren und Dienstleistungen am HVPI stärker verändert als sonst üblich und könnten zu dieser Veränderung der HVPI-Rate beigetragen haben, schreiben die Fachleute. Die jeweiligen Anteile von verschiedenen Waren und Dienstleistungen am Warenkorb, mit dem die Preisveränderungen gemessen werden, werden zu jedem Jahreswechsel angepasst. In diesem Jahr könnten aber mehrere Faktoren zu einer deutlicheren Verschiebung der Anteile geführt haben, unter anderem die Umstellung des nationalen Verbraucherpreisindex (VPI) auf ein neues Basisjahr. Diese Umstellung wirkt sich nach Einschätzung der Bundesbank auch auf den HVPI aus. In den kommenden Monaten dürfte die Inflationsrate voraussichtlich zwar spürbar zurückgehen, der zugrundeliegende Preisdruck schwächt sich vermutlich aber nur zögerlich von seinem hohen Niveau ab.